Ein Jahr nach der 5G-Versteigerung: Geht es endlich los?
Seit der Versteigerung der ersten Frequenzen für die fünfte Mobilfunkgeneration (5G) sind zwölf Monate ins Land gegangen, ohne dass sich der Mobilfunkalltag der Kunden in Deutschland groß geändert hätte. Doch nun könnte der 5G-Zug etwas schneller werden.
Immer wenn eine neue Mobilfunkgeneration sich ankündigt, wollen die Netzbetreiber „ultraschnelles mobiles Internet“ liefern. Das war schon bei 3G so, bei 4G erst Recht. Nun also 5G. Es ist immer das gleiche: Bevor der erste Funkmast mit der neuen Technik aufgerüstet werden kann, mussten Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone sowie der „neue“ Netzbetreiber 1&1-Drillisch vor einem Jahr erst einmal einige Milliarden für die Nutzungsrechte der 5G-Frequenzen zahlen.
Inzwischen sind bei Telekom und Vodafone die ersten 5G-Stationen für zahlende Kunden online. Bei o2 und 1&1-Drillisch gibt es bislang nur einen internen Probebetrieb.
Ein Jahr ist es her
Eine gemeinsame 5G-Sendestation von Telekom und Vodafone in Schmöckwitz, unweit des neuen Flughafens BER
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Wir erinnern uns: Die Auktion der notwendigen Frequenzen ging vor ziemlich genau einem Jahr am 12. Juni 2019 nach 52 Tagen und 497 einzelnen Bieterrunden zu Ende. Insgesamt gaben die vier Netzbetreiber mehr als 6,5 Milliarden Euro aus. Das war deutlich mehr als Experten erwartet hatten - vielleicht auch, weil 1&1-Drillisch als „Neueinsteiger“ unter den Netzbetreibern munter mitbot.
Bis heute hadern die Netzbetreiber mit der Tatsache, dass sie immer wieder vorab für die Nutzung neuer Technologien zu Kasse gebeten werden. Immerhin: Dieses Mal fiel das Ergebnis der 5G-Auktion nicht so absurd hoch aus wie noch im Sommer 2000 bei der UMTS-Auktion (3G), wofür damals bis dahin unvorstellbare 50,8 Milliarden Euro ausgegeben wurden.
„Die regelmäßigen Frequenzauktionen hängen hierzulande wie Bleigewichte am Netzausbau“, schimpft stellvertretend für die gesamte Branche Markus Haas, Chef der Telefónica Deutschland, besser bekannt als o2.
Und er rechnet vor: „Bei den Frequenzauktionen in Deutschland haben die Anbieter bisher insgesamt 65 Milliarden Euro für ein Stück Papier zur Frequenznutzung bezahlt.“ Aber: „Jeder Euro lässt sich nur einmal ausgeben. Das Geld fehlt den Netzbetreibern für einen schnellstmöglichen Netzausbau.“ Das ist naheliegend: Mit dem Auktionserlös hätte man rund 50 000 neue Mobilfunk-Standorte bauen und viele weiße Flecken schließen können, hat die Telekom ausgerechnet. Doch bei der Politik sind sie bis dahin nicht so richtig durchgedrungen.
UMTS kam erst spät
Damals nach der fatalen UMTS-Auktion und dem Platzen der Internet-Blase im Jahr 2000 blieben die sechs Gewinner über Jahre hinweg in einer Schockstarre. Inzwischen ist das anders. Unmittelbar nach dem Ende der 5G-Frequenzversteigerung machten sich zwei von vier Lizenzinhabern an den Aufbau erster 5G-Antennen.
Selbst der Umstand, dass es zu diesem Zeitpunkt noch kaum passende Smartphones gab, mit denen man die Vorteile der neuen Technik hätte nutzen können. Doch das ist auch nichts Neues. Schon beim Start von GSM (2G) im Jahre 1991/92 waren Geräte Mangelware und "GSM" wurde in „God send Mobiles“ umgedeutet.
80 000 Sendemasten reichen nicht
In Deutschland stehen derzeit rund 80 000 Mobilfunkmasten, wenn man alle Netzbetreiber zusammenzählt. Etliche davon sind schon auf 5G vorbereitet. Der Mast steht, eine Glasfaser oder eine schnelle Richtfunkverbindung liefert die Signale, vielleicht hängen schon die passenden Antennen. Dort müssen nur einige kleinere Komponenten ausgetauscht oder hinzugefügt werden. Mit den höheren Bandbreiten von 5G wachsen aber auch die Anforderungen an die Internet-Anbindung der Mobilfunkstationen.
Während für LTE (4G) gerade noch eine Richtfunkstrecke für den Zugang ins Internet ausreichte, sollten 5G-Stationen idealerweise an einem leistungsstarken
Glasfaserkabel hängen. Nicht jeder Mobilfunknetzbetreiber hat darauf kostengünstig Zugriff. Dazu kommt, dass für einen flächendeckenden Ausbau deutlich mehr Stationen gebaut werden müssen.
5G gibt es bereits auf dem Dach der Welt (Himalaya), aber von einer Flächendeckung sind wir noch weit entfernt
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Dies kann sich gut bis 2025 hinziehen. Wie berichtet, plant die Telekom
für dieses Jahr, über 40 000 Antennen für den 5G-Ausbau auf der Frequenz 2,1 GHz umzurüsten. Dadurch will man mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit 5G versorgen können. Doch keine Angst: Da werden noch viele weiße Flecken bleiben.
Auch Telefónica (o2) will noch dieses Jahr sein 5G-Netz für seine Kunden öffnen.
Wer darf die Technik liefern?
Erschwert wird der Ausbau durch die Unsicherheit, ob die Netzbetreiber auch Technik des preislich günstigen und technisch fortgeschrittenen aber politisch umstrittenen chinesischen Technologiekonzerns Huawei verwenden dürfen, die beim Ausbau der LTE-Netze massenhaft genutzt wurde.
Alle Netzbetreiber betonen einstimmig, beim 5G-Kernnetz definitiv keine Systeme von Huawei zu verwenden. Telefónica setzt hier auf Ericsson, Vodafone und die Telekom wollen in den kommenden Monaten entscheiden. Unklar ist noch, was 1&1-Drillisch machen wird.
Voller Verzicht auf Huawei nicht möglich
Schwerer würde der „Verzicht“ auf Huawei in der Fläche fallen: „Wir setzen am Rande des Netzes auf mehrere Hersteller. Neben Ericsson ist das auch Huawei“, sagt der Technikchef von Vodafone Deutschland, Gerhard Mack.
„Beim 5G-Netz in der Fläche haben wir nicht vor, vollständig auf Huawei-Antennen zu verzichten, weil die zum Teil schon 5G-tauglich sind und nur kleinere Komponenten ausgetauscht werden müssen.“ Diese Anlagen könne man mit bescheidenem Aufwand auf 5G hochstufen. „Wenn wir gezwungen wären, komplett auf die Technik dieses Herstellers zu verzichten, müssten wir an den betroffenen Standorten entweder die dort vorhandene Technik vollständig austauschen oder - noch schlimmer - mit Riesenaufwand den eigentlichen Mast neu bauen.“
5G Schwerpunkt: Industrie und Forschung
Ob mit oder ohne Huawei: Bevor private Anwender in ganz Deutschland lückenlos 5G nutzen können, wird der Schwerpunkt beim Ausbau im industriellen Bereich und in der Forschung liegen.
Hierzulande dürfen Firmen, Universitäten und andere Organisationen lokal vergebene 5G-Frequenzen (zwischen 3,7 und 3,8 GHz) nutzen, um auf einem Campus (Werksgelände) beispielsweise vernetzte Produktionsverfahren einzusetzen, bei denen die Übertragung großer Datenmengen in Echtzeit unabdingbare Voraussetzung ist. Diese Anwendungen funktionieren auch dann schon, wenn der Rest von Deutschland noch nicht komplett mit 5G vernetzt ist.
Wozu die 5G-Tankstelle?
Für die privaten Anwender bauen die Anbieter derzeit vor allem Beispiele („Showcases“) auf, die konkrete Anwendungsszenarien für 5G verdeutlichen sollen. So hat Vodafone zwei Tankstellen in Düsseldorf und Erfurt mit 5G vernetzt. Auf den ersten Blick macht das (scheinbar) wenig Sinn.
„Die Fahrer können künftig solche Orte nicht nur dazu nutzen, um dort zu tanken oder das Elektroauto aufzuladen“, erklärt der Vodafone-Technik-Chef Mack das Projekt. „Sie könnten die Zeit dank 5G auch nutzen, um große Software-Updates aufs Auto runter zu pumpen.“
Andere Beispiele beschäftigen sich damit, wie Online-Gamer beim Spielen die Daten mit möglichst geringer Zeitverzögerung (Latenz) übertragen können.
Privatkunden von Telekom oder Vodafone können an bestimmten Orten schon heute die 5G-Technik erproben
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Neue 5G-Smartphones
Neue Impulse kommen auch von den Smartphone-Herstellern. Im Android-Lager sind nun erste 5G-Geräte, wie das Huawei P40 Lite 5G auf dem Markt, die unter 500 Euro zu haben sind. Und für die Apple-Kunden wird aller Voraussicht nach die 5G-Ära in diesem Herbst mit dem iPhone 12 beginnen, das mit hochleistungsfähigen 5G-Chips von Qualcomm ausgestattet sein dürfte.
Vom 5G-Ausbau werden aber auch die Kunden profitieren, die (noch) gar kein 5G-Gerät haben. Wo 5G auf-und ausgebaut wird, muss häufig in einem Rutsch auch die LTE-Versorgung verbessert werden.
OpenSignal: Die Netze werden besser
Bei der jüngsten Studie des Marktforschungsunternehmens OpenSignal gehörte Deutschland neben Kanada und Japan zu den Ländern, in denen die Download-Geschwindigkeiten innerhalb der letzten Monate signifikant zulegten.
„Da hat Deutschland als Nation massiv aufgeholt“, räumt Vodafone-Manager Mack ein, aber „Wir sind zwar noch nicht in einer Spitzenposition in Europa. Da sind die Niederlande und die Schweiz besser als wir. Aber wir haben massiv aufgeholt.“
Es muss noch viel gebaut werden
Um die Netzqualität weiter zu verbessern, müssen die Netzbetreiber aber noch viele neue Antennenmasten aufstellen, die sie sich dann häufig auch mit ihren Wettbewerbern teilen. Doch Standorte zu finden, ist schwierig. Das hat nicht nur mit komplizierten Genehmigungsverfahren zu tun. Auch die Debatte über mögliche „gesundheitsschädigende“ Folgen des Mobilfunks ist wieder einmal neu entflammt.
In wirren Verschwörungsgeschichten, die besonders gerne auf YouTube verteilt werden, wird 5G sogar für den Ausbruch für die Corona-Pandemie verantwortlich gemacht, was natürlich technisch- wissenschaftlich belegbar barer Unsinn ist.
5G wird im momentanen Status in den Frequenzbereichen (unter 6 GHz) funken, die heute auch von 3G (UMTS) und 4G (LTE) verwendet werden. Für dieses Spektrum liegen bereits zahlreiche Studien vor. Die meisten Wissenschaftler glauben nicht, dass Mobilfunk die Gesundheit gefährdet. Auch die zuständige Behörde sieht keinen Anlass, sich ernsthaft Sorgen zu machen.
Die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Inge Paulini, betont: „Die gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks sind inzwischen gut erforscht.“ Demnach gebe es keinen Beleg für negative Folgen, wenn die Strahlung unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte liegt.
Spätere Ausbaustufe: Über 6 GHz
In einer späteren Ausbaustufe, wofür noch keine Frequenzen vergeben wurden, sollen aber auch deutlich höhere Frequenzen mit einer Wellenlänge im Millimeterbereich zum Einsatz kommen, man spricht von „oberhalb von 6 GHz“, z.B. 26 oder 60 GHz. In diesem Frequenzspektrum ist die Freiraum-Signal-Dämpfung sehr hoch und steigt mit steigender Frequenz extrem an.
Um größere Entfernungen zu überbrücken, würden höhere Leistungen gebraucht, was zwar an einer Basisstation möglich wäre, weniger aber am Handy selbst. Das begrenzt wiederum spürbar die Reichweite und wäre eher durch viel mehr kleine (schwache) Sender auszugleichen. Mehr Sender könnten aber auch teuer werden. Höhere Frequenzen stehen erst bei der nächsten Entwicklungs-Stufe „6G“ im Fokus der Entwicklung, marktreif in etwa zehn Jahren.
Die Forschungen zu möglichen gesundheitlichen Folgen stehen noch am Anfang. Wohlgemerkt: Für diesen Bereich sind noch keine Frequenzen vergeben, dazu wäre eine neue Frequenzauktion notwendig.
Wie 5G (von Huawei) im Himalaya-Gebirge funktioniert, haben wir uns angeschaut.