Prozessoren

Editorial: Nicht alles in eine Hand!

Nvidia möchte ARM über­nehmen: Für Apple wäre das wohl verkraftbar, für Hersteller von Einsteiger-Smart­phones mögli­cher­weise nicht.
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Die Smart­phone-Revo­lution der letzten zwei Jahr­zehnte hängt von zwei Schlüs­sel­tech­nolo­gien ab: den Mobil­funk­netzen und den Prozes­soren. Während die Fort­schritte bei den Mobil­funk­netzen von 2G über 3G/UMTS, 4G/LTE hin zum aktu­ellen 5G intensiv in der Öffent­lich­keit disku­tiert werden, werden die Fort­schritte bei den Prozes­soren nur von einer kleinen Fach­öffent­lich­keit wahr­genommen. Dabei sind diese ebenso wichtig wie die Netze. Denn ohne immer bessere Prozes­soren könnten die vielen Daten, die 5G-Netze zum Smart­phone über­tragen können, dort unmög­lich verar­beitet werden.

Zwei­fellos gibt es weitere wich­tige Tech­nolo­gien für die Smart­phones, allen voran Displays, Akkus und Kameras. Nur sehe ich letz­tere Tech­nolo­gien weniger als Schlüs­sel­tech­nolo­gien, weil es dort jeweils ausgie­bige Konkur­renz gibt: Würden OLED-Displays beispiels­weise zu teuer, dann könnten statt­dessen auch TFTs verwendet werden. Letz­tere sind zwar nicht ganz so bril­lant, dennoch würden viele Nutzer den Unter­schied nicht einmal bemerken. Dasselbe mit den Akkus: Würde plötz­lich ein Patent die gängigen Lithi­umionen-Akkus mit NMC-Kathoden irrsinnig teuer machen, könnten andere Tech­nolo­gien über­nehmen, beispiels­weise die schon seit langem bewährten LFP-Akkus oder gar die von CATL jüngst vorge­stellten Natri­umionen-Akkus. Beide Alter­nativ­tech­nolo­gien haben eine etwas nied­rigere Ener­gie­dichte bei zugleich höherer Sicher­heit. Smart­phones würden also etwas schwerer oder bei glei­chem Gewicht etwas weniger lang laufen. Aber an den grund­sätz­lichen Eigen­schaften würde sich nichts ändern. Und auch bei den Smart­phone-Kameras gibt es einen regen Wett­bewerb verschie­dener Hersteller und Tech­nolo­gien. ARM gehört zum japanischen Mischkonzern Softbank ARM gehört zum japanischen Mischkonzern Softbank
Bild: picture alliance/dpa/EPA | Christopher Jue
Netz­seitig und bei den Prozes­soren hängen hingegen alle Smart­phones von jeweils einem Stan­dard ab: Dem 3GPP-Stan­dard, der alle gängigen Netz­tech­nolo­gien von 2G bis 5G regelt, sowie der ARM-Tech­nologie für Prozes­soren. Verliert ein Smart­phone-Hersteller den Zugang zu einer der beiden Tech­nolo­gien, dann kann er keine Smart­phones mehr herstellen. Gründe für einen solchen Verlust können beispiels­weise Patent­strei­tig­keiten oder Sank­tionen sein.

Alter­native Prozes­soren?

Theo­retisch gäbe es bei den Prozes­soren Alter­nativen, denn neben ARM stellen auch Intel und AMD hoch­leis­tungs­fähige Prozes­soren her. Bei den spezi­ellen Anfor­derungen für Smart­phones - nämlich der zusätz­lichen Inte­gra­tion der Mobil­funk­modems und dem beson­ders nied­rigen Strom­ver­brauch - müssen aber beide passen. Intel hat es mit dem ATOM-Prozessor zwar jahre­lang versucht, ARM Konkur­renz zu machen, musste aber schließ­lich aufgeben.

Mit RISC-V schickt sich zudem derzeit eine quellof­fene Prozes­sor­tech­nologie an, den akade­mischen Elfen­bein­turm zu verlassen und in der Praxis Einzug zu halten. Sie wird in den kommenden Jahren aber eher dort zu finden sein, wo es auf nied­rige Kosten und/oder die komplette Kontrolle der Tech­nologie ankommt, aber nicht so sehr auf Spit­zen­werte bei Perfor­mance und Effi­zienz.

Aller Konkur­renz zum Trotz geht der Trend derzeit eindeutig zu ARM: Waren Intel und AMD im Server-Bereich bisher konkur­renzlos, ziehen nun auch die neuesten Gene­ration von ARM-Prozes­soren im Rechen­zen­trum ein. Insbe­son­dere bei der Effi­zienz, also der Perfor­mance geteilt durch den Strom­ver­brauch, gelten sie bereits als führend. Und mit Netz­werk-Prozes­soren und selbst­fah­renden Autos gibt es künftig zwei weitere Anwen­dungen für hoch­leis­tungs­fähige effi­ziente Prozes­soren, bei denen ARM eben­falls jeweils nicht nur die Nase vorne hat, sondern mehr oder weniger bereits den Markt komplett für sich besetzt hat.

Zu viel Macht in einer Hand?

Schon vor über einem Jahr hat der Grafik­karten- und Mobile-Chip-Spezia­list Nvidia ange­kün­digt, die Prozes­soren-Schmiede ARM für 40 Milli­arden US-$ zu über­nehmen. Seitdem ist nicht viel passiert, denn so gut wie alle Regu­latoren laufen Sturm gegen diesen Deal. Jüngst hat beispiels­weise die US-Ameri­kani­sche Federal Trade Commis­sion (kurz FTC) ange­kün­digt, gegen die Über­nahme zu klagen. Aber auch euro­päi­sche Regu­latoren sehen die Über­nahme kritisch.

Der Grund dafür ist, dass ARM keine eigenen Prozes­soren herstellt, sondern ihre Prozes­sor­designs an andere Hersteller (u.a. Apple, Samsung, Google, Qual­comm und eben auch Nvidia) lizen­ziert, die diese dann unver­ändert oder selber weiter­ent­wickelt in ihre Produkte inte­grieren. Klar ist, was die Branche fürchtet: Nvidia könnte, wenn sie die ARM-Tech­nologie ihr eigen nennen, ihre eigenen Chips gegen­über den ARM-Design-Lizenzen für die Konkur­renz bevor­zugen. Große Teile der Branche wären abge­hängt.

Auf der anderen Seite hat Apple fast die vier­fache Markt­kapi­tali­sie­rung wie Nvidia. Würde Nvidia Apple von einem Tag auf den anderen aussperren, würde die Sache unwei­ger­lich vor Gericht landen und Apple zumin­dest während des laufenden Verfah­rens weiterhin Zugang zur Tech­nologie erhalten. Zudem hat ARM seine aktu­elle Posi­tion nicht nur durch gute Tech­nologie, sondern auch durch eine zurück­hal­tende Preis­politik erreicht. Würde Nvidia an der Preis­schraube kräftig nach oben drehen, würden sich mittel­fristig doch wieder Alter­nativ­tech­nolo­gien entwi­ckeln. Viel­leicht gehen dann auch Intel und AMD stärker in den Embedded-Bereich oder RISC-V schafft plötz­lich den Durch­bruch.

ARM ist zudem auch derzeit nicht unab­hängig, sondern gehört zum japa­nischen Misch­kon­zern Soft­bank. Im Sinne inter­natio­naler Konkur­renz wäre es aber dennoch gut, wenn sie dort bleiben, und nicht zur US-ameri­kani­schen Nvidia wech­seln: Intel und AMD sind nämlich eben­falls US-ameri­kanisch. Wenn dann der nächste US-Präsi­dent wieder einen Handels­krieg anfängt, könnte das richtig bitter werden. Dann könnten nicht nur Huawei-Smart­phones wegfallen, sondern alle güns­tigen Einsteiger-Smart­phones auf einen Schlag.

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