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Editorial: Witzstrafe bei Telefonwerbung

50 000 Euro Bußgeld schrecken nicht vor Telefonwerbung ab
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Das Telefon ist ein großartiges Marketinginstrument: Ohne großen Aufwand stellt es den Kontakt zwischen dem Kunden auf der einen und dem Verkäufer oder Dienstleister auf der anderen Seite her. Es ist sicher nicht vermessen, wenn man annimmt, dass bei einem erheblichen Teil aller Vertragsschlüsse in der Wirtschaft das Telefon mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. Manchmal ist der Beitrag gering, etwa bei der Vereinbarung eines Arzttermins oder der Reservierung eines Tisches im Restaurant (stattdessen hätte man oft auch einfach so hingehen können), manchmal ist er groß, etwa bei der telefonischen Verhandlung über Preise und Konditionen zwischen zwei Unternehmen.

So, wie es gute und schlechte Geschäftspartner gibt, bzw. seriöse und unseriöse Unternehmen, wundert es auch nicht, dass es immer wieder Ärger mit Verträgen gibt, die über das Telefon geschlossen wurden. Mal hat der eine den anderen Vertragspartner einfach falsch verstanden und es kommt zum Streit, was vereinbart war. Mal macht der eine dem anderen am Telefon leichtfertige Versprechen, die er später abstreitet, wenn er merkt, dass er diese nicht halten kann. Manchmal belügt auch der eine Vertragspartner den anderen schamlos, um zum Vertragsabschluss zu kommen.

Wegen all dieser Gefahren und Probleme ist es unter Unternehmen üblich, dass mündlich am Telefon getroffene Vereinbarungen nachher kurz schriftlich per Brief, Telefax oder E-Mail bestätigt werden oder gar der eigentliche Vertragsschluss diesen deutlich sichereren Kommunikationswegen vorbehalten wird. Zwar können auch E-Mail und Fax oder gar eine Unterschrift unter einem Brief gefälscht werden. Wer dieses tut, geht aber ein deutlich höheres Risiko ein, erwischt zu werden, als jemand, der den Inhalt eines Telefongesprächs verzerrt wiedergibt.

Telefonate sind auch lästig

Neben den Schwierigkeiten bei der Dokumentation des Inhalts des Telefongesprächs gibt es auch ein "menschliches" Problem: Telefonanrufe können lästig sein, wenn sie stören. Von meinem besten Freund lasse ich mich gerne stören, von einer Agentur, die mir "riesige Gewinnchancen im Lotto" oder "hundertprozentige Anlagetipps" vermitteln will, eher weniger gern. Im Zweifelfall verdient bei diesen vor allem der Vermittler.

In Unternehmen ist zumeist geregelt, welche Telefonnummern wie veröffentlicht sind, so dass externe Anrufe nur diejenigen Mitarbeiter stören, die dafür abgestellt sind. Im Privatbereich können Werbeanrufe hingegen eine erhebliche Belästigung werden. Soziale Anstandsregeln verhindern dann oft noch, dass diese Belästigung beizeiten beendet wird. Schließlich will man sich ja nicht ebenso rüde verhalten wie der ungebetene Anrufer, also fällt man ihm nicht ins Wort oder legt gar einfach auf. Am Schluss kommt es gar so weit, dass der Angerufene nachgibt und irgendetwas bestellt, nur, um den Anrufer endlich loszuwerden.

Mehr Sicherheit für Verbraucher

Aus beiden genannten Gründen - unklare Beweislage bei telefonischen Bestellungen und unerwünschtes Cold Calling von Druckverkäufern - ist der Vorstoß der Bundesregierung, Verbraucher stärker vor Telefonwerbung zu schützen, zu begrüßen. Insbesondere die von den Bundesländern geforderte Variante, dass Verträge erst dann rechtskräftig werden, wenn sie vom Verbraucher schriftlich bestätigt werden, würde vor etlichem telefonischen Ungemach schützen. Wie bereits dargestellt ist das zwischen Unternehmen bereits heute üblich.

Woran der aktuelle Entwurf krankt, ist jedoch wieder einmal die Überregulierung von Details. Warum werden explizit Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten genannt, sowie Wett- und Lotteriedienstleistungen? Warum soll der Verbraucher vor den Anrufen dubioser Lottoverkäufer besser geschützt werden als vor den Anrufen seines Bankberaters, der ihm irgendeine windige Fonds-Anlage und die Umschichtung seines Vermögens aufschwatzt? Und warum sind Zeitschriften auf der Negativliste, während Telefonanschlüsse es nicht sind? Der Schaden durch unnötige Änderungen am Festnetz- oder Mobilfunkvertrag dürfte meist größer sein als die Kosten für ein unnötiges Zeitschriftenabo. Zudem sind für die meisten Verbraucher die Folgen eines Abos leichter zu überblicken als die eines Anschlusswechsels.

Zu fordern ist daher, dass Verbraucher bei allen Verträgen geschützt werden, für die sie aktiv am Telefon kontaktiert werden, nicht nur bei bestimmten. Zudem gilt: Je weitreichender eine Schutzregelung für Verbraucher ist, desto eher spricht sich diese rum, und desto mehr Verbraucher werden zu ihrem Vorteil davon Gebrauch machen. Gesetze, die nur für einen bestimmten Zweck gemacht sind, landen nämlich schnell in der Vergessenheit. Papier ist bekanntlich geduldig.

Auch die bisher diskutierten Bußgelder scheinen kaum geeignet, Unternehmen vor illegaler Telefonwerbung abzuschrecken. Wer im Monat Millionen mit Lotto-Tippgemeinschaften umsetzt, bezahlt 50 000 Euro Geldbuße aus der Portokasse und macht anschließend ungeniert weiter. Man bedenke, dass bereits heute bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen von Konkurrenten oder Verbraucherzentralen gegen Unternehmen, die unzulässig Telefonwerbung einsetzen, Strafgelder in vielfacher Höhe angeordnet werden können. Dieses gilt hier allerdings erst im Wiederholungsfall, so dass die zusätzliche Androhung von Geldbußen schon Sinn macht - nur muss eben die Höhe auch wirklich abschrecken.

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