Breitband: Deutschland und Österreich hinken hinterher
Jedes Jahr lädt das Consulting-Unternehmen SBR-net die Verantwortlichen der Breitbandzentren von Deutschland und Österreich zu einem Erfahrungsaustausch. Das diesjährige siebte Treffen fand am Donnerstag in Wien statt. Es stand unter dem Motto „Strategien für den Breitbandausbau“.
Nur langsame Bewegung in Richtung mehr Bandbreite
Ernst-Olav-Ruhle, SBR-net Consulting: "Deutschland und Österreich hinken hinterher."
Bild: teltarif.de/Korne
Zum Start der Veranstaltung machte SBR-net Geschäftsführer Ernst-Olav Ruhle eine Bestandsaufnahme.
Danach hinken sowohl Österreich, wie auch Deutschland bei den Glasfaseranschlüssen im internationalen
Vergleich deutlich hinterher. So liegt der Anteil der Grundstücke, die Glasfaser vor der
Grundstücksgrenze liegen haben (FTTP) in Österreich gerade Mal bei 13 Prozent, in Deutschland
sind es sogar nur 9 Prozent. In ländlichen Gebieten sind diese Werte sogar noch deutlich kleiner.
Zum Vergleich: Der EU-Schnitt der 28 Länder beträgt 30 Prozent, die baltischen Staaten melden
hier Werte von deutlich über 70 Prozent. Litauen liegt mit 88 Prozent an der Spitze.
„Während überall sonst die Anschlusszahlen für superschnelles Breitband stark nach oben gehen, sehen wir in Deutschland und Österreich nur eine langsame, schrittweise Verlagerung zu höheren Bandbreiten“, sagt Ruhle. Gleichzeitig gehören die beiden Länder auch zu denen mit den geringsten Investitionen. „Das gibt doppelten Grund zur Sorge.“
Thüringen: 50 MBit/s reichen - für den Moment
Cordelius Illgmann, Thüringen: "Deutschland ist kein Entwicklungsland in Sachen Breitband."
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Für Cordelius Ilgmann, Abteilungsleiter für Wirtschaftspolitik, Tourismus und Digitale
Gesellschaft, beim Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft
ist die schwache Entwicklung beim Glasfaserausbau erstmal kein Grund für Hektik. „Deutschland
ist kein Entwicklungsland“, meint er. „Der Bestand ist vor allem dank Breitbandkabel
gut.“
In Thüringen haben 89 Prozent aller Haushalte Zugang zu einem Internetzugang mit 50 MBit/s und mehr. Ziel sei eine flächendeckende Versorgung. „Das reicht für einen ruhigen Übergang auf Glasfaser“, glaubt er.
Eine Meinung, der in der auf den Vortrag folgenden Diskussion entschieden widersprochen wurde. Man dürfe sich jetzt nicht zurücklehnen und noch länger warten, hieß es da. Und 50 MBit/s seien schon heute für viele Power-User zu langsam.
Immerhin: Thüringen will alle Gewerbegebiete bis 2022 per Glasfaser anschließen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen sollen den Zugang bis 2023 erhalten. Bis 2025 soll es konvergente Gigabit-Netze in jeder Gemeinde geben. Thüringen setzt dabei nicht nur auf Glasfaser, sondern auch auf Mobilfunk, Festnetz und Kabel.
Förderprogramme in Deutschland und Österreich
Österreich-Ziel: bis 2030 flächendeckendes Angebot an Gigabit-Anschlüssen
In Deutschland wie auch in der Alpenrepublik gibt es Initiativen, die die beiden Länder beim Breitbandausbau voranbringen sollen. In Österreich heißt sie Breitbandstrategie 2030. Sie soll bis Ende 2020 ein flächendeckendes Angebot von ultraschnellen Anschlüssen mit mindestens 100 MBit/s bringen. Bis Ende 2020 soll zudem 5G in allen Landeshauptstädten starten, Österreich soll so 5G-Pilotland werden. Ende 2023 soll 5G dann entlang der Hauptverkehrsverbindungen verfügbar sein. Und 2030 soll es ein flächendeckendes Angebot mit Gigabit-Anschlüssen geben.
Hehre Ziele, deren Zeitplan aber unter Druck ist, wie auch Alfred Ruzicka vom zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) einräumt. Vor allem die Regierungskrise habe den Plan ins Stocken gebracht. Fraglich sei aber auch, wie schnell sich die 5G-Technik entwickele. Insbesondere bei den Endgeräten sieht er noch mögliche Engpässe.
Wien hat nur 3,5 Mio. Fördergelder kassiert.
Gefördert wird der Ausbau durch die sogenannte Breitbandmilliarde, die die Bundesländer abrufen können. Dabei sind einige der Bundesländer deutlich geschickter: So hat etwa das Land Niederösterreich einen Anteil von rund 140 Millionen Euro erhalten, Oberösterreich sogar 158 Millionen. Nach Vorarlberg sind sechs Millionen Euro geflossen, Schlusslicht ist Wien mit nur 3,5 Millionen Euro.
Für Deutschland knapp vier Milliarden Förderung bewilligt
Auch in Deutschland gibt es entsprechende Initiativen, die aber keine ganz so konkreten Ziele formulieren. So spricht die Zukunftsinitiative Gigabit Deutschland lediglich davon, bis 2025 eine Gigabit-fähige konvergente Infrastruktur für Deutschland schaffen zu wollen. Insgesamt sind für den Breitbandausbau knapp vier Milliarden Euro bewilligt worden.
Neben Glasfaser ist 5G in beiden Ländern ein wichtiges Vehikel auf dem Weg in die Breitbandzukunft. Wie Österreich will auch Deutschland hier eine Vorreiterrolle spielen. In der BMVI-Strategie sind deshalb unter anderem Konzeptförderungen für 50 Pionierregionen vorgesehen. Für einen unbürokratischen Aufbau sollen Small Cells ohne baurechtliche Genehmigung errichtet werden können. Die entsprechenden Standorte sollen von Bund, Länder und Gemeinden samt Infrastruktur gegen moderates Entgelt zur Verfügung stellen, auch die Bahn soll mithelfen, Standorte zu finden.
Erfolge in der Steiermark, Probleme in Niedersachsen
Steiermark: Run auf Glasfaseranschlüsse
Herbert Jöbstl, Steiermark: "Wir arbeiten eng mit den Gemeinden zusammen"
Bild: teltarif.de/Korne
Die Bundesländer bekommen – zumindest in Österreich - viel Freiraum für Initiativen
und gehen dabei bisweilen auch Österreich typisch oft ein wenig hemdsärmelig vor.
So hat beispielsweise die Steirische Breitband- und Digitalinfrastrukturgesellschaft
sbidi damit begonnen, selbst Glasfaser zu legen und nutzt dazu eine eigens dafür
konzipierte Maschine. Ziel ist es, jedes Grundstück in der Steiermark mit Gigabit-Internet
zu versorgen.
Minimierung des Verlegungsaufwands
Grundlage ist ein spezielles Planungstool, das auch einen Aufgrabungskataster enthält. So soll der Aufwand bei der Verlegung minimiert werden. Für die Behörde mit gerade mal 2,7 Mitarbeitern übernimmt die Straßenabteilung die Verlegung. Und weil auch immer die Gemeinden mit im Boot sitzen, gibt es kaum Reibungsverluste.
Zustimmung der Gemeinden notwendig
Verlegt wird das Kabel nur in Gemeinden, bei der die Bevölkerung mindestens 40 Prozent Zustimmung zu dem Projekt signalisiert. Dies wird durch eine Unterschrift dokumentiert, mit der sich der Grundstückseigentümer verpflichtet, den Anschluss in absehbarer Zeit auch zu nutzen. Dann kostet dieser nur 300 Euro, wer sich nicht verpflichtet, zahlt für die Verlegung 600 Euro.
Noch kein Betreiber im Boot
Allerdings: So ganz rechtlich bindend ist die Unterschrift nicht. Schließlich gibt es noch keinen Betreiber für das in Landesbesitz verbleibende Netz und damit auch keine genauen Konditionen. „Ich glaube aber nicht, dass viele abspringen. Wir haben derzeit einen regelrechten Run“, sagt sibidi Leiter Herbert Jöbstl. Für den Hausanschluss ist der Eigentümer bei dem Projekt selber verantwortlich. Sibidi gibt dabei aber weitestgehende Unterstützung.
Niedersachsen: Schwierige Bedarfserhebung
Peer Beyersdorf, Niedersachsen: "Bisweilen ist bereits die Bedarfserhebung schwierig."
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In Deutschland hakt der Ausbau bisweilen schon bei der Bedarfsfeststellung. Peer Beyersdorf,
Geschäftsführer Breitbandzentrum Niedersachsen-Bremen: „Die Markterkundungsverfahren,
die die Förderfähigkeit von Gebieten feststellen sollen, liefern immer wieder schlechte
Ergebnisse. Da vergessen Netzbetreiber Projekte zu erwähnen, die sie gerade fertiggestellt
haben. Andere tauchen ein zweites Mal auf, obwohl sie bereits im letzten Jahr hätten
erledigt sein müssen“, beklagt er sich. „Selbst die Daten aus dem Katasteramt
sind bisweilen nicht zu gebrauchen.“ In der Folge ist ein tatsächlicher Bedarf nur
schwer zu ermitteln.
WLAN-Förderung bringt nichts
Er findet es auch problematisch, dass es bei den neuen Projekten keine genauen Kalkulationen für das Projekt mehr eingereicht werden müssen. „Das war eigentlich als Schritt zum Bürokratie-Abbau gedacht, aber möglicherweise gibt es dafür jetzt bei manchem Antragsteller ein böses Erwachen, weil die Kosten deutlich höher liegen als erwartet.“ Keine guten Worte findet er auch für die WLAN-Förderung WIFI-4EU. „Das ist viel zu kompliziert und bringt wenig.“
Auch Gerhard Mack, CTO von Vodafone Deutschland, hält generell nichts von WLAN. Er bezeichnet es sogar als "crap" zu deutsch: Mist. teltarif.de berichtete.