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Editorial: Dünnes Kabel, dicke Datenströme

DSL erobert den Breitbandmarkt
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Aller Anfang war langsam: 300 Bit pro Sekunde übertrugen die Akustikkoppler der ersten Generation, mit denen man Computer ans Telefonnetz anschließen konnte. Bessere Modems brachten es auf 1 200 oder gar 2 400 Bit pro Sekunde. Mit jeder Generation wurden die Geräte schneller. Verbreitete Geschwindigkeitsstufen waren 9 600 Bit/s, 14 400 Bit/s, 28 800 Bit/s und schließlich die auch heute noch üblichen 56 000 Bit/s.

Der nächste Geschwindigkeitssprung zu ADSL mit mehreren Millionen Bit pro Sekunde erforderte einen Paradigmenwechsel: Statt von einem Modem zum nächsten, die über das analoge oder digitale Telefonnetz miteinander verbunden werden, und die tausende von Kilometern voneinander entfernt sein können, verbindet ADSL nur zwischen dem Telefonkunden und der Vermittlungsstelle. Länger dürfen die Telefonkabel nicht sein, sonst kommen die Signale nicht mehr beim Nutzer an.

Die nächste Generation, VDSL, schafft zwar nochmals einen gewaltigen Geschwindigkeitssprung - bis zu 50 MBit/s und mehr sind möglich - aber auf Kosten einer weiteren starken Verkürzung der Reichweite. Die aktive Technik muss entsprechend näher an den Endkunden ran; statt in der Vermittlungsstelle sitzt diese nun im Kabelverteilerkästchen.

Wenige Alternativen

Umso trauriger ist es, dass hierzulande eine weitere Kabeltechnologie, nämlich das für die Verteilung von Fernsehsignalen eingeführte Breitbandkabel, kaum für die Bereitstellung von schnellen Internetzugängen genutzt wird. Das dort verwendete Koaxialkabel ist nämlich sehr viel besser für hohe Frequenzen geeignet. Dadurch sind noch höhere Bitraten als bei DSL erreichbar; allerdings teilen sich alle versorgten Kunden in einem Kabelsegment diese Bandbreite, während bei DSL zumindest theoretisch jedem Endnutzer die volle Bitrate zur Verfügung steht. Allerdings kann es auch bei DSL-Anbietern zu Überlastungserscheinungen im Backbone kommen, wenn dieses nicht ausreichend ausgebaut ist.

Für Internetzugänge muss das Breitbandkabelnetz zwar um geeignete Repeater für den Rückkanal erweitert werden; die hierfür notwendigen Investitionen sind aber überschaubar. So sind weniger die Investitionshürden als vielmehr der späte Start der Kabelnetzbetreiber daran schuld, dass diese Technologie bis heute kaum Marktanteile erobern konnte. Denn die Deutsche Telekom schaffte es, den ihr auferlegten Verkauf der Kabelnetze jahrelang zu verzögern. Dadurch ist die Telekom bis heute unangefochtener Breitband-Monopolist. Selbst DSL-Anschlüsse bei der Konkurrenz wie Arcor, HanseNet/Alice oder Versatel nutzen auch der Telekom, denn die Konkurrenten müssen für die überwiegende Mehrheit der eigenen Anschlüsse die Teilnehmeranschlussleitung von der Telekom mieten.

Umso kritischer ist natürlich, dass die Telekom weiterhin für sich beansprucht, VDSL während einer mehrjährigen Einführungsphase nicht zu regulieren. Hier bleibe ich bei meiner Einschätzung, dass mindestens eine Form der Regulierung dringend notwendig ist; entweder, wie von mir bevorzugt, auf Basis der Vorprodukte (Zugang zu Kabelverteilern und Leerrohren bzw. Glasfasern) oder auf Basis der Endprodukte (Resale-Verpflichtung für VDSL-Anschlüsse). Versäumen es allerdings die Konkurrenten, rechtzeitig entsprechende Entgeltanträge zu stellen, sollten sie sich nicht wundern, wenn sie später schon allein aufgrund der Langsamkeit des "Amtsschimmels" bei der Bundesnetzagentur zig Monate warten müssen, bis sie endlich Zugang haben. Die bei einer TKG-Änderung vor einigen Jahren eingeführten neuen Regeln zur "Marktabgrenzung" und die dafür notwendigen Gutachten inklusive der Stellungnahmen aus Brüssel haben die Verfahren nicht gerade beschleunigt.

Wie viele Bits braucht der Mensch?

An dieser Stelle sei aber auch erneut die Frage erlaubt, wie viele MBit/s ein DSL-Anschluss nun braucht, um für Endkunden ausreichend zu sein. Während die PC-Technik immer weiter voranschreitet, weil immer ausgeklügeltere virtuelle Welten in PC-Spielen oder immer anspruchsvollere Betriebssysteme nach mehr und mehr Leistung verlangen, ist fraglich, ob es denselben Leistungsdruck auch im Breitbandbereich geben wird. Schon ADSL-Verbindungen der ersten Generation übertragen Internet-Seiten schneller, als die Browser sie darstellen können. VDSL bringt hier praktisch keine Geschwindigkeitsvorteile mehr. Das Streaming von Videos ist ebenfalls bereits mit ADSL möglich, mit ADSL2+ sogar als HDTV-Bild. VDSL bringt hier die Möglichkeit, mehrere Streams gleichzeitig zu empfangen. Doch wie viele Kunden brauchen das?

Bei Downloads im Bereich einiger Megabyte ist auch ADSL so schnell fertig, dass kaum jemand für noch schnellere Downloads den vielfachen Preis für eine schnellere Leitung bezahlten wird. Nur bei Riesen-Downloads im Gigabyte-Bereich sinken mit VDSL die Transferzeiten so stark, dass sich die Kunden danach sehnen werden. Doch wie viele Kunden "saugen" wirklich regelmäßig so viel.

Von daher könnte VDSL in den kommenden Jahren ein Nischenprodukt bleiben. Interessant für alle, die ein individuelles Fernsehprogramm mit noch nicht in der Videothek erhältlichen Filmen in HD-Auflösung genießen wollen, aber dafür auch bereit sind, einen erheblichen Aufpreis im Vergleich zur "Normalversorgung" zu bezahlen.

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