Themenspezial: Verbraucher & Service Smartphone-App

Telemedizin: Der Hautarzt aus der Smartphone-App

Eine Diagnose via Handy-App kann den Gang zum Arzt ersparen. Dies sehen nicht nur die Entwickler und Nutzer der Telemedizin so, sondern auch einige Ärzte. Die Kammer und der Berufsverband kritisieren jedoch die digitale Medizin aus dem Internet.
Von dpa / Jennifer Buchholz

Mittels eines Fotos erstellt der Dermatologe seine Diagnose Mittels eines Fotos erstellt der Dermatologe seine Diagnose
Bild: dpa
Es klingt wie eine Vision aus der schönen neuen Internet­welt. Wenn im Urlaub plötzlich dicke rote Pusteln auf der Haut auf­tauchen: Handy-Foto machen und via App an einen Hautarzt in Deutsch­land weiter­leiten. Nach maximal zwei Tagen ist die Antwort da - Sonnen­allergie und ein Tipp für eine Creme. Technisch ist diese Form der Tele­medizin heute kein Problem. Jeder vernetzte Mensch kann sich die Dienst­leistung seit 2013 kaufen. Bauch­schmer­zen macht sie Fach­ver­bänden und Ärzte­kammern trotzdem. Denn nicht alles, was technisch möglich ist und nach seriösem Service klingt, ist rechtlich auch wirklich erlaubt. Oft ist es noch ein Graubereich.

Keine Wartezeit für eine Routine­unter­suchung

Mittels eines Fotos erstellt der Dermatologe seine Diagnose Mittels eines Fotos erstellt der Dermatologe seine Diagnose
Bild: dpa
In Berlin glauben die Firmen­gründer Simon Bolz und Simon Lorenz fest an ihre Idee eines Internet­portals für Haut­krank­heiten. Sie haben es goderma [Link entfernt] genannt. Der Sozial­wissen­schaftler mit PR-Erfahrung und der Ge­sundheits­manager haben sich mit Johannes Ring von der Technischen Universität München einen renommierten Facharzt mit ins Boot geholt - und eine eigene Software für den Daten­transfer entwickelt.

Die Liste ihrer Argumente für den neuen Service ist lang: Keine lange Warte­zeiten für einen Routine-Termin beim Hautarzt - und eine Art Filter­funktion. "Wer Fußpilz hat, muss nicht zum Hautarzt", sagt Bolz. Bei einer Gürtel­rose aber sollte er dringend hingehen. Die beiden Gründer betonen, dass ihr Service keine Be­handlung sei und auch keinen Besuch beim Facharzt ersetze. Es sei ein Angebot für Rat­suchende, die erste Orientierung wollten - und bereit seien, dafür zu zahlen. Bolz und Lorenz sprechen von Handlungs­empfehlungen.

Kritik von mehreren Seiten

Die Berliner Ärzte­kammer überzeugt die Idee nicht. "Berufsrechtlich ist das nicht zulässig, weil es ein Fernbehandlungsverbot für Ärzte gibt", meint Sprecher Sascha Rudat. Er zweifelt an der Qualität der eingeschickten Fotos und an der Datensicherheit. Er fragt sich auch, ob es wirklich eine Hilfe für Patienten ist - oder mehr ein Geschäft. "Wenn der Rat lautet: Suchen Sie einen Hautarzt auf - was bringt das dann?", fragt er. Die Kammer will nun prüfen, welche Berliner Ärzte mit dem Startup zusammen­arbeiten. "Wir werden ihnen auf die Finger klopfen", ergänzt Rudat.

Beim Berufsverband der Deutschen Dermatologen ist Präsident Klaus Strömer auch skeptisch. "Das ist ein mutiges Vorhaben, aber medizinisches und juristisches Neuland", sagt er. Das Internet sei vielfach ein Graubereich, die berufs­recht­liche Frage oft ungeklärt. Das Berliner Unternehmen werde in der Fachgesellschaft deshalb bisher eher kritisch gesehen. Die Ärzte, die bisher mitmachten, seien aber seriöse Kollegen. Doch sie müssten sich dem Berufs­verband noch erklären - und seien "rechtlich hoffentlich gut beraten".

Strömer selbst hält nicht viel von Diagnosen nur per Foto. "Ich kann einen Patienten nicht nach der Vorgeschichte fragen", sagt er. Bereits der Verdacht auf eine bösartige Haut­er­krankung habe emotionalen Charakter. Damit würde er Patienten ungern alleinlassen.

Viel offener reagiert die Deutsche Gesellschaft für Telemedizin. "Wir sehen viele Gesundheits-Apps kritisch, weil keine medizinische Expertise dahintersteht", sagt Sprecher Wolfgang Loos. "Aber solange Ärzte involviert sind, ist das nicht anzufechten". Es werde aber immer etwas sein, das Bürger selbst bezahlen müssten. Loos fragt sich, wie zeitgemäß das deutsche Fernbehandlungsverbot in der Musterberufsordnung für Ärzte ist, wenn selbst Krankenkassen telefonische Notdienste anböten. E-Health Strategien seien in Skandinavien, Frankreich und den USA längst Normalität.

Deutsche Kliniken nutzen Telemedizin zum Beispiel, um Herzkranke und Diabetiker in großen Programmen besser zu überwachen - durch automatisch gefunkte Werte. Muss Telemedizin außerhalb der Krankenhäuser eine Sache von Privatfirmen und Zuzahlungen sein?

Einige Mediziner begrüßen die Telemedizin

Nicht in Südbrandenburg. Dort nutzen Mediziner Telemedizin schon seit 2010. Hautarzt Bernd Richter in Bad Liebenwerda erhält dann zum Beispiel über ein sicheres Netz eine Anfrage von einem Hausarzt aus der Region - oft schon mit dem Foto eines Hautproblems. Die Frage kann lauten: Ich habe den Verdacht auf schwarzen Hautkrebs, ist das korrekt? Teilt Bernd Richter diesen Verdacht, bekommt der Patient bei ihm sofort einen Termin. "Sonst gibt es bis zu einem halben Jahr Wartezeit", sagt er.

Richter würde es begrüßen, wenn dieses Internet-Ärztenetz noch viel weiter ausgebaut würde. Warum nicht mit Kollegen und ihren Patienten skypen, selbst vom Pflegeheim aus? Warum nicht auch den Chirurgen in der Klinik miteinbinden? "Wir haben hier so lange Wege für Patienten. Das könnte ihnen das Leben sehr erleichtern", sagt er. Bei "goderma" mitmachen würde Richter hingegen nicht. "Ich brauche meine Lichtlupe. Und ich muss die Haut anfassen", sagt er. "Bei allem anderen hätte ich Bauch­schmerzen."

Auch in anderen Bereichen wird die digitale Medizin bzw. eHealth immer beliebter. Hierdurch werden nicht nur Patienten mit ein­ge­schränkter Be­wegungs­fähig­keit entlastet, auch Ärzte in ländlichen Regionen können via Video­konferenzen besser auf ihre Patienten eingehen. Lesen Sie mehr zu dem Thema in unserer Meldung.

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