Enttäuscht

Editorial: War's das, Apple?

Innovationen beim iPhone 5S/5C bleiben aus
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Die neuen iPhone-Modelle sind bunt, aber teuer - viel zu teuer, wie potenzielle Kunden in Umfragen sagen. Die neuen iPhone-Modelle sind bunt, aber teuer - viel zu teuer, wie potenzielle Kunden in Umfragen sagen.
Bild: Apple
Apple hat mit dem iPhone Geschichte geschrieben. Sie waren die ersten, die ein massenmarktfähiges Smartphone mit klar verständlicher Bedienoberfläche vorgestellt haben. Das iPhone machte Schluss mit Hotkey-Orgien ("drücken Sie zunächst 'Menü', dann fünfmal Taste A, dann Taste B, dann wieder A, um ein Foto als E-Mail zu versenden"), leicht verlierbaren Stylus-Stiften ("treffen Sie die 2x2 mm² große E-Mail-Schaltfläche") oder Hardware-Tastaturen im Blackberry-Stil, die zwar zum SMSen bis heute ungeschlagen sind, aber dummerweise auch dann die Hälfte der Geräteoberfläche belegen, wenn man gerade nicht am Schreiben eines Textes ist.

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Diejenigen, die die Zeichen der Zeit zu spät erkannten, die dachten, man könnte Smartphones weiterhin von Nerds für Nerds herstellen, Die neuen iPhone-Modelle sind bunt, aber teuer - viel zu teuer, wie potenzielle Kunden in Umfragen sagen. Die neuen iPhone-Modelle sind bunt, aber teuer - viel zu teuer, wie potenzielle Kunden in Umfragen sagen.
Bild: Apple
sind gnadenlos baden gegangen. Der Marktanteil von RIM/Blackberry dümpelt im niedrigen einstelligen Prozentbereich vor sich hin. Nokias Handy-Sparte ist dabei, von Microsoft übernommen zu werden, für einen Kaufpreis, den Microsoft fast schon aus der sprichwörtlichen Portokasse in bar bezahlen kann.

Doch plötzlich ist man sich bezüglich einer Apple, die vor wenigen Jahren selbst die Smartphone-Revolution einleitete und bis dahin stolze Hersteller hinwegfegte, nicht mehr sicher, ob sie nicht bald darselbst hinweggefegt wird, von den Früchten ihrer eigenen Revolution. Das iPhone verliert seit einiger Zeit kontinuierlich an Marktanteilen, und es ist kein Grund ersichtlich, warum dessen neueste Inkarnationen, das iPhone 5S und 5C, daran etwas ändern sollten. Ein Fingerabdruckscanner, eine etwas verbesserte Kamera, mehr LTE-Frequenzen oder die neue Gehäusefarbe "gold" sind zwar sicher alle nett, aber eben nicht die nächste große Sensation, auf die Abermillion potenzieller Käufer seit Monaten oder Jahren sehnsüchtig warten.

In der Vergangenheit hat Apple das Tempo vorgegeben: Touchscreen und Beschlenigungssensor (damit sich die Anzeige beim Kippen mitdreht) beim Ur-iPhone, den App-Shop mit dem iPhone 3G, das hochauflösende Retina-Display mit dem iPhone 4. Doch inzwischen geben andere den Takt vor: Full-HD-Displays mit nochmals fast 50% höherer Pixeldichte als das zu recht hoch gelobte Retina-Display gibt es seit dem Frühjahr von Samsung, LG und htc, aber - sollte Apple dem jährlichen Update-Zyklus treu bleiben - frühestens im nächsten Sommer von Apple. Samsung macht sich einen Scherz daraus, ein in vielerlei Hinsicht mit dem iPhone gleichwertiges Smartphone unter der Bezeichnung "S4 mini" zu verkaufen.

"Billig"-iPhone enttäuscht ebenfalls

Nachdem schon im Vorfeld angekündigt worden war, dass es dieses Jahr kein großes Update für das iPhone geben wird, sondern mit dem iPhone 5S nur ein kleines Update, baute sich wieder Spannung auf, als ruchbar wurde, dass neben dem 5S auch ein "kleiner" Bruder 5C vorgestellt werden würde. Sollte dieser in der Lage sein, den großen preislichen Abstand zur Konkurrenz zu reduzieren?

Nun, schon in der Vergangenheit hatte Apple immer die beiden Vorgängermodelle des aktuellen iPhone für einen ca. 100 bzw. 200 Euro günstigeren Preis verkauft. Das iPhone 5C erscheint nun genau zu dem Preis, den das iPhone 5 gehabt hätte, wenn es weiterhin im Programm geblieben wäre. Zwischen dem iPhone 5 und dem 5C gibt es nun genau zwei Unterschiede: Zum einen wurden fehlende LTE-Frequenzen nachgerüstet, und zum anderen gibt es das 5C auch in bunt und nicht nur in schwarz/weiß. Nun kann man über Design und Plastik-Gehäuse sicher streiten. Das LTE-Update des 5C ist hingegen ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es ist aber zugleich ein notwendiger Schritt, um überhaupt wieder mit der Konkurrenz gleichzuziehen.

In Einzelbereichen ist Apple weiterhin führend. So bietet Apples Kartendienst eine 3D-Ansicht von ganz Berlin, und nicht nur im Innenstadtbereich, wie bei der Konkurrenz von Google Maps. Doch die 3D-Daten gibt es auch bei Apple nicht überall. Und es gibt in den Daten merkwürdige Schwächen: Bäume sehen aus wie wirres Gestrüpp, und Brücken sind grundsätzlich undurchsichtig. Sie sehen aus, als ob die Straße dort jeweils senkrecht gestellt aufgeklebt wäre. Zwar ist auch Google Maps hier in vielen Städten nicht besser, doch stellt sich eben die Frage, warum Apple mit dem Start des eigenen Kartenprodukts nicht gewartet hat, bis sie der Konkurrenz klar voraus waren.

Was hat Apple in petto?

Fairerweise muss man sagen, dass wir alle nicht wissen, was sich aktuell bei Apple in der Entwicklung befindet. Dass ein Unternehmen wie Apple nach dem Tod des Übervaters Steve Jobs ein oder zwei Jahre braucht, um sich neu zu orientieren, ist nachvollziehbar. Vielleicht wartet schon bei der nächsten Präsentation ein ganzer Strauß innovativer Neuheiten auf uns.

Hinzu kommt, dass Apple aufgrund der extrem hohen Profitablität der letzten Jahre auf quasi beliebig viel Geld sitzt. Die hohe Quote an Auftragsfertigung bewirkt zugleich, dass Apple im Fall des Falles die Produktion sogar deutlich zurückfahren kann, ohne, dass ihnen hohe Kosten für die Stilllegung von Produktionsbetrieben entstehen. Anders als Nokia könnte Apple also auch mehrere schlechte Jahre überleben und dennoch unabhängig bleiben. Die Frage ist also nicht, ob es demnächst auch mal wieder spannendere Nachrichten aus Cuppertino gibt, sondern lediglich wann.

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