Telemedizin

Gesundheitscheck per Handy

Telemedizin ist in Deutschland noch im Entwicklungsstadium
Von dpa / Marie-Anne Winter

Telemedizin steckt in Deutschland noch in den Anfängen. Doch die elektronische Überwachung zum Beispiel von Puls, Blutdruck und -zucker oder Gewicht könnte in Zukunft chronisch kranken Menschen den Alltag erleichtern. Vielleicht sogar Leben retten: "Je besser die Behandlung, desto höher die Überlebensrate", sagt Dierk Ronneberger, Leiter des telemedizinischen Zentrums der Deutschen Stiftung für chronisch Herzkranke in Bamberg. In dem Zentrum laufen die Daten von rund 150 Patienten zusammen.

Zu ihnen gehört Hermann Stenns. Der herzkranke Rentner aus Gelsenkirchen kontrolliert sein Gewicht seit einigen Monaten regelmäßig elektronisch. "Ich steige auf meine Funkwaage, das Spezialhandy schaltet sich automatisch ein, und weg sind die Daten", beschreibt er die Praxis. Die Angaben landen im Computer des telemedizinischen Zentrums.

Nimmt Stenns zu, informiert ihn medizinische Fachpersonal schnell über dieses für Herzkranke alarmierende Signal. "Ich bekomme dann den Rat, zu meinem Arzt zu gehen", sagt Stenns. Frühe Hinweise auf drohende Probleme hätten ihn bereits mehrfach vor Zusammenbrüchen bewahrt. Für Arzt Ronneberger liegt darin der große Vorteil der Telemedizin: "Einsätze von Notärzten und Krankenhausaufenthalte werden reduziert. Die Lebensqualität der Patienten wird verbessert". Hermann Stenns zumindest findet es "beruhigend, überwacht zu werden" und rund um die Uhr einen Ansprechpartner zu haben.

Schnelle Erfolge durch einfache Messung

Chronisch Herzkranke bilden derzeit die Hauptzielgruppe der Telemediziner. Vor allem, weil Dierk Ronneberger zufolge die Zahl älterer Menschen mit Herzproblemen stetig zunimmt - mindestens ein Prozent der Bürger leidet darunter. Außerdem seien die Werte relativ gut messbar. "Das bringt den Patienten schnelle Erfolge", glaubt er. Die neue Technologie kann aber auch bei Diabetes, Bluthochdruck, Asthma oder bestimmten Lungenkrankheiten eingesetzt werden.

In der Regel werden die Patienten mit Telefon, Waage sowie elektronischem Blutdruck- und Pulsmessgerät ausgestattet. Darüber hinaus gibt es kleine, mobile Geräte, um unabhängig von Ort und Zeit ein EKG zu erstellen. "Der Patient schnallt das Gerät um die Brust, befestigt die Sensoren auf der Haut, zum Senden hält er den Telefonhörer aufs Gerät", erzählt Prof. Harald Korb, ärztlicher Direktor der Firma Personal HealthCare-Telemedicine in Düsseldorf. Zudem gibt es Handys, die mittels auf der Rückseite befestigter Elektroden Werte messen und übertragen. Im Notfall kann der Patient geortet werden.

EKG-taugliche Geräte kosten nach Schätzungen des Telemedizin-Experten im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Gerhard Finking, mindestens 150 Euro. Ein Blutdruckmessgerät kommt auf etwa 70 Euro. Hinzu kommt der Aufwand für den Anschluss zum telemedizinischen Überwachungszentrum. Manchmal ist die Handhabung der Technik schwierig, kämpfen Patienten mit Kabelsalat. "Eigentlich sollte nur ein Knopf da sein", wünscht sich Harald Korb. Gerhard Finking träumt von einer "Gesundheitsuhr" mit mikrokleinen Geräten.

Die Kosten für die Telemedizin übernehmen zum Teil die Krankenkassen. Sie finanzieren Technik, Schulung im Umgang mit den Geräten und ärztliche Betreuung. Die Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg startete nach Auskunft ihrer Sprecherin Antje Walther zusammen mit der Deutschen Stiftung für chronisch Herzkranke im Januar ein bundesweites Angebot. Versicherte spricht die TK direkt oder über den Hausarzt an.

Mehr Lebensqualität und weniger Kosten

Fachleute erkundigen sich regelmäßig nach dem Befinden der Patienten, die Schritt für Schritt selbstständiger werden sollen. Erstes Fazit von Antje Walther: "Die Patienten haben gelernt, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen sollen, wissen wie weit sie sich belasten dürfen und was sie lieber bleiben lassen sollten."

Ein ähnliches Modell wie die TK offeriert die Frankfurter Taunus BKK. Nach Auskunft von Direktorin Cordula Gierg beteiligen sich mehr als 1 000 Versicherte, das Potenzial sei jedoch dreimal so groß. Der Hausarzt ist erster Ansprechpartner des Patienten und übernimmt dessen Anmeldung. Dafür erhält der Arzt ein zusätzliches Honorar. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) betreiben Modellprojekte: "In Bayern, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe für Herzkranke, die AOK Bayern außerdem für Patienten mit Atemwegserkrankungen", listet Bundesverbands-Sprecher Udo Barske Beispiele auf.

Außerdem beteiligt sich die AOK in Brandenburg an einem Versuch mit einer "Tele-Krankenschwester". Sie misst Patienten zu Hause Blutdruck und -zucker und kann über Funk ärztlichen Rat einholen. Nicht alle Krankenkassen bieten allerdings Telemedizin an.

Die Kassen erhoffen sich auf lange Sicht neben mehr Lebensqualität für die Versicherten niedrigere Kosten. Die Taunus BKK rechnet mit Einsparungen von 4,7 Millionen Euro pro Jahr. Einen Beitrag soll die elektronische Patientenakte leisten. Dort sind alle Werte und Untersuchungen gespeichert, Zugriff haben Haus-, Fach- und Notarzt. "Weniger aufwendige Mehrfachuntersuchungen, ein intensiveres Zusammenspiel zwischen Haus- und Facharzt sowie Klinik" zählt TK-Sprecherin Walther auf. Gleichzeitig trage die Koordination zur besseren Versorgung von Patienten bei.

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