Themenspezial: Verbraucher & Service Zusatzgebühren

Editorial: Geld bezahlen um Geld loszuwerden

BGH-Urteil zu Kosten für Zahlungs­dienst­leister gibt unse­riösen Händ­lern neue Möglich­keiten zur "krea­tiven Preis­gestal­tung"
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Das Angebot an Zahlungs­dienst­leis­tern wird immer unüber­sicht­licher: Neben klas­sischen Bank­konten und Kredit­karten gibt es nun auch noch PayPal, Klarna, Apple Pay, Google Pay und viele weitere. Offi­ziell verfolgen alle das Ziel, das Bezahlen im Internet einfa­cher und sicherer zu machen. Real machen sie es aber im Vergleich zur Über­wei­sung vor allem erstmal teurer - für Kunden und Händler glei­cher­maßen.

Klar ist: Beim Online-Handel gibt es ein grund­sätz­liches Vertrau­ens­pro­blem. Der Händler muss fürchten, Ware zu liefern, die später nicht bezahlt wird. Der Kunde muss fürchten, seine Ware nicht oder defekt zu erhalten, ohne, dass der Händler die nötigen Service-Leis­tungen wie Repa­ratur oder Umtausch erbringt.

Durch die verbrieften Rechte bei Online-Einkauf, allen voran das 14-tägige Wider­rufs­recht, ergeben sich weitere Fall­kon­stel­lationen, bei denen ein Vertrau­ens­bruch auf einer Seite zu Verlusten auf der anderen Seite führt.

Genau hier setzen die Zahlungs­dienst­leister an und verspre­chen Trans­parenz und/oder Versi­che­rungs­schutz für beide Seiten: Wird ein eBay-Kauf beispiels­weise über PayPal abge­wickelt, erhält der Kunde sein Geld zurück, wenn das Paket nie bei ihm ankommt. Ebenso wird dem Händler die Auszah­lung garan­tiert - auch dann, wenn die spätere Last­schrift beim Kunden fehl­schlägt.

Doch dieser Service ist nicht umsonst. Stan­dard­mäßig berechnet PayPal 0,35 Euro pro Trans­aktion und zusätz­lich 1,9 Prozent des Umsatzes. Der PayPal-Kauf eines 500 Euro teuren Smart­phones auf eBay kostet den Händler also - zusätz­lich zu den eBay-Gebühren - fast 10 Euro. Gerade für güns­tige Händler ist das ein erheb­licher Teil der Marge, die sie mit einem solchen Handel über­haupt verdienen.

Nur wenige kommen an Zahlungs­dienst­leis­tern vorbei

Klar ist auch: Große Online-Händler wie Amazon brau­chen die genannten Zahlungs­dienst­leister nicht. Sie haben aus jahre­langer Geschäfts­tätig­keit genü­gend Daten, um das Zahlungs­aus­fall­risiko in Abhän­gig­keit des Kunden selber beur­teilen zu können und brau­chen dafür keinen Dritten mehr.

Jahre­lange gute Kunden profi­tieren bei Amazon vom "Kauf auf Rech­nung" oder Raten­zah­lung ohne Aufpreis. Kriti­schen Kunden wird hingegen sogar teils der Kauf auf Last­schrift verwei­gert und auf der für den Kunden schwie­riger zu stor­nie­renden Kredit­kar­ten­zah­lung bestanden. Aufgrund der hohen Bekannt­heit von Amazon wissen wiederum auch die Kunden, dass Amazon seine Dienst­leis­tung insge­samt ordent­lich abwi­ckelt und brau­chen daher auch keinen Dritten, der die Fälle versi­chert, dass ein Paket gar nicht erst ankommt.

Nur: Kleine Händler haben weder die umfang­reiche Kunden­daten­bank, noch können sie das Zahlungs­aus­fall­risiko über alle Bestel­lungen einfach mitteln (wenn drei iPhones "verloren" gehen, entspricht das mögli­cher­weise bereits dem übli­chen Monats­gewinn), noch wissen die Kunden, ob sie dem Händler vertrauen können. Und bei der Bewer­tung der Serio­sität helfen auch eBay-Bewer­tungen nicht immer weiter: Wenn ein Händler hundertmal Billig­artikel wie Stifte oder USB-Kabel schnell und zuver­lässig liefert, aber zum "Ausgleich" ein Top-Android-Smart­phone nicht liefert, dann ergibt das in Summe dennoch 99 Prozent posi­tive Bewer­tungen.

Für kleine Online-Händler sind also Zahlungs­dienst­leister absolut notwendig, insbe­son­dere im Neukun­den­geschäft. Übri­gens: Amazon ist in diesem Sinne auch Zahlungs­dienst­leister, da sie bei Market­place-Käufen auch das Inkasso über­nehmen. Amazon leistet aller­dings bei Market­place noch mehr - unter anderem die Bereit­stel­lung des Online-Shops und die entspre­chende Bewer­bung der Ange­bote der Händler.

Darf das extra kosten?

Den Vorteilen der Zahlungs­dienst­leister stehen aber die genannten Kosten als Nach­teil gegen­über. Beispiel FlixBus: Unter bestimmten Konstel­lationen (auslän­dische IP-Adresse etc.) bietet man die Zahlung mit Last­schrift nicht an. Wer dann keine Kredit­karte hat, muss auf PayPal oder Klarna ausweisen. Dafür verlangte Flixbus früher (bis das Land­gericht München I Ende 2018 das verboten hatte) jedoch einen Aufpreis. Zu Recht, wie nun der BGH urteilte (Akten­zei­chen: I ZR 203/19) und damit das Beru­fungs­urteil des Ober­lan­des­gerichts München bestä­tigte, dass das Urteil des Land­gerichts München abge­ändert hatte. Flixbus verzichtet zwar auf die Wieder­ein­füh­rung des PayPal- und Klarna-Aufpreises. Andere Händler können das jetzt tun.

Zusätz­liche Leis­tungen!?

Der BGH stützt sich bei seinem Urteil darauf, dass die Zahlungs­dienst­leister "zusätz­liche Leis­tungen" erbringen, bei der Klarna beispiels­weise die Infor­mation des Zahlungs­emp­fän­gers über die Bonität des Kunden. Bei Neukunden verlangt Klarna beispiels­weise, dass sich die Kunden über Klarna in ihr Bank­konto einloggen und direkt eine Über­wei­sung auslösen. Bei Kunden mit posi­tiver Boni­täts­beur­tei­lung erlaubt Klarna hingegen inzwi­schen auch die normale Last­schrift oder gar Raten­zah­lung.

Nur: Von der Haupt­leis­tung von Klarna - der garan­tierten Über­wei­sung - hat der Kunde keinen Vorteil. Im Gegen­teil, für ihn wäre eine einfache Last­schrift sicherer, die kann er bei Problemen nämlich einfach zurück­geben. Die "zusätz­lichen Dienst­leis­tungen", von denen der BGH spricht, sind also hier rein im Inter­esse des Verkäu­fers. Warum soll dann der Kunde dafür bezahlen?

Ande­rer­seits: Aus dem Wort­laut des § 270a BGB, auf den sich der BGH bezieht, lässt sich hingegen in der Tat kein Verbot eines Aufpreises bei Zahlungs­dienst­leis­tern heraus­lesen. Nur die direkte Ausfüh­rung einer SEPA-Last­schrift, SEPA-Über­wei­sung oder Nutzung einer Zahlungs­karte muss kostenlos sein. Der zusätz­lich einge­schal­tete Dienst­leister hingegen nicht.

Dem Betrug wird Tür und Tor geöffnet

Nur: Was gilt, wenn ein unse­riöser Händler vorne mit Lock­preisen wirbt und hinten, nachdem der Nutzer den güns­tigen Flug oder das güns­tige Smart­phone bereits bestellt hat, sich dann heraus­stellt, dass es keine güns­tige Möglich­keit zur Bezah­lung gibt? Geht der Kunde dann zur Konkur­renz, oder schließt er den - nun gar nicht mehr so güns­tigen - Deal nicht doch ab, weil er keine Lust hat, die Buchung woan­ders nochmal von vorne anzu­fangen? Oft genug wohl letz­teres, denn unse­riöse Geschäf­tema­cher mit horrenden Zahlungs­ent­gelten gibt es insbe­son­dere im Bereich der Flug­ver­mittler nun schon seit Jahren.

Flugpreisvergleich Stark unterschiedliche Preise für denselben Flug bei demselben Vermittler in Abhängigkeit der Zahlungskarte. Der jeweils günstigste Preis in einer Zeile ist rot umrandet, die anderen Preise desselben Vermittlers (aber anderer Zahlungsmethode) liegen um bis zu 50 Euro höher.
Screenshot: teltarif.de
In dem hier gezeigten Screen­shot sind die Preise eines Flug­preis­ver­gleichs­por­tals für die Strecke München -> Moskau und zurück aufge­führt. Auffällig ist, dass bei den drei güns­tigsten Anbie­tern die Zahlung mit Visa-Karte zehn Prozent mehr kostet als die Zahlung mit Master­card. Nun verlangen die beiden großen Karten­anbieter quasi dieselben Entgelte, die sich zudem - entspre­chende Volu­mina voraus­gesetzt, die bei Online-Reise­ver­mitt­lern frei­lich vorhanden sein sollten - auf unter 1 Prozent Disagio verhan­deln lassen. 10 Prozent Aufpreis für die Nutzung der "falschen" Karte sind daher bereits für sich genommen hoch­gradig unse­riös. Es kommt dann noch hinzu, dass nach meinen Erfah­rungen die Buchung mit der aus Kunden­sicht rich­tigen, also güns­tigen, Karte in der Mehr­zahl der Versuche mit merk­wür­digen Fehler­mel­dungen abbricht. Wech­selt man dann zu der aus Händ­ler­sicht rich­tigen, also teuren, Karte, läuft die Buchung wie erwartet durch.

Spätes­tens dann, wenn die genannten Probleme ausge­rechnet bei Nutzung der güns­tigsten Karte nicht das Produkt verse­hent­licher Program­mier­fehler, sondern absicht­licher Code-Gestal­tung sind, ist m. E. die Grenze zum Betrug über­schritten.

Zwar lässt sich dieser Betrug nur schwer nach­weisen, aber es bleibt die vorsätz­liche "Vorspie­gelung falscher Tatsa­chen", wenn man syste­matisch Preise bewirbt, die sich nicht buchen lassen. Selbst, wenn Kunden nach dem Buchungs­fehler mit der güns­tigen Kredit­karte frei­willig eine andere Karte wählen: Sie machen das nur, weil sie den Flug ja sowieso buchen wollen, und keine Lust und/oder keine Zeit haben, die Buchung erneut woan­ders einzutippen.

Die Kunden wählen zwar frei­willig zwischen zwei Übeln - dem Zeit­nach­teil beim Wechsel und dem Geld­nach­teil beim Weiter­buchen - aber sie sind erst durch die Betrugs­hand­lung (die absicht­lich nicht funk­tio­nie­rende Buchungs­mög­lich­keit für den güns­tigsten) Flug über­haupt in dieser Situa­tion gelandet, dass sie sich entscheiden müssen. Rechts­widrig wird der von den Buchungs­por­talen erlangte Vermö­gens­vor­teil (die Vermitt­lungs­pro­vision) dadurch, dass Ziffer 5 des Anhangs zum UWG Lock­ange­bote ausdrück­lich verbietet.

Mit Sicher­heit werden unse­riöse Online-Händler - und dazu gehören nicht nur Online-Reise­ver­mittler - auch Wege finden, das aktu­elle BGH-Urteil auszu­nutzen. Die Masche, über einen Stroh­mann einen eigenen Zahlungs­dienst­leister Z GmbH zu gründen, diesen im Shop einzu­binden und dann die regu­läre Last­schrift / Karten­zah­lung kaputt zu machen (oder einfach gar nicht erst anzu­bieten), drängt sich gera­dezu auf.

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