Editorial: Das 6te Rennen
Mobilfunkverstärkermodul für 6G auf Gallium-Nitrid-Basis
Foto: Fraunhofer IAF
Alle zehn Jahre kommt ein neuer Mobilfunkstandard: Erst wird einige
Jahre geforscht, dann wird einige Jahre standardisiert. Und wenn dann
die ersten Basisstationen und Smartphones nach dem neuen Standard im
Markt sind, beginnt die Forschung für den nächsten Standard.
Folgerichtig wird an der TU Berlin und am Heinrich-Hertz-Institut (kurz HHI) bereits eifrig an 6G geforscht. Nachdem mit 5G der Bereich der Millimeterwellen - das sind Frequenzen von 30 bis 300 GHz erschlossen worden ist, dürfte als nächstes Wohl der Bereich der Sub-Millimeterwellen jenseits von 300 GHz dran sein. Einige sprechen sogar von Terahertz-Wellen, das ist jenseits von 1000 GHz = 1 THz.
Die Vorteile: So weit oben gibt es noch kaum Nutzer für die Frequenzen, Ärger bei der Lizenzvergabe ist daher keiner zu erwarten. Auch ist die zur Verfügung stehende Bandbreite riesig. Selbst zwischen 1 THz und 1,01 THz liegen volle 10 000 MHz an Bandbreite, über die sich schon in einer 1-Antennen-Konfiguration mit den üblichen Modulationsverfahren 20 bis 40 GBit/s übertragen lassen sollten. Kommt dann noch MiMo obendrauf, reden wir von weit über 100 GBit/s bzw. weit über 100 000 MBit/s.
Diese Bandbreite wäre auf jeden Fall genug, um jedem in der Zelle seinen persönlichen 4K-Livestream zur Verfügung zu stellen. Denn, wir kommen zu den Nachteilen: Bei derart hohen Frequenzen ist die Absorption schon in Luft enorm hoch, die Reichweite entsprechend kümmerlich und die Zahl der Nutzer in einer Zelle klein. Ohne direkte Sichtlinie zwischen Sender und Empfänger geht nichts mehr. Und damit ist auch klar, dass diese hohen Frequenzen nur dort lohnen, wo sich große Menschenmengen versammeln: Fußballstadien, Messehallen, Bahnhöfe, Flughäfen und dergleichen mehr, aber sicher nicht in der Breite.
5G obenrum schwach
Mobilfunkverstärkermodul für 6G auf Gallium-Nitrid-Basis
Foto: Fraunhofer IAF
Aktuell unterstützt nur ein Teil der 5G-Smartphones auch eines
der Bänder für Millimeterwellen, also n257 bis n262. Bei den aktuellen
Top-Smartphones von Apple und Samsung sind die Millimeterwellen natürlich
dabei, aber schon in der 5G-Mittelklasse, wie dem
Samsung Galaxy A32, fehlen
sie. Der Grund dafür ist klar: Die meisten Menschen sind eben die meiste
Zeit nicht an einem öffentlichen Verkehrsknotenpunkt, in einer Messehalle
oder in einem Stadium.
Technisch wird es sicher gelingen, auch noch höhere Frequenzen grundsätzlich nutzbar zu machen. Andererseits stellt sich aber eben die Frage, welchen Nutzen es hat, wenn bei 175 GHz 100 Meter überbrückt werden, wie im verlinkten Versuch der Forscher von TU Berlin und HHI demonstriert wurde. Das reicht natürlich, damit in einem Fußballstadium alle Fans gleichzeitig ihre persönlichen Schnappschüsse hochladen können. Aber es reicht nicht, um die berühmten "weißen Flecken" endlich von der Landkarte getilgt zu bekommen.
Technologie, die die Bandbreite bei 1,75 GHz verhundertfacht, beispielsweise durch die Nutzung hundert paralleler Mikroantennen, deren Signal über bestimmte Filter sauber voneinander getrennt werden kann, erscheint mir daher jenseits der Bahnhöfe und Stadien zukunftsträchtiger als Technologie für 175 GHz. Denn die Parallelnutzungs-Technologie für die niedrigeren Frequenzen würde ja auch dort funktionieren, wo alle auf einmal sind, aber eben nicht nur dort.
Auch bei der Bevölkerungsakzeptanz hätte eine 6G-Technologie, die die bestehenden Frequenzen effizienter nutzt, sicherlich Vorteile im Vergleich zu einer Technologie, die schon wieder neue, noch weitgehend unerprobte und noch höhere Frequenzen einführt. Schon 5G löst bei vielen vor allem wegen der Millimeterwellen Unbehagen aus.