Mobilfunk-Studie: Trend geht zu unbegrenztem Internet
Jeder fünfte Mobilfunknutzer nutzt bereits Verträge ohne Datenlimit. Zukünftig wollen mehr als 40 Prozent der Kunden einen solchen Tarif wählen. Das zeigt eine Studie der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners.
Sie hatten im März 2022 insgesamt 405 Teilnehmer in Deutschland zu ihrer Einstellung bzgl. Telekommunikationsservices (Breitband, Mobilfunk, Festnetz und TV) befragt.
Neue Bezahlmodelle notwendig
Simon Kucher hat eine Telekommunikationsstudie veröffentlicht
Grafik: Simon Kucher & Partners
Das Ergebnis ist einleuchtend und eigentlich nicht überraschend: Mobilfunk-Anbieter sehen sich mit einem Preiskampf konfrontiert, neue Bezahlmodelle müssen her. Das wahrscheinlichste Szenario: Tarife basierend auf Geschwindigkeit ("Speed") und Zusatzangebote ("Services").
Wie sieht die Zukunft der Telekommunikationsservices aus? Simon-Kucher und Partners haben ihren Fokus auf den Mobilfunk gelegt und herausgefunden: Immer mehr Kunden (20 Prozent) nutzen Verträge ohne Datenlimit. Und das Interesse an solchen Bezahlmodellen wachse weiter. Ganze 53 Prozent der Mobilfunknutzer finden derartige Angebote attraktiv. Ein Großteil (41 Prozent) äußere sogar eine konkrete Kaufabsicht.
„Mit dem steigenden Volumen von unbegrenzten Datentarifen funktioniert die aktuelle ‚More for the same'-Preisstrategie nicht mehr. Mobilfunkanbieter sollten jetzt ihre Strategie wechseln, bevor das Preisniveau in den Keller geht“, warnt Kajetan Zwirglmaier, der als Partner bei Simon-Kucher den Bereich Telekommunikation leitet.
Die Studie zeigt die Auswirkungen der Pandemie auf die Telko-Branche
Grafik: Simon Kucher & Partners
Wie aber kann eine solche Lösung aussehen? „Immer mehr Kunden fordern unbegrenztes Internet, dieser Entwicklung können sich Anbieter nicht entziehen. Schon bald wird ein solches Angebot Standard sein. Monetarisierung muss daher auf anderen Wegen erfolgen. Beispielsweise über Speed. Dies ist schließlich mit die größte Kaufmotivation“, sagt Alexander Zimm, Senior Manager bei Simon-Kucher. Das belegen auch die Zahlen. So ist Geschwindigkeit (48 Prozent) nach Netzstabilität (62 Prozent) und Preis (52 Prozent) aktuell das wichtigste Kriterium für Mobilfunkkunden in Deutschland.
Preismodelle zur Zahlungsbereitschaft rücken in den Fokus
Welche Kriterien sind entscheidend, einen Vertrag zu unterschrieben?
Grafik: Simon Kucher & Partners
„Mobilfunkanbieter sollten jetzt genau zwei Themen priorisieren: Erstens muss auf Basis verlässlicher Preismodelle präzise ermittelt werden, was die Zahlungsbereitschaft für ein Angebot ohne Datenlimit abhängig von Geschwindigkeit oder anderen Preismetriken ist. Zweitens muss gegenüber Kunden schnellstmöglich ein neues Preismodell etabliert werden“, erklärt Kajetan Zwirglmaier, Partner bei Simon-Kucher & Partners.
Die Simon-Kucher-Studie zu Telekommunikationsservices zeigt dabei: Jetzt ist der beste Zeitpunkt für eine Umstellung der Tarife. Der Grund? Für Kunden hat die Wichtigkeit des Mobiltelefons weiter zugenommen, ist zu einem noch integraleren Bestandteil geworden. So planen Konsumenten aktuell vor allem neue Mobilfunk-Verträge abzuschließen (42 Prozent). Aufgrund der andauernden hybriden Arbeitssituation sind aber auch neue Breitband- (16 Prozent) und TV-(22 Prozent)Verträge weiterhin im Kundenfokus.
Steigt die Zahlungsbereitschaft?
Jeder fünfte Kunde gibt an, bereits eine Datenflatrate zu haben
Grafik: Simon Kucher & Partners
Gleichzeitig steigt die Zahlungsbereitschaft der Kunden. Bewerteten vor Covid noch 59 Prozent Telekommunikationsservices als teuer, stimmen mittlerweile nur 47 Prozent dieser Aussage zu. Und das, obwohl für 80 Prozent die Kosten vollkommen transparent sind. „Dass das wahrgenommene Preis-Leistungsverhältnis für Telko-Services steigt, kann und sollte jetzt zur Monetarisierung genutzt werden“, findet Žiga Lešnik, Director bei Simon-Kucher & Partners.
Seit der Pandemie wird das Preis-/Leistungsverhältnis besser geschätzt
Grafik: Simon Kucher & Partners
„Denn auch wenn die Aggressivität der Player im Kampf um die Kunden steigt, müssen die Spielregeln schnell geändert werden, wenn die Anbieter einem dramatischen ARPU-Verfall (ARPU = durchschnittlicher Umsatz pro Kunde), also einem signifikant geringeren Erlös pro Kunde, entgegenwirken wollen.“
Jeder Vierte plant, den Mobilfunkanbieter zu wechseln
Eine Möglichkeit für stabile Einnahmen sei die Neukundengewinnung. Die Studienergebnisse bestätigen das Potential: „63 Prozent der Kunden ist bewusst, dass ihre Vertragslaufzeit abgelaufen ist, und sie jederzeit den Anbieter wechseln könnten. 39 Prozent geben an, dass sie dies bei einem guten Angebot der Konkurrenz auch tun würden“, führt Alexander Zimm, Senior Manager bei Simon-Kucher aus.
Konkret plant jeder vierte (24 Prozent) sich in den nächsten 12 Monaten von seinem bisherigen Anbieter trennen zu wollen.
Diese Wechsel-Argumente sollten Telko-Anbieter kennen
Wie aber können Anbieter für wechselbereite Kunden attraktiv werden? Speed ist sowohl bei Mobilfunk-Angeboten (39 Prozent) als auch für Festnetzlösungen das Hauptargument. Der Preis (24 Prozent) liegt auf Platz 2, gefolgt von 5G (20 Prozent) und dem Wunsch nach einem höheren/unlimitierten Datenvolumen (17 Prozent).
1/4 der Befragten plant nächstes Jahr, den Anbieter zu wechseln
Grafik: Simon Kucher & Partners
Locken lassen sich Kunden aber auch mit Extras wie einer zusätzlichen SIM-Karte für beispielsweise Tablets oder Smartwatches (Data only), die mit
35 Prozent bereits doppelt so viele Verbraucher interessiert wie im Vorjahr.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Den "Trend", den Simon Kucher und seine Partner entdeckt haben, ist in der Schweiz schon länger Standard. In den USA bietet T-Mobile US seinen Kunden weltweites Datenroaming inklusive an, aber mit lausiger Geschwindigkeit. Das reicht dann für ein paar Nachrichten oder vielleicht eine Navigation. Wer mehr will, muss dann teure Optionen buchen.
Im Festnetz sind unterschiedliche Geschwindigkeiten längst bekannte Praxis, im Mobilfunk aber noch nicht. Es gibt längst fast ausnahmslos Flatrates, zumal kein Mensch wirklich weiß, wie viele Daten so am Tag, pro Woche oder im Monat wirklich verbraucht oder gebraucht werden. Datensparsamkeit ist nicht im Trend.
Im Mobilfunk gibt es begrenzte Datenvolumina, die teilweise mit scheinbar "kostenlosen" Bonbons wie Streaming-Pässen (z.B. bei Telekom oder Vodafone) veredelt wurden, aber höchstrichterlich geurteilt gegen die Netzneutralität verstoßen und daher aktuell verboten sind und daher eingestellt werden.
Eine unlimitierte Datenflatrate gibt es schon länger bei o2, doch beim Publikum scheint das nicht angekommen zu sein, oder die Netzperformance konnte die "Entscheider" nicht überzeugen. o2 hatte auch eine "Weitersurfgarantie", wo nach Verbrauch eines festgelegten Volumens das Tempo auf 1 MBit/s gedrosselt wurde. Damit könnten viele Kunden gut leben. Vielleicht sogar zu viele, denn sie kaufen keine Nachbuchpakete und sie wechseln nicht in den nächsthöheren teureren Tarif. Ergo gibt es das Angebot nur noch für Bestandskunden.
Von uns zufällig befragte (nicht repräsentative) Nutzer wünschen sich ein Netz mit der Qualität der Telekom, dazu eine unbegrenzte Flatrate hinsichtlich Datenmenge und Geschwindigkeit und würden dafür etwa 25 Euro/Monat ausgeben. Die Mobilfunker tun sich damit schwer. Sie wissen: Sobald Preise sinken und mögliche Datenmengen steigen, "glühen" die Netze, es muss massiv nachgerüstet werden, und ein Ende ist nicht in Sicht.
Die Finanzplaner der Mobilfunkanbieter träumen von Wachstum, das es aber so nicht gibt, wie beispielsweise Dr. Verena Grundke von o2 schon 2006 herausgefunden hat.