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Moderne Stromzähler kommen - aber sind sie sicher?

Zur besseren Steuerung der Energiewende treibt die Politik den Einbau intelligenter Elektrogeräte und Zähler voran. Ziehen die Verbraucher mit?
Von dpa /

Alter und neuer Stromzähler nebeneinander Alter und neuer Stromzähler nebeneinander
Bild: dpa
Die Energiewende wird digital: Mit der Einführung intelligenter Stromzähler sollen die Verbraucher langfristig Geld sparen. Die große Masse der privaten Kunden würde nach dem Einbau der modernen Messgeräte zunächst aber wohl nur um die 20 Euro im Jahr mehr im Geldbeutel haben. Das geht aus einem Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hervor, den der Bundestag heute auf den Weg bringen will. Eine strikte Einbaupflicht für mehr als 30 Millionen Haushalte, die jährlich zwischen 3000 und 4000 Kilowattstunden Strom verbrauchen, ist dabei nicht vorgesehen.

Großverbraucher wie Gewerbetreibende müssen dagegen bereits ab dem kommenden Jahr die digitalen Zähler ("Smart Meter") installieren, ab 2020 greifen die Vorgaben schrittweise auch für mehr private Nutzer. Zudem könnten Stromlieferanten dann ihren Kunden die neuen Zähler als freiwilligen Service anbieten - bei einer gesetzlich festgelegten Kostenobergrenze für die meisten Haushalte von 40 Euro.

Alles scheint per Smart Home möglich: Die Heizung schaltet sich ab, wenn die Haustür ins Schloss fällt. Mitten in der Nacht springt die Waschmaschine an, wenn Strom gerade schön billig ist. Der Rauchmelder schickt eine SMS, weil eine vergessene Zigarette vor sich hin kokelt.

So sieht die vernetzte Energiewende jedenfalls im Hochglanz-Prospekt aus. Im wahren Leben beschränkt sich die Ökostrom-Revolution bei vielen Bürgern bislang eher auf den Kauf einer Energiesparlampe.

Smart Meter: keine Einführung um jeden Preis

Alter und neuer Stromzähler nebeneinander Alter und neuer Stromzähler nebeneinander
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Es werde keine Einführung um jeden Preis geben. "Kosten und Nutzen müssen in einem vernünftigen Verhältnis stehen", heißt es im Gesetz, mit dem sich die Länder im Bundesrat noch am 8. Juli befassen werden.

Mit der Digitalisierung soll künftig besser gesteuert und erfasst werden, wann und wo Strom gebraucht wird. Das würde die Netze entlasten. So müssen auch viele Besitzer von Ökostromanlagen mit einer Leistung von mehr als sieben Kilowatt nun moderne Zähler einbauen. Hier rechnet die Bundesregierung mit Gesamtkosten für die Betreiber von über 100 Millionen Euro.

Angesichts von 40 Millionen Haushalten und Millionen von Firmen geht es langfristig um einen riesigen Markt - viele Verbraucher nehmen die Angebote für ein vernetztes Heim aber bisher nur zögernd an. Bedenken von Datenschützern vor "gläsernen Stromkunden" hält die Regierung für unbegründet.

So sollen sich die anfänglichen Ausgaben für den Einbau der Geräte über die Zeit - wie bei Energiesparlampen oder effizienten Kühlschränken - für die Bürger rechnen. Pro Jahr könnte ein Drei-Personen-Haushalt mit digitaler Stromsteuerung um die 15 Euro bei der Stromrechnung sparen, rechnet Gabriels Ministerium vor - etwa wenn die Waschmaschine sich automatisch zu einem günstigen Nachtstrom-Tarif einschaltet.

Die Grünen finden die cleveren Zähler grundsätzlich gut. Als "reine Schikane" bewertet Fraktionsvize Oliver Krischer aber, dass Union und SPD nun auch Millionen Betreiber vom Klein-Solaranlagen den Einbau eines "Smart Meter" vorschreiben wollten: "Der Zwangseinbau ist netztechnisch überflüssig und kostet nur unnötig Geld."

Was bringen clevere Stromzähler für die Energiewende?

Als erster Schritt werden meist die alten schwarzen Kästen durch einen intelligenten Stromzähler mit Display ausgetauscht, der dann zu einem digitalen Messsystem aufgerüstet werden kann ("Smart Meter Gateway"). Damit kann der Energieverbrauch genau abgebildet und sogar gesteuert werden, zum Beispiel je nachdem, wie groß das Angebot an produziertem Wind- oder Sonnenstrom gerade ist.

Auf diese Weise können Versorger die Stromproduktion auf den tatsächlichen Bedarf abstimmen und Schwankungen in ihren Netzen managen. Tankstellen für Elektroautos oder Nachtspeicher-Heizungen können als Energiespeicher dienen. Die Verbraucher sollen davon profitieren, dass Stromtarife flexibel angepasst werden können. Noch ist das Zukunftsmusik.

Wird der Einbau irgendwann zur Pflicht?

Für den Normalverbraucher (unter 6000 Kilowattstunden Strom pro Jahr) gibt es keinen Zwang. Er kann sich ab 2020 freiwillig für "Smart Meter" entscheiden. Eine Einbaupflicht greift ab 2017 für große Stromkunden in der Wirtschaft, die mehr als 20 000 Kilowattstunden verbrauchen. Auch Betreiber von Ökostromanlagen mit über sieben Kilowatt Leistung sind davon betroffen.

Später werden die Vorgaben stufenweise ausgeweitet. Die EU hat als Ziel für alle Mitgliedstaaten ausgegeben, dass 80 Prozent der Endverbraucher intelligente Messsysteme bekommen - bei der Umsetzung haben die einzelnen Länder aber nach Kosten-Nutzen-Erwägungen freie Hand.

Rechnen sich "Smart Meter"?

Wegen der Kosten für Einbau und Betrieb für den Einzelnen kaum - es sei denn, in einem Mehrfamilienhaus wollen alle die neue Technik. Auch könnten Mieteinheiten aufgerüstet werden oder Stromanbieter intelligente Messsysteme anbieten, um Kunden zu gewinnen. Die Stromanbieter können privaten Verbrauchern für Einbau, Wartung, Service und das Ablesen der neuen Messgeräte bis zu 100 Euro im Jahr in Rechnung stellen.

Je nach Verbrauch gibt es im Gesetz gestaffelte Kostenobergrenzen. Normale Kunden dürfen mit bis zu 40 Euro brutto pro Jahr zur Kasse gebeten werden - bei einer zunächst kalkulierten Ersparnis von um die 20 Euro durch intelligente Steuerung. Das zeigt: Gabriels Digital-Pläne zielen vor allem auf Unternehmen und Stromerzeuger ab, um die Energiewende effizienter zu machen. Später könnten auch Privathaushalte von geringeren Kosten profitieren.

Was passiert mit den Daten - droht der gläserne "Strombürger"?

Manch einer fürchtet, dass er über die digitalen Strom-Schnittstellen ausgespäht werden könnte: Wann schalte ich den Fernseher ein, wann läuft im Bad der Fön? Dabei überlassen täglich Millionen schon Handy- und Internetkonzernen freiwillig ihre Daten. "Wir sehen, wenn Leuten ihr Toast verbrennt", meinte einmal der Mitgründer der US-Firma Nest, Tony Fadell. Der Internet-Riese Google zahlte für Nest 3,2 Milliarden Dollar - dem Markt der vernetzten Dinge und Elektrogeräte gehört die Zukunft.

Gabriel ist zuversichtlich, dass IT-Sicherheit und Datenschutz bei den "Smart Metern" gewährleistet sind: "Die Frage, wann macht Sigmar Gabriel nachts die Kühlschranktür auf und hat mehr Stromproduktion - das wird nicht möglich sein. Diese fehlerhafte Lebensweise von mir wird weiterhin im Dunkeln bleiben."

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