Gesteigert

Editorial: Nach Mega kommt Giga

Die Netzbetreiber drehen an der Temposchraube und wollen bis nächstes Jahr in den Gigabit-Bereich vorstoßen. Aber haben alle Kunden etwas davon? Und wer profitiert - und zahlt - künftig am meisten?
Von

Netztechniker bringen neue Sendeanlagen auf einem Mobilfunkmast an Netztechniker bringen neue Sendeanlagen auf einem Mobilfunkmast an
teltarif.de / Daniel Molenda
In der Anfangszeit des PC hatten Festplatten eine Kapazität von einigen Megabyte. Später kamen dann Gigabyte und inzwischen sind die Platten im Terabyte-Bereich angekommen. Bei den Datenübertragungsgeschwindigkeiten hat eine ähnliche Entwicklung stattgefunden: Von teilweise nicht einmal einem Kilobit pro Sekunde, die Akkustik-Koppler anfangs lediglich erreichten, geht die Entwicklung über Megabit pro Sekunde (DSL, UMTS) nun hin zu Gigabit pro Sekunde. Und dabei sieht es nun sogar danach aus, dass die Mobilnetze die Festnetze überholen werden, zumindest bei der erreichbaren Maximaldatenrate.

1,2 GBit/s ist die Tempomarke, die Telefónica (der Netzbetreiber hinter E-Plus und o2) und deren Technikpartner Huawei nicht nur im Labor, sondern auch im Praxistest erreichen wollen, allerdings erst im kommenden Jahr. Zum Start sind "nur" 375 MBit/s im Downstream geplant, die nächste Stufe sind dann 525 MBit/s.

Netztechniker bringen neue Sendeanlagen auf einem Mobilfunkmast an Netztechniker bringen neue Sendeanlagen auf einem Mobilfunkmast an
teltarif.de / Daniel Molenda
Noch einen Schritt weiter ist Vodafone, die ebenfalls mit dem Partner Huawei die Geschwindigkeit von 375 MBit/s nicht nur im Feldtest, sondern gleich im live-Betrieb anpeilen - zum Start freilich in genau einer Funkzelle in Hannover. Weitere Zellen an neuralgischen Punkten mit hohem Bandbreitenbedarf (Bahnhöfe, Flughäfen, Stadien oder Volksfestflächen) sollen folgen. Auch bei Vodafone lautet die nächste Ausbaustufe dann 525 MBit/s, bevor kommendes Jahr die Marke von 1 GBit/s überschritten werden soll.

Endkunden werden derart hohe Datenraten in den kommenden Jahren freilich nur in Ausnahmefällen erleben. Schließlich müssen sie sich mit dem richtigen Handy und dem passenden Vertrag in einer geeigneten Funkzelle in der Nähe des Funkmasten aufhalten. Zudem darf die Zelle nicht schon von anderen Nutzern belegt sein. Selbst die Anbindung des Servers kann in Gigabit-Netzen zum Engpass werden: Viele günstige Webhosting-Unternehmen verwenden für die Anbindung von Mietservern nämlich bis heute Fast Ethernet mit nur 100 MBit/s. Selbst, wenn der Hosting-Kunde gegen Aufpreis Gigabit Ethernet bucht, hat er diese Bandbreite selten für sich alleine, sondern teilt sie mit weiteren Kunden am selben Switch. Außerdem kann ein Speedtest im Gigabit-Bereich richtig teuer werden: Bei diesem Tempo dauert es keine Minute, bis selbst ein 5-Gigabyte-Vertrag ans Drossellimit gerät!

Allen vorgenannten Einschränkungen zum Trotz profitieren aber auch normale Kunden von immer schnelleren Netzen: Je höher nämlich die Gesamtbitrate, die in einer Zelle zur Verfügung steht, desto besser stehen die Chancen, dass allen User in der Zelle eine ausreichende Bitrate zur Verfügung steht, also keiner unnötig lange warten muss, bis zum Beispiel Fotos per WhatsApp verschickt oder Webseiten aufgebaut worden sind.

Der nächste große Schritt: 5G

Mit Download-Geschwindigkeiten im Bereich von 1 bis 2 GBit/s dürften dann allerdings die Möglichkeiten des aktuellen LTE-Standards ausgereizt sein. Denn mit optimaler Modulation (64 QAM) und 4x4-MIMO werden pro 1 Hz Bandbreite um die 20 Bit pro Sekunde übertragen. Bei 100 MHz Gesamt-Bandbreite, die ein Netzbetreiber zum Beispiel mit je 20 MHz bei 700/800 MHz (zusammen), bei 1500 MHz, bei 1800 MHz, bei 2100 MHz und bei 2600 MHz realisieren kann, sind dann theoretisch 2 GBit/s Gesamtdownstream möglich.

5G-Netze werden freilich Bitraten jenseits der 10 GBit/s in einer Zelle verwirklichen. Hierzu dienen zwei Optimierungen: Zum einen die Nutzung höherer Frequenzen, wo statt 100 MHz Bandbreite, verteilt auf zahlreiche Subbänder, dann 1000 MHz und mehr am Stück zur Verfügung stehen. Und zum anderen Massive MIMO, bei dem netzseitig hunderte von Antennen in einer Zelle montiert werden. Die Kapazität pro Endgerät lässt sich damit zwar nicht erhöhen, aber wenn alles wie geplant funktioniert, lässt sich mit Massive MIMO nicht nur ein, sondern eine Vielzahl von Endgeräten gleichzeitig mit der Maximalbitrate versorgen. Die Zelle wird bei Massive MIMO letztendlich dynamisch passend zu den jeweiligen konkreten Aufenthaltsorten der einen hohen Downstream benötigenden Endgeräte in Subzellen geteilt.

Das Ende der Drosselung?

Bedeuten 4.5G mit Geschwindigkeiten im einstelligen Gigabit-Bereich und 5G mit Geschwindigkeiten im zweistelligen Gigabit-Bereich das Ende der Volumenpakete und Tempodrosseln? Wird man künftig auch unterwegs unlimitiert saugen können, ohne Gefahr zu laufen, vom Gigabit- in den Kilobit-Bereich zurückgeworfen zu werden? Nun, technisch soll 5G tatsächlich die nötigen Voraussetzungen hierfür schaffen. Nur werden die Investitionskosten hierfür erheblich sein, und die Netzbetreiber werden alles daran setzen, diese Kosten auf die Lead User umzulegen. Unlimitiertes mobiles Surfvergnügen in Gigabit-Netzen dürfte zumindest anfangs daher kaum unter 1000 Euro im Jahr zu haben - Smartphone noch nicht inklusive.

Weitere Editorials