Aufgebucht

Editorial: Flatrate-Sterben 2.1

Mobile Datenflatrates haben erst den Smartphone-Boom ermöglicht. Doch jetzt werden sie schon wieder zum Auslaufmodell. Was kann man als Kunde tun?
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Daten-Automatik statt echter Flatrate Daten-Automatik statt echter Flatrate
Foto: o2
Mal wieder stirbt eine Flatrate: Immer mehr Mobilfunk-Netzbetreiber stellen ihre Kunden von Drosseltarifen, in denen nach Erreichen des monatlichen Maximalvolumens zwar mit stark reduziertem Tempo, aber ohne weitere Kosten weitergesurft werden kann, auf Datenautomatik um, bei der jeweils nach Verbrauch des Volumens automatisch ein neues Datenpaket aufgebucht wird. Entsprechend entstehen Vielsurfern zusätzliche Kosten, dafür surfen sie weiterhin mit vollem Tempo.

In der konkreten Variante, die bei den o2-Blue-Tarifen ab Dienstag voreingestellt ist, ist die Datenautomatik auf drei kostenpflichtige Aufladungen zu je zwei Euro limitiert, bevor doch wieder die Drossel greift und auf weitere Kosten verzichtet wird. Schafft es ein Kunde drei Monate in Folge ans Drossellimit, bekommt er ab dem vierten Monat jeweils größere Pakete zu je fünf Euro aufgebucht, in der Hoffnung, so den Datenhunger des Kunden stillen zu können. Aber selbst damit sind bei mobilen Vielsurfern die zusätzlichen Kosten auf 15 Euro monatlich limitiert. Der neue Standard-Datentarife ist somit zwar nicht mehr flat, aber immerhin weiterhin schockrechnungsfrei.

Zudem können die Kunden, die dennoch eine echte mobile Datenflat nutzen oder im Falle des Verbrauchs des Inklusivvolumens im Einzelfall über die Aufbuchung weiterer Paket(e) entscheiden wollen, die Datenautomatik auch abschalten. Von daher ist die mobile Datenflat bei o2 nicht ganz tot; man muss sich aber explizit drum kümmern, dass man sie auch kriegt.

Ähnlich verhält sich auch Vodafone: Auch hier wird bis zu dreimal im Monat automatisch ein vergleichsweise kleines Datenpaket für drei Euro nachgebucht. Die automatische Nachbuchung unterbleibt, wenn der Kunde nach der Erhalt der Ankündigungs-SMS, dass 90 Prozent des Datenvolumens verbraucht sind und bei 100 Prozent automatisch aufgeladen wird, ebenfalls per SMS widerspricht.

Beim dritten verbliebenen Netzbetreiber, der Deutschen Telekom, gibt es noch keine derartige Automatik. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis sie auch bei der Telekom eingeführt wird. Verdienstmöglichkeiten haben sich die Netzbetreiber bisher noch nie entgehen lassen. Und wegen einiger weniger Euro, für die es zudem eine Gegenleistung gibt, macht doch so gut wie kein Kunde einen großen Wirbel. Zumal, wenn sich die Datenautomatik abschalten lässt.

Erinnerung an die DSL-Anfangszeiten

Daten-Automatik statt echter Flatrate Daten-Automatik statt echter Flatrate
Foto: o2
Bei dem einen oder anderen Leser mag die Datenautomatik Erinnerungen an die DSL-Anfangszeiten wachrufen: Da waren Flatrates mit unbegrenztem Datenvolumen nach dem Aus der T-Online-Flatrate ebenfalls recht rar gesät. Bei vielen Providern gab es stattdessen Best-Preis-Modelle, bei denen der Kunde abhängig vom monatlichen Gesamtdatenverbrauch in einem von mehreren Volumenfenstern eingeordnet wurde.

Mit sinkenden Backbone-Kosten und zunehmender DSL-Marktdurchdringung folgten dann im Festnetz wieder echte Flatrates: Da die Neukunden zu diesen Zeiten vor allem wenig Computer- und Internet-affine Nutzer waren, die dennoch nicht mehr länger hinter ihren Internet-affinen Freunden zurückstecken und ebenfalls Google und Co. problemlos nutzen können wollten, lohnte es sich für die Festnetzanbieter, die Kunden mit dem "alles-einfach"-Versprechen der Flatrates zu locken. Denn die gennanten nicht so online-affinen Kunden verursachten meist nicht allzu viel Traffic, wurden aber von komplexen Tarifmodellen ("N Gigabyte für X Euro, darüber dann M Gigabyte für Y Euro") massiv abgeschreckt. Inzwischen ist jedoch beim schnellen Festnetz die Marktsättigung erreicht, entsprechend haben einige Anbieter wieder Volumen-Obergrenzen und Drosseln eingeführt, um sich vom einfachen Flatrate-Modell zu differenzieren.

Im Mobilfunk war es vor allem die Erfindung der Drossel, die das Smartphone und die dafür nötigen Datentarife massenmarktfähig machte. Der Kunde kann so festlegen, wie viel er bereit ist, im Monat auszugeben, und wenn das für seine Datenbedürfnisse nicht reicht, dann wird es halt langsam. Aber auch hier haben die Anbieter das Marketing-Problem der geringen Differenzierbarkeit. Und so ist es wenig verwunderlich, dass sie angesichts der bereits hohen Smartphone-Durchdringung und der nur noch geringen Zahl an Smartphone-Nachzüglern nun wieder stärker auf Differenzierung setzen.

Aktives Daten-Management

Kunden kann man angesichts der Situation zweiterlei raten: Zum einen den mobilen Datenverbrauch ihrer Smartphones so weit wie möglich reduzieren. Dazu zum Beispiel zu Hause, bei Freunden oder in der Firma die vor Ort verfügbaren W-LANs nutzen, insbesondere für das Herunterladen von Updates und Apps. Wo möglich, sparen offline-Apps - im Bereich der Navigations ist das beispielsweise Bing Maps - viel Datenvolumen im Vergleich zu online-Apps wie Google Maps. Zum anderen sollte man die Datenautomatik abschalten und die Entscheidung, ob und ggfls. ein wie großes Datenupgrade man nachkauft, vom Einzelfall abhängig machen. Es macht halt einen Unterschied, ob einem das Datenvolumen 10 Tage oder 10 Stunden vor Monatsende ausgeht.

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