Bei Anruf Spam: Werbeanrufe 2018 fast verdoppelt
Callcenter sind hilfreich, wenn der Kunde Hilfe braucht, aber nervige Werbe-Anrufer mögen die Allerwenigsten.
Foto: Picture Alliance / dpa
Manchmal ist die Stimme freundlich, noch öfters ist die Stimme des Anrufers selbst genervt, weil der Job keine Freude macht und schlecht (falls überhaupt) bezahlt wird. Kein Wunder, weil die allermeisten Personen, die von diesen Stimmen angerufen werden, das gar nicht wollen: Wenn sich ein Callcenter-Mitarbeiter meldet, um ein angeblich tolles Produkt oder eine ach so wichtige Dienstleistung zu bewerben, die der Angerufene nicht will oder nicht braucht. Immer mehr Menschen empfinden das als Störung.
Der Ärger über aufdringliche, ungebetene Anrufe hat in Deutschland zugenommen. Von Januar bis November 2018 meldet die Bundesnetzagentur 58.000 schriftliche Beschwerden wegen unerlaubter Telefonwerbung und damit etwa 6000 mehr als im Vorjahreszeitraum, teilte die Behörde in Bonn mit. 2016 lag der Vergleichswert bei 27.000 - binnen zwei Jahren hat sich die Zahl also mehr als verdoppelt. Vor allem Energieversorgungsunternehmen waren ein Ärgernis - ein Drittel der Beschwerden zu ungebetenen Telefonaten geht auf ihr Konto.
Im Prinzip ist alles klar - in der Praxis weniger
Callcenter sind hilfreich, wenn der Kunde Hilfe braucht, aber nervige Werbe-Anrufer mögen die Allerwenigsten.
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Eigentlich unterliegt die Telefonwerbung in Deutschland strengen Regeln. Niemand darf zu Werbezwecken angerufen werden, ohne dass er oder sie vorher ausdrücklich zugestimmt hat. Die Zahl der Gesamt-Bußgelder, welche die Bundesnetzagentur verhängte, lag 2018 den Angaben zufolge bei 1,1 Millionen Euro und damit etwas unter dem Vorjahreswert von knapp 1,2 Millionen Euro.
300.000 Euro Bußgeld - 110.000 Beschwerden
Besonders hart bestrafte die Bonner Behörde zwei Unternehmen, die das maximal mögliche Bußgeld von je 300.000 Euro aufgebrummt bekamen. Darunter war die bayerische Firma Energysparks (zu Deutsch: Energie-Funken), das unter dem Markennamen „Deutscher Energievertrieb“ "Beratung" durchführt und einen Wechsel des Stromanbieters vorschlägt.
Die Anrufer seien „äußerst hartnäckig, aggressiv, beleidigend und teilweise bedrohend“ aufgetreten, hatte die Bundesnetzagentur unlängst bei Bekanntgabe des Bußgelds moniert - der Unternehmensleitung seien die Verstöße bekannt gewesen, sie habe aber nichts unternommen, um sie abzustellen. Das Unternehmen kündigte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein - man habe sich keine Kontaktdaten von unseriösen Adresshändlern beschafft, hieß es.
Außerdem gingen bei der Bundesnetzagentur dieses Jahr 110.000 schriftliche Beschwerden wegen Rufnummernmissbrauchs ein - das waren rund 50.000 weniger als 2017.
Weniger Ping-Werbung
Erfreulich: Das Problem der sogenannten Ping-Werbung wurde entschärft. Hierbei handelt es sich automatische Systeme, die nur kurz anklingeln und dabei eine teure Sonderrufnummer (meist aus dem Ausland und noch lieber in preislich kaum regulierten Tarifbereichen gelegen) anzeigen. Wer dann zurückruft, muss dafür hohe Gebühren zahlen. Die Bundesnetzagentur setzte durch, dass man bei Rückrufen auf solchen speziellen Nummern zuerst kostenlos über die Gebühren informiert werden muss. Das wirkte, die Angerufenen fielen auf die Masche nicht mehr herein und die Zahl der Beschwerden sank deutlich.
Eine Einschätzung
Einerseits sind die Verbraucher gut informiert und haben schon den passenden Stromtarif, andererseits sind sie träge und wollen ihren Energieanbieter überhaupt nicht wechseln. Das rüttelt an manchem erhofften Geschäftsmodell der Werbevermittler. Die nach Erfolg bezahlten Call-Center drehen noch mehr auf, um ihre Zahlen doch noch zu erreichen.
Lösungen gäbe es einige: Man könnte beispielsweise alle Call-Center dazu verdonnern, eine eigene von der BNetzA zu definierende Vorwahl anzuzeigen, damit der Anrufer von vorneherein weiß, das ist ein Call-Center. Sicher würden schnell Telefone mit Call-Center Filter auf den Markt kommen, das Geschäftsmodell dürfte einen spürbaren Einbruch erleben. Die Branche dürfte nicht begeistert sein.
Mindestens sollte aber durchsetzbar sein, dass Call-Center nur noch rückrufbare und auch in der Telefon-Auskunft unter "Rückwärtssuche" auffindbare Rufnummern verwenden, die entweder dem Call-Center wirklich gehören, oder wofür sie eine nachprüfbare Genehmigung haben, sie zu nutzen (z.B. wenn ein Call-Center im Auftrag einer anderen Firma anruft.)
Dazu sollten alle Telefongesellschaften die Durchleitung von Gesprächen, deren Absenderdaten nicht zweifelsfrei verifizierbar sind, ablehnen können.
Zwang zur Rufnummernübermittlung ausgetrickst
Aktuell ist es doch so, dass gerade die schwarzen Schafe mit nicht existierenden oder nicht erreichbaren Fantasierufnummern durch die Welt telefonieren. Beschwert man sich bei der BNetzA, erhält man nach 4-8 Wochen die automatische Antwort, dass dies eine "aufgesetzte" Rufnummer sei und man nichts machen könne. Wären alle diese Anrufer identifizierbar, wären die Zahlen wohl noch höher.
Immerhin übermitteln die Spam-Call-Center heute überhaupt eine Rufnummer. Anrufer ohne jegliche Rufnummer sind meist die Inhaber von uralten Telekom-Anschlüssen, die seit Jahren ihren Tarif und Vertrag nicht mehr angerührt haben. Denen wäre dennoch zu empfehlen, die Funktion Anzeige der eigenen Rufnummer (CLIP) aktivieren zu lassen, damit sie eine Chance haben, ihren Gesprächspartner überhaupt erreichen zu können.
Manche Verbraucher glauben, dass die Löschung aus dem Telefonbuch oder den Verzeichnissen der Anbieter hilfreich sein könnte. Das stimmt nur zum Teil, denn die schwarzen Schafe "probieren" einfach alle Nummernräume durch. Die Schweiz hat da ein interessantes Modell: Da stehen die meisten Leute im Telefonbuch mit einem Zusatz: „* Wünscht keine Werbung“. Wer trotzdem anruft, kann gleich die Kosten für das Bußgeld in ein großes Sparschwein werfen. Dieser Ansatz würde vielleicht auch in Deutschland gut ankommen. So könnte man seine Schulkameraden fürs jährliche Klassentreffen wieder im Telefonbuch finden.