Geld alle

Digitalminister Wissing muss Ausbau-Förderung stoppen

In vielen Dörfern sind Inter­net­ver­bin­dungen langsam - Hemm­schuh für die wirt­schaft­liche Entwick­lung. Alle fragen nach Zuschüssen, das Geld reicht nicht.
Von mit Material von dpa

Der Bund hat seine Gigabit-Förde­rung für schnelles Internet wegen fehlenden Geldes in diesem Jahr vorzeitig einge­stellt. Bundes­ver­kehrs­minister Volker Wissing (FDP) sagte in Berlin, die in diesem Jahr zur Verfü­gung stehende Förder­summe von drei Milli­arden Euro sei ausge­schöpft.

Geld alle - Bundes­länder sauer

Die Bundes­länder Bayern und Hessen protes­tierten und hielten dem Bund mangelnde Abstim­mung mit den Ländern vor. Wissing hingegen wertete die große Nach­frage der Kommunen als Beleg für den großen Erfolg des Förder­pro­gramms. Dieses soll im nächsten Jahr fort­gesetzt werden. Die Ausbau­ziele seien nicht gefährdet.

Füra­cker: Fataler Fehler

„Der Bundes­stopp für die Giga­bit­för­derung ist ein fataler Fehler“, kriti­sierte Bayerns Finanz­minister Albert Füra­cker (CSU). Die Gigabit-Förde­rung ist für länd­liche Kommunen gedacht, in denen sich der Ausbau des Glas­faser­netzes wegen hoher Kosten für Tele­kom­muni­kations-Unter­nehmen privat­wirt­schaft­lich nicht lohnt. Insge­samt sind dafür zwölf Milli­arden Euro vorge­sehen. Der Breitbandfördertopf von Digitalminister Wissing (links) ist alle. Gibt Finanzminister Lindner (rechts) noch was dazu? Der Breitbandfördertopf von Digitalminister Wissing (links) ist alle. Gibt Finanzminister Lindner (rechts) noch was dazu?
Foto: Picture Alliance/dpa

Deutsch­land hat Nach­hol­bedarf

Von Wirt­schafts­ver­bänden wird regel­mäßig beklagt, dass Deutsch­land in Sachen schnelles Internet auf dem Land Nach­hol­bedarf habe. Ziel des Gigabit-Programms ist ein flächen­deckendes Hoch­geschwin­dig­keits­netz für alle Haus­halte, Unter­nehmen, Schulen und Kran­ken­häuser in Deutsch­land. „Der Förder­stopp trifft uns hart und kommt uner­wartet“, beklagte auch Hessens Digi­tal­minis­terin Kris­tina Sinemus (CDU). „Der unzu­rei­chende Austausch zwischen Bund und Ländern und damit die mangelnde Abstim­mung hat zu dieser fatalen Situa­tion geführt“, warf die CDU-Poli­tikerin dem Berliner Minis­terium vor.

CSU-Chef Markus Söder sagte, die neue Bundes­regie­rung sei ange­treten, die Digi­tali­sie­rung im länd­lichen Raum voran­zubringen. Nun sehe es so aus, dass die Gigabit-Förde­rung abge­bro­chen werden solle. „300  Milli­arden Schulden aufnehmen und keinen Cent mehr zu haben für die Gigabit-Förde­rung ist schlicht und einfach ein völlig falsches Signal für die Zukunfts­fähig­keit des Landes“, kriti­sierte der CSU-Chef.

Neues Förder­pro­gramm kommt 2023?

Bayern ist das flächen­mäßig größte Bundes­land, mit vergleichs­weise nied­riger Bevöl­kerungs­dichte auf dem Land. Auch länd­liche Gemeinden in anderen Flächen­län­dern sind auf die Zuschüsse ange­wiesen. Laut Bundes­ver­kehrs­minis­terium soll das neue Förder­pro­gramm 2023 frühest­mög­lich starten.

Bayerns Finanz­minister Füra­cker miss­traut dem. Die Kommunen hätten im Vertrauen auf das Bundes­ver­spre­chen viel Geld und Zeit in Planungen inves­tiert. „Alle Betei­ligten stehen jetzt plötz­lich vor dem Nichts. Das ist ein massiver Vertrau­ens­bruch“, warf der CSU-Poli­tiker dem Bund vor.

BREKO: Förde­rung funk­tio­niert nicht

Ganz anders sieht das der Bran­chen­ver­band BREKO, in dem viele Netz­betreiber und ausbau­ende Unter­nehmen orga­nisiert sind. „Die Viel­zahl der einge­gangen Förder­anträge und der dadurch notwen­dige Förder­stopp zeigen, dass die von den Ländern ange­kün­digte ,natür­liche Prio­risie­rung‘ förder­fähiger Gebiete nicht funk­tio­niert. Diese Entwick­lung unter­streicht sehr deut­lich, dass wir für die Vertei­lung der Förder­gelder für den Glas­faser­ausbau klare Regeln und eine wirk­same Prio­risie­rung benö­tigen, die die Förde­rung beson­ders benach­tei­ligter Gebiete und den gezielten Einsatz von Steu­ergel­dern sichert. Dies gilt insbe­son­dere mit Blick auf die in der Giga­bit­stra­tegie der Bundes­regie­rung ange­kün­digte deut­liche Auswei­tung der Giga­bit­för­derung im kommenden Jahr, mit der eine Viel­zahl weiterer Gebiete förder­fähig werden.“

Private Netz­betreiber stehen bereit - Förde­rung nur in Ausnah­mefällen?

Die alter­nativen Netz­betreiber stünden nach wie vor bereit, viel Geld in den eigen­wirt­schaft­lichen Ausbau zu inves­tieren und die aller­meisten Gebiete ohne Steu­ergelder auszu­bauen. Förder­gelder sollten deshalb gezielt nur in unter­ver­sorgten Gebieten ohne eigen­wirt­schaft­liches Ausbau­poten­zial wie den soge­nannten weißen oder hell­grauen Flecken zum Einsatz kommen.

Poten­zial­ana­lyse erwartet

Die vom Bundes­minis­terium für Digi­tales und Verkehr in Auftrag gege­bene Poten­zial­ana­lyse, die für alle Kommunen in Deutsch­land ermit­teln soll, ob dort Poten­zial für einen eigen­wirt­schaft­lichen Glas­faser­ausbau besteht, sei ein zentrales Werk­zeug, um die für 2023 zur Verfü­gung stehenden Förder­mittel gezielt in förder­bedürf­tige Gebiete zu bringen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Jetzt haben wir den Salat. Die Gemeinden wollen schnelles Internet, und zwar flächen­deckend, und jetzt und sofort. Viele bislang völlig unbe­kannte Firmen wurden gegründet, um Glas­faser­netze zu bauen oder zu betreiben. Sie begannen überall da, wo es sich lohnen könnte, um Kunden­ver­träge zu werben oder mit dem Ausbau zu beginnen. Mache Firmen gingen mitten im Aufbau pleite, Bauun­ter­nehmen verschwanden über Nacht mit Mann, Maus und Gerät. Subun­ter­nehmen verwüs­teten ganze Stadt­teile und keiner ist zuständig, die Versi­che­rung blockiert die Scha­dens­bestä­tigung, weil sich Gutachter nicht einigen können.

Ausbaumurks nervt Bürger und Politik

Das alles nervt Bürger und Kommunen gewaltig. Mancher Bürger­meister wünscht sich die Bundes­post zurück; da war klar, dass sie ausbauen kann und muss. Der BREKO hat das Problem wohl erkannt und vergibt Auszeich­nungen für Unter­nehmen, die zuver­lässig und sicher ausbauen können. Das könnte ein Weg aus dem Dilemma sein.

Auch wenn es jetzt wohl zu spät ist: Es ist vermieden worden, das ganze Land zu karto­gra­fieren und den Ausbau mit glas­klaren Vorgaben (Termin­treue, Flächen­deckung) komplett auszu­schreiben. Dann wäre für jede Region ein Unter­nehmen gefunden worden, das bauen muss und im Zuge von Open Access von Anfang an andere Anbieter auf die Leitungen lassen muss.

Aktuell haben sich Fach­kräf­temangel, Hilf­losig­keit und Über­las­tung neuer Firmen zu einer gefähr­lichen Mischung entwi­ckelt.

Ande­rer­seits, wenn wir 100 Milli­arden Euro für hoffent­lich niemals wirk­lich notwen­diges Mili­tär­gerät ausgeben können, dann sollte auch genü­gend Geld für einen flächen­deckenden Netz­ausbau drin sein, denn eine gute Vernet­zung der Bevöl­kerung ist auch in Krisen­situa­tionen aller Art wichtig.

In Bayern wurde ein neuer Digi­tal­pakt zum Netz­ausbau geschmiedet.

Mehr zum Thema Breitband-Internet