Spam-Bots

Editorial: Öffentliche Desinformation

Twitter entdeckt IO-Netz­werke in 17 Ländern - was ist mit den 178 anderen aner­kannten Staaten?
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Transparenz bei Twitter Transparenz bei Twitter
Foto: twitter.com
Propa­ganda gibt es, seitdem sich die Menschen in Staaten orga­nisieren. Die grund­sätz­lichen Ziele sind dabei im Laufe der Jahr­tau­sende stets gleich geblieben: Es geht immer darum, den eigenen Staat und die eigene Regie­rung beson­ders gut, oder fremde Regie­rungen und fremde Staaten beson­ders schlecht darzu­stellen. So soll die eigene Macht zumin­dest erhalten, möglichst sogar ausge­baut, werden und zugleich der Einfluss­bereich konkur­rie­render Herr­scher redu­ziert werden. Aber nicht nur Regie­rungen betreiben Propa­ganda: Seit der Entste­hung großer Unter­nehmen und Konzerne in der Neuzeit betei­ligen sich diese eben­falls nach Kräften an der inof­fizi­ellen Infor­mati­ons­ver­brei­tung.

Über­wie­gend wird Propa­ganda über Mund-zu-Mund-Nach­richten verteilt. Später lässt sich dann nicht mehr fest­stellen, wer ein Gerücht zuerst gestreut hat. Aber auch die Massen­medien werden für gezielte Propa­ganda genutzt. Manchmal erscheint sie sogar als Buch. Manche Propa­ganda-Bücher sind heute verboten oder geächtet, wie Hitlers "Mein Kampf". Andere, wie Caesars "De bello Gallico", werden sogar im Schul­unter­richt gelesen, auch, wenn letz­teres "von starken Eigen­inter­essen des Verfas­sers geprägt" ist, wie die Wiki­pedia vornehm zurück­hal­tend anmerkt.

Natür­lich werden auch digi­tale soziale Netz­werke für Propa­ganda genutzt, seitdem es diese Netz­werke gibt. Für die Netz­werke ist dieses ein zwei­schnei­diges Schwert: Auf der einen Seite sorgen die Propa­gan­disten für einen steten Nach­rich­ten­strom. Auf der anderen Seite droht den Netz­werken der Verlust des Nutzer­inter­esses, wenn ruchbar wird, dass sie letzt­end­lich nur ein Propa­ganda-Kanal sind. Und so sind Face­book, Twitter und Co. seit Jahr und Tag damit beschäf­tigt, zumin­dest die auffäl­ligsten Regie­rungs-Claquere, fremdes-Netz-Beschmutzer und Bots zu löschen.

Trans­parenz bei Twitter

Transparenz bei Twitter Transparenz bei Twitter
Foto: twitter.com
Dankens­wer­ter­weise veröf­fent­licht Twitter in regel­mäßigen Abständen Details zur Arbeit seines Teams zur Aufde­ckung von Regie­rungs-IO ("Infor­mations Opera­tions"). Persön­lich finde ich es aber etwas auffällig, dass in den letzten zwei Jahren ledig­lich 17 von 195 aner­kannten Staaten welt­weit auftau­chen. Twit­ters Favo­riten bei der Aushe­bung staat­licher Desin­for­mations-Netz­werke sind dabei Russ­land mit vier Nennungen in den letzten zwei Jahren, sowie China, Iran und Saudi-Arabien mit je drei Nennungen. Ägypten, Spanien und Vene­zuela wurden doppelt des Betriebs einschlä­giger Netz­werke über­führt, und Kuba, Ecuador, Ghana, Honduras, Indo­nesien, Nigeria, Serbien, Thai­land, Türkei und die Verei­nigten Arabi­schen Emirate je einmal.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die genannten Staaten zu Recht auf der Liste stehen: Saudi-Arabien, die Verei­nigten Arabi­schen Emirate und Ägypten sind beispiels­weise bekannt für Propa­ganda gegen Katar und Iran, und zumin­dest letz­terer hält dann auch mit denselben Methoden dagegen. Und wenn immer es in den Nach­richten um Russ­land geht, dann tauchen in den Foren darunter en masse Putin-Freunde auf, die sehr genau erklären, warum nun Russ­land so reagieren musste oder Nawalny gar nicht vergiftet wurde und sowieso ein schlimmer Rassist ist. Diese "Putin-Trolle" stehen auch im Verdacht, sich kräftig pro Trump in die letzte US-Wahl einge­mischt zu haben.

Die viel inter­essan­tere Frage ist, warum so viele Länder nicht genannt werden: In Groß­bri­tan­nien gibt es massen­haft Desin­for­mation rund um den Brexit, in Brasi­lien läuft eine andau­ernde Schlamm­schlacht mit Korrup­tions­vor­würfen zwischen allen Regie­rungs­par­teien, in Hong­kong kämpfen pro-west­liche und pro-chine­sische Akti­visten um die zukünf­tige Ausrich­tung des Landes, um nur ein paar bekannte Beispiele zu nennen. Es ist wenig glaub­haft, dass all die Verwir­rung um all diese Ereig­nisse nur aus der Bevöl­kerung kommt, und nicht gezielt Regie­rungen oder zumin­dest Parteien sich an der Agita­tion betei­ligen.

Ich wünsche Twitter viel Kraft, weiterhin Bots und Propa­ganda-Netz­werke zu iden­tifi­zieren und die zuge­hörigen Accounts still­zulegen. Es gibt da sehr viel zu tun!

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