Zielsetzung

Editorial: Wieviel Breitband brauchen wir?

Das IFO-Institut kritisiert die Breitbandziele der Bundesregierung. Doch werden schnelle Festnetz-Anschlüsse wirklich so selten verwendet, wie IFO behauptet? Und was spricht darüber hinaus für den weiteren Ausbau?
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Editorial zum Breitband-Ausbau Editorial zum Breitband-Ausbau
Foto: Deutsche Telekom
Nur 43 Prozent der (Festnetz-)Breitbandkunden in Deutschland nutzen überhaupt Anschlussgeschwindigkeiten von mehr als 16 MBit/s. Und das, obwohl für 86 Prozent der deutschen Haushalte bereits Empfangsgeschwindigkeiten von mindestens 16 MBit/s zur Verfügung stehen. Deswegen zweifelt das IFO-Institut am Nutzen des forcierten Breitbandausbaus, der zumindest 50 MBit/s für alle bringen soll.

Es fällt jedoch schwer, der Logik des IFO-Instituts zu folgen. Das beginnt schon damit, dass dieses Äpfel (nämlich Anschlussgeschwindigkeiten von mehr als 16 MBit/s) mit Birnen (nämlich Anschlussgeschwindigkeiten von mindestens 16 MBit/s) vergleicht. Aber selbst, wenn sich die beiden genannten Zahlen von 43 und 86 Prozent auf dieselbe Anschlussgruppe beziehen würden, würde das zitierte Untersuchungsergebnis bedeuten, dass immerhin die Hälfte aller Kunden die schnellen Anschlüsse auch bucht. So, mit dem genannten Äpfel-Birnen-Vergleich, liegt der Prozentsatz der Kunden, die die schnellen Geschwindigkeiten jenseits von 16 MBit/s nutzen, wenn sie denn zur Verfügung stehen, sogar noch höher!

Aber selbst, wenn nur die Hälfte aller Kunden schnelle Anschlüsse buchen würde, wäre das kein Grund, den Breitbandausbau zurückzufahren. Im Kapitalismus gehört es nunmal dazu, dass nicht jeder Kunde bei jedem Angebot zuschlägt. Selbst bei den bekanntermaßen stark im Sortiment reduzierten Aldi-Supermärkten müsste man wahrscheinlich zwei Drittel der Ware rauswerfen, wenn man fordern würde, dass nur Produkte aufgenommen werden, für die sich zumindest die Hälfte aller Kunden überhaupt interessiert. Klar würden Eier, Milch, Brot und Butter locker die 50-Prozent-Hürde nehmen, aber für viele Wurst- oder Käsesorten würde die Regelung das Aus bedeuten, und selbst für die klassische Weihnachtsgans könnte es eng werden.

Bei umfangreicher sortierten Supermärkten wie Kaiser's oder real würde die 50-Prozent-Regel vermutlich 90 Prozent des Sortiments betreffen, und das berühmte "Kaufhaus des Westens", KaDeWe, könnte dann gleich ganz schließen.

Nun hat es sicher seinen guten Grund, dass es das KaDeWe nur einmal gibt. Aber mit dem aktuellen Breitbandziel von "50 MBit/s für alle" wird ja nicht gefordert, in der Nähe jeder Ortschaft ein Spezialkaufhaus zu eröffnen, sondern ein Basisprodukt flächendeckend bereitzustellen, nämlich die von bereits 43 Prozent der Kunden genutzten Geschwindigkeiten von über 16 MBit/s.

Ziele im Detail

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Sicher kann man das 50-MBit/s-Ziel kritisieren, mit dem Argument, dass 16 MBit/s für die meisten Internet-Anwendungen auch ausreichen. Nur wir wissen ja alle, wie das mit politischen Zielen ist: Lautet die Vorgabe: "16 MBit/s für alle bis Ende 2017", dann können wir froh sein, wenn "6 MBit/s für 90 Prozent bis Ende 2019" auch erreicht sind. Um also einigermaßen Flächendeckung mit den nötigen 16 MBit/s zu erreichen, muss die Politik schon 50 MBit/s fordern. Und ehrlich: Wenn man eh die Netze ausbaut, ist es sinnvoller, gleich 50 MBit/s oder 100 MBit/s zu verkabeln, statt nur 16 MBit/s.

Genauso kann man sich streiten, ob die Gelder, die von den Mobilfunkanbietern für den Erwerb von Funkfrequenzen bezahlt worden sind, für die Subvention des Festnetzausbaus verwendet werden sollten, wie es aktuell der Fall ist. Allerdings wäre es noch ungünstiger für den Tk-Markt, wenn die Erlöse der Frequenzauktion einfach in der Staatsschatulle verschwunden wären. Zudem profitieren auch die Mobilnetze vom Festnetzausbau - denn Basisstationen müssen mit immer höheren Bitraten angeschlossen werden, und das gelingt immer seltener per Funk. Und schließlich gibt es an anderer Stelle - nämlich bei den Interconnect-Entgelten für Sprachanrufe - auch eine Subvention vom Festnetz zu den Mobilnetzen.

Schließlich stellt sich die Frage, ob der nächste Mobilfunkstandard - nämlich 5G - nicht doch die Kabel bis in jeden Haushalt überflüssig machen wird, und man sich daher auf Ausbau und Verdichtung der Backbones beschränken könnte. Doch ob 5G das Ziel, die mobile Bandbreite zu vertausendfachen und zugleich die Kosten pro Bit drastisch zu senken, wirklich erreichen wird, ist noch nicht sicher. Sicher ist hingegen, dass das kupferbasierte Festnetz sehr gut funktioniert. Warum also nicht weiter in dieses investieren?

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