Breitbandausbau: Wenn der Igel den Hasen überholt
Viele kleine Kommunen haben erkannt: Fehlt es an einer Breitbandanbindung, gehen die Unternehmen weg – und mit ihnen die Arbeitskräfte, sprich: die Einwohner. Auf der anderen Seite halten sich ausbauende Netzbetreiber von den Großstädten fern, denn hier hat entweder die Deutsche Telekom ihr DSL-Netz auf bis zu 250 MBit/s aufgepumpt oder Vodafone bietet im Kabelnetz zwischen 400 MBit/s und 1 GBit/s an. Da sieht es auf dem Land doch schon erheblich besser aus. Die Konkurrenz ist so weit entfernt wie die nächste Autobahn.
Landrat Matthias Groote (rechts) und Bürgermeister Günter Harders (Ostrhauderfehn), Sprecher der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis Leer, begrüßen das Großprojekt zum Glasfaserausbau
Landkreis Leer
Hier fließt nicht der Verkehr, sondern Fördermillionen. So will der Landkreis Leer sein Glasfasernetz bis 2023 weiter ausbauen. Dafür sind 63 Millionen Euro veranschlagt. Das Oldenburger Energie- und Telekommunikationsunternehmen EWE soll den Ausbau vornehmen. Es fehlen aber noch verbindlichen Zusagen von Bund und Land für Fördergelder in Höhe von neun Millionen Euro. Bislang sind „nur“ 44 Millionen Euro zugesagt. Zehn Millionen Euro tragen der Landkreis und die Kommunen. Gelingt der Ausbau, können 7000 private und gewerbliche Adressen ans Glasfasernetz angeschlossen werden. Dann wäre nur noch ein Prozent der Haushalte im Landkreis Leer nicht mit Glasfaser versorgt.
Deutsche Glasfaser und htp ziehen über die Dörfer
Landrat Matthias Groote (rechts) und Bürgermeister Günter Harders (Ostrhauderfehn), Sprecher der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis Leer, begrüßen das Großprojekt zum Glasfaserausbau
Landkreis Leer
Bestes Beispiel: Glasfaser Nordwest. In den vergangenen Tagen kündigte das Joint Venture von Telekom und EWE an, in Brinkum, Horumersiel und Osterholz-Scharmbeck Glasfaser verlegen zu wollen. In Horumersiel will Glasfaser Nordwest 400 Haushalte anschließen. Bis Juni 2021 sollen die Bauarbeiten auf öffentlichen Grund beendet sein. Dann rollen die Bagger gleich weiter nach Osterholz-Scharmbeck. Dort sollen von Juni 2021 bis Mitte nächsten Jahres 3800 Haushalte einen Glasfaseranschluss erhalten. Bereits Anfang 2022 will Deutsche Glasfaser in Brinkum fertig sein. Dann dürfen sich 2200 Haushalte über einen FTTH-Anschluss freuen.
Auch der Netzbetreiber htp ist in den vergangenen Wochen im Großraum Hannover, aber nicht in der Landeshauptstadt selbst, wieder sehr aktiv, denn die Nachfrage nach Glasfaser passiert auf dem Land. In Heyersum, Mahlerten und Burgstemmen erreichte htp schon vor dem Ende der Vorvermarktung anvisierten 40 Prozent. In Eilte haben sich nach Ablauf der Vorvermarktung 53 Prozent für einen Glasfaseranschluss von htp entschieden. Mit der Gemeinde Wennigsen hat der Netzbetreiber zudem einen Vertrag für den Glasfaserausbau unterzeichnet. In der Reihenfolge Wennigser Mark, Bredenbeck, Wennigsen, Degersen, Sorsum und Holtensen erhalten rund 6870 Haushalte und 510 Betriebe bis Mitte 2026 FTTH-Anschlüsse.
Deutsche Telekom geht aufs Land
Im Landkreis Sömmerda werden für rund 2,7 Millionen Euro die sogenannten weißen Flecken, also mit Breitband unterversorgte Orte, bis 2023 von der Landkarte verschwinden. Konkret geht es um die Orte Bilzingsleben, Kindelbrück und Weißensee, in denen die Netkom aus Weimar ein Glasfasernetz bauen will. Davon profitieren 412 Haushalte sowie 51 Unternehmen und drei Schulen. Dafür verlegt die Netkom 114 Kilometern an Glasfaserleitungen und 41 Kilometer an Leerrohren. Auf einer Länge von 25 Kilometern sind Tiefbauarbeiten geplant.
Im Landkreis Sömmerda ist der Glasfaserausbau durch die Netkom für die Städte Bilzingsleben, Kindelbrück und Weißensee besiegelte Sache
Netkom
Die vermeintlich kleinen Netzbetreiber haben die ländlichen Regionen aber nicht für sich allein, denn auch die Branchengranden wissen, wo die Nachfrage steckt. So wird zum Beispiel die Telekom in Niederwiesa (Ortsteil Lichtenwalde) sowie in Oppach, Gerlingen und Apolda Glasfasernetze errichten. In Apolda werden 530 Haushalte angeschlossen, in Gerlingen könnten es 3200 sein. Bislang haben sich 500 Haushalte für einen Telekom-Anschluss entschieden. Anfang 2022 sollen dann auch 90 Haushalte in Oppach mit 1 GBit/s im World Wide Web surfen können und bis Ende 2022 weitere 350 in Lichtenwalde.
Ausbau in Flensburg und Braunschweig
Größere Städte sind vom Glasfaserausbau natürlich nicht vollkommen ausgenommen. Die Tele Columbus AG kooperiert mit Flensburgs größten Wohnungsanbieter SBV (Selbsthilfe-Bauverein). Über das Kabelnetz der Tele Columbus sollen in Zukunft rund 7500 Wohnungen Highspeed mit bis zu 1 GBit/s erhalten. Darüber hinaus will die Tele Columbus zusammen mit den Stadtwerken Flensburg auch ein FTTH-Netz in der Hafenstadt aufbauen.
Die Stadt Braunschweig will ab dem Frühjahr 2021 den Ausbau in den weißen Flecken ausschreiben. Ein Baustart könnte im Stadtgebiet noch in diesem Jahr erfolgen. Es geht um 550 Adressen, von denen 320 in ausgewiesenen Gewerbegebieten liegen. Darüber hinaus wird die BS|Energy ihren Glasfaserausbau weiter vorantreiben, um 1400 Betriebe an ihr Netz anzuschließen. Außerdem will die Deutsche Glasfaser voraussichtlich ab Mai 2021 den Stadtteil Lamme ausbauen und die Deutsche Telekom erschließt ebenfalls 30.000 Haushalte mit Glasfaserleitungen. In Braunschweig ist also viel los. Da dürfte es in Wennigsen, Osterholz-Scharmbeck oder Kindelbrück ruhiger zugehen.
Die Telekom zeigt in Berlin, wie ein Mobilfunk-Netzausbau gelingen kann, indem die Funkversorgung genau dorthin gebracht wird, wo sie gebraucht wird. Die Antennen selbst bleiben unsichtbar.