Ehrgeiziges Ziel: Ende 2022 alle Behördengänge im Netz?
Strenger Zeitplan: Behördengänge müssen ins Netz
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Eine Nummer ziehen und dann in tristen Behörden auf
den Aufruf warten - das soll bis Ende 2022 ein Ende haben. Ein
bundesweites Projekt mit dem sperrigen Namen Onlinezugangsgesetz,
kurz OZG, macht Plattformen für digitale Behördengänge zur Pflicht -
von der Geburtsurkunde über die Anmeldung zur Eheschließung oder für
den neuen Wohnsitz bis zur Sterbeurkunde. Fortschritte beim
E-Government gab es im zurückliegenden Jahrzehnt nur im
Schneckentempo. Jetzt muss es schnell gehen, bis Ende 2022. "Das ist
ein sportliches Ziel", sagt der Landauer Oberbürgermeister Thomas
Hirsch (CDU).
In Rheinland-Pfalz müssen nach Angaben des Innenministeriums etwa
3500 Verwaltungsleistungen für den Online-Zugang erschlossen und in
einem Portalverbund verknüpft werden. "Bund, Länder und Kommunen
stellen Nutzerkonten bereit, über die sich alle Nutzer zentral
identifizieren können", sagt Staatssekretär Randolf Stich (SPD) im
Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Es gibt in
Rheinland-Pfalz ein Konto für alle Leistungen."
Strenger Zeitplan: Behördengänge müssen ins Netz
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14 Themenfelder mit 575 Kategorien
Für jedes von insgesamt 14 Themenfeldern mit zusammen 575 Kategorien haben ein oder zwei Bundesländer die Federführung übernommen, zusammen mit einem Bundesministerium. Rheinland-Pfalz hat mit Schleswig-Holstein und dem Bundesumweltministerium die Federführung im Umweltbereich. Zur Umsetzung aller Verfahren hat der Bund drei Milliarden Euro bereitgestellt, für das Themenfeld Umwelt erhalten Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zusammen 128 Millionen Euro.
Das Umweltministerium in Mainz kümmert sich etwa um die Verwaltungsvorgänge für Anlagenbetrieb und -prüfung, Wasser und Gewässer sowie Abfallentsorgung. "Erklärtes Ziel ist es, Leistungen, wenn immer möglich und sinnvoll, im Modell "Einer für Alle" umzusetzen", erklärt eine Sprecherin des Ministeriums. Hierfür gebe es einen engen Austausch mit anderen Ländern.
Das erste Umsetzungsprojekt in Rheinland-Pfalz hat schon 2019 begonnen: Bei Anlagenbetrieb und -prüfung geht es um Messwerte, die Betreiber von Industrieanlagen erheben und den Behörden zur Prüfung einreichen müssen. Die Industrie erhoffe sich eine deutliche Beschleunigung durch die digitalen Prozesse und eine Kostenersparnis aufgrund einheitlicher Verfahren in möglichst vielen Bundesländern.
E-Government-Verfahren gemeinsam betreiben
Für den Fall, dass zentral entwickelte Verfahren in Rheinland-Pfalz nicht passen sollten, hat das Land mit Hessen und dem Saarland einen Umsetzungsverbund Mitte gegründet. "So können wir gezielt zusammenarbeiten, um E-Government-Verfahren gemeinsam zu betreiben", erklärt Stich.
"Die organisatorischen Grundlagen stehen, ebenso die technische Plattform", freut sich der Staatssekretär. "Jetzt müssen die Verwaltungsverfahren digitalisiert werden, damit wir spätestens 2023 in die Betriebsphase gehen können."
Um die technische Infrastruktur zur OZG-Umsetzung hat sich der Landesbetrieb Daten und Information (LDI) gekümmert. Sie wird kostenfrei allen Landesbehörden und Kommunen zur Verfügung gestellt. Alle Anträge können über diese Plattform abgewickelt werden, die Kommune muss sich dann um das eigentliche Antragsverfahren kümmern.
Das OZG bestimmt zunächst nur, dass die Antragstellung online möglich ist. "Die Kommunen in Rheinland-Pfalz denken da weiter", sagt der Geschäftsführende Direktor des Städtetags, Michael Mätzig. "Wir wollen den gesamten Prozess digitalisieren - von der Antragstellung bis zum Behördenbescheid." Das mache die Verwaltung insgesamt effizienter, "ist allerdings alles andere als einfach".
Digitale Leistungen möglichst einheitlich umsetzen
Für die Umsetzung haben die drei kommunalen Spitzenverbände ein eigenes Projektbüro mit zehn Mitarbeitern eingerichtet. Die digitalen Leistungen sollten in jeder Kommune in Rheinland-Pfalz möglichst einheitlich umgesetzt werden, sagt Mätzig. Da viele Leistungen im Auftrag des Landes und des Bundes zu erledigen seien, komme es aber auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Land an.
Für die von Bund und Land gesetzte Aufgabe erhielten die Kommunen zu wenig Geld, kritisiert Mätzig. Wegen des hohen Arbeitsaufwands werde in jeder hauptamtlich geführten Kommune die Stelle eines OZG-Verantwortlichen benötigt. Eine mangelnde finanzielle Unterstützung für das Mammutprojekt beklagt auch der Vorsitzende des Landkreistags, Günther Schartz (CDU). "Wir sind in den Verwaltungen gefordert, die innere Digitalisierung voranzubringen - dafür gibt es kein zusätzliches Geld, das schneiden wir uns aus den Rippen."
Die Online-Abwicklung der Verwaltungsleistungen soll so überzeugend sein, dass sie von vielen genutzt wird. Wenn die neuen Plattformen zu zögerlich angenommen würden, seien auch Anreize denkbar, um die Nutzerquote zu erhöhen, sagt Stich und nennt geringere Gebühren und eine beschleunigte Bearbeitung - ähnlich wie bei der Steuererklärung im Elster-Verfahren.
In Landau gibt es seit einigen Wochen einen Digitalisierungsbeauftragten, der alle Maßnahmen koordinieren und "die Stadtspitze strategisch im Digitalisierungsprozess begleiten" soll. Das OZG sei im ganzen Land ein schwieriges Thema, sagt Oberbürgermeister Hirsch. Dabei ist aber auch Aufbruchsstimmung spürbar. Städtetagsdirektor Mätzig ist zuversichtlich: "In spätestens zwei Jahren heißt es: Klicks statt Behördengang."
Datenschützer schlägt "Datencockpit" für die Verwaltung vor
Der Landesdatenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann schlägt ein "Datencockpit" vor, das den Menschen in Rheinland-Pfalz anzeigt, welche Behörde welche Daten über sie speichert. Mit Blick auf die Digitalisierung der Verwaltung sei es wichtig, den Menschen ein im Vergleich zur gegenwärtigen Situation deutlich höheres Maß an Transparenz zu gewährleisten, sagte Kugelmann der Deutschen Presse-Agentur. So könnten die Bürgerinnen und Bürger jederzeit nachvollziehen, "welches Register welche Daten über sie vorhält, welche Behörden darauf zugegriffen haben und mit welchen anderen Daten diese verknüpft wurden".
Bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes muss nach Überzeugung Kugelmanns das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger beachtet werden. Die Daten sollten nur für die jeweils beantragte Dienstleistung genutzt werden und nicht darüber hinaus.
Zum jetzigen Zeitpunkt sei eine datenschutzrechtliche Bewertung der
Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes noch nicht abschließend möglich.
Grundsätzlich sei das Anliegen aber positiv: "Es soll online möglich
sein, was bisher nur in den Räumen der Behörde möglich ist." Dies sei
nicht nur zeitgemäß, sondern gerade in der Pandemie auch sinnvoll.
Führerschein soll digital beantragt werden können
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Nach drei Monaten fast 50 elektronische Führerschein-Anträge
In den ersten drei Monaten nach dem Start eines deutschlandweit einmaligen Pilotprojekts haben 46 Menschen im Main-Kinzig-Kreis ihren Führerschein online beantragt. Das geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Torsten Herbst (FDP) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Danach hält Hessen weiter an seinem Plan fest, noch in diesem Jahr in allen Landkreisen und kreisfreien Städten digitale Führerschein-Anträge zu ermöglichen.
Nach Darstellung des Main-Kinzig-Kreises übertraf die bisherige Resonanz auf das Angebot die Erwartungen. "Wir sind mit dem Rücklauf und auch mit der technischen Umsetzung bisher zufrieden", teilte ein Sprecher in Gelnhausen auf Anfrage mit. Herbst hingegen bezeichnete den Anlauf als schleppend. "Die Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen läuft in Deutschland noch immer im Schneckentempo", kritisierte der Abgeordnete. Das hessische Verkehrsministerium in Wiesbaden äußerte sich nicht.
Seit September müssen Menschen im Main-Kinzig-Kreis zur Beantragung ihrer Fahrerlaubnis nicht mehr zur Führerscheinstelle fahren, sondern können dies auch über das Internet erledigen. Benötigt wird dazu allerdings ein freigeschalteter, onlinefähiger Personalausweis sowie ein Chip-Lesegerät - nach Angaben des Kreissprechers für viele Menschen eine Hürde.
Wann das in Gelnhausen getestete Antragsverfahren deutschlandweit eingeführt wird, ist laut Bundesverkehrsministerium noch unklar. Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet allerdings Bund und Länder wie gesagt, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch anzubieten.
Unter der 115 ist die bundesweit einheitliche Behördenrufnummer geschaltet. Welchen Service Bürger unter dieser Nummer erwarten können und welche Kosten dafür aus dem Festnetz und den Mobilfunknetzen anfallen, verrät Ihnen unser Ratgeber.