Beschleunigt

Editorial: Alles gut beim Vectoring?

Seltene Einigkeit zwischen Telekom, VATM, BREKO und BUGLAS
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Schwächen zeigt der aktuelle BNetzA-Beschluss jedoch bezüglich der Behandlung von bereits mit VDSL (ohne Vectoring) erschlossenen Knoten. Unter sehr speziellen Bedingungen kann zwar die Deutsche Telekom einen Konkurrenten von einem Standort verdrängen, wenn dieser sich weigert, sein VDSL auf Vectoring auszubauen, aber diese Bedingungen dürften nur in wenigen Fällen zutreffen. Gerade in ohnehin schon infrastrukturschwachen Regionen droht mit den aktuellen Regelungen Blockade und Stillstand.

Am vorherigen Entwurf der Vectoring-Entscheidung vom Frühjahr dieses Jahres wurden die einseitigen Kündigungsrechte zugunsten der Telekom stark kritisiert, nicht nur von den Wettbewerbern, sondern auch von teltarif.de in einem früheren Editorial. In der Folge hat die Bundesnetzagentur die Kündigungsregeln verschärft, so dass nur noch in den wenigsten Fällen eine Kündigung eines Knotens durch die Telekom möglich sein wird. Damit ist zwar die Telekom-Sonderbehandlung weitgehend vom Tisch. Zugleich ist aber die Möglichkeit geschaffen worden, dass sich die Anbieter beim VDSL-Vectoring-Ausbau gegenseitig blockieren.

In einer Eingabe an die Bundesnetzagentur hatte teltarif.de daher angeregt, die Kündigungsregeln nicht zu verschärfen, sondern vielmehr die Verdrängung von VDSL-Anbietern durch VDSL-Vectoring-Anbieter zu vereinfachen. Insbesondere sollte auch die Konkurrenz die Telekom von einem Standort vertreiben können, wenn die Telekom an diesem nicht auf VDSL-Vectoring und Bitstrom-Ebene-2 upgradet. Freilich sollte ein solches Crossupgrade (unabhängig davon, ob die Telekom einen Konkurrenten verdrängt oder umgekehrt) nur in Regionen möglich sein, in denen es keine vergleichbaren (d.h. zu ähnlichem Kosten-Nutzen-Verhältnis ausbaubaren) und freien (d.h. noch nicht mit VDSL oder VDSL-Vectoring versorgten) Netzknoten mehr gibt.

Am deutlichsten tritt die unterschiedliche Auffassung von Bundesnetzagentur und teltarif.de an folgendem Punkt hervor: Der aktuelle Entwurf erlaubt eine Kündigung der VDSL-Nutzung (ohne Vectoring) an einem Standort nur dann, wenn in der Region mindestens drei Viertel der Haushalte auch an eine alternative Festnetzinfrastruktur (in der Regel wird das das Breitbandkabel sein) angeschlossen sind. Unsere Meinung ist, dass ein starker Wettbewerb um den Ausbau, und folglich eine Verdrängungsmöglichkeit, gerade dort nötig sein sollte, wo es keine alternative Infrastruktur gibt.

Erstmal abwarten

Freilich ist es vom heutigen Standpunkt in Ordnung, erstmal abzuwarten, was mit VDSL-Vectoring überhaupt passiert, bevor man Kündigungsregeln im Detail ausarbeitet. Es gibt ja durchaus die Chance, dass sich die Konkurrenten auf dem "kurzen Dienstweg" einigen: Anbieter A gibt zwei für ihn lukrative Standorte zugunsten von Anbieter B auf, der in dieser Region besser aufgestellt ist, und übernimmt davon von B zwei andere Standorte, wo inzwischen A besser dasteht. Ein Anbieter in wirtschaftlicher Schieflage, der sich keinen Vectoring-Ausbau leisten kann, kann sich hingegen möglicherweise gesunden, indem er Standorte verkauft. Und selbst, wenn sich zwei Anbieter vor Ort gar nicht einigen wollen: Vielleicht finden sie ja doch noch eine Regelung, wenn der Bürgermeister einen Vertreter von beiden zu sich ins Büro lädt.

Sprich: Vielleicht erledigt sich das Verdrängungsproblem auch von selbst. Oder es stellt sich gar nicht erst, weil Vectoring nicht zu dem wirtschaftlichen Erfolg wird, den sich derzeit alle Beteiligten erhoffen, und viele Gebiete unversorgt bleiben werden. Und wen man am Ende doch merkt, dass man eine wirksame Verdrängungsregelung gegen VDSL-Blockierer (ohne Vectoring) braucht, kann man diese immer noch "nachrüsten".

Der Vectoring-Markt muss also unter genauer Beobachtung durch die Bundesnetzagentur bleiben: Treibt ein Anbieter tatsächlich Missbrauch mit der Reservierung von Standorten? Oder verschließen sich VDSL-Anbieter dem zeitgemäßen Upgrade auf Vectoring? Sollte die Antwort auf eine der beiden Fragen "ja" lauten, ist schnelles Handeln gefragt.

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