Editorial: Weg mit dem Minutenzähler!
o2 macht Allnet-Flat zum Standard
Foto: o2
In der Anfangszeit des Mobilfunks war Telefonieren teuer. In einzelnen
Tarifen kosteten nationale Gespräche in Fremdnetze bis zu einem
Euro pro Minute. Inzwischen reden wir für dieselbe Leistung über Cent
statt Euro: Das von der Bundesnetzagentur
vorgeschlagene Vorleistungsentgelt von
1,85 Cent pro Minute bewertet die EU-Kommission beispielsweise als
zu teuer. Die tatsächlichen Kosten
mobiler Telefonie lägen ihrem Rechenmodell zufolge noch niedriger.
Der Preisverfall mobiler Telefonie macht sich auch gegenüber dem Endverbraucher bemerkbar. o2 hat auf dem Mobile World Congress 2013 bekannt gegeben, beim Standard-Tarifportfolio die einzelnen Cents nicht mehr aufzuaddieren und den Minutenzähler für nationale Telefonate und SMS (jeweils außer Sondernummern) kurzerhand abzuschaffen. Lediglich der Datenzähler läuft noch mit. Will man, dass letzterer nicht allzu schnell die Drosselung reinhaut, muss man eines der größeren o2-Blue-All-In-Pakete wählen.
Bei den Mobilfunk-Discountern sind All-Net-Flatrates seit dem yourfone-Start vor knapp einem Jahr das beherrschende Thema. Egal, ob Congstar, 1 & 1, yourfone, blau oder simyo: Ab 20 bis 25 Euro monatlich kann der Kunde so viel telefonieren, wie er will. Die Unterschiede stecken eher im Detail, etwa bezüglich der Größe des enthaltenen Datenvolumens, der Vertragslaufzeiten oder, ob auch SMS inklusive sind.
Mit seiner Ankündigung macht o2 die All-Net-Flat nun auch im Segment der Netzbetreiber-Tarife zum Standardprodukt. Deutsche Telekom und Vodafone werden wahrscheinlich nachziehen, vielleicht sogar schon auf der CeBIT. Denn andernfalls droht erheblicher Kundenverlust.
Mehr Marge anderswo
o2 macht Allnet-Flat zum Standard
Foto: o2
Je weniger sich mit den bisherigen Standardprodukten Telefonie und
SMS verdienen lässt, desto mehr müssen die Mobifunk-Anbieter auf
andere Erlösquellen ausweichen. Insbesondere bei den viel zitierten
Nebenleistungen entwickeln sich die Preise in
die diametral entgegengesetzte Richtung, nämlich immer
mehr nach oben. Einmal kurzzeitig nicht genug Geld auf dem Konto zu
haben, so dass eine Lastschrift zurückgeht, kann in Summe
(also Rücklastschriftgebühr, Mahngebühr, sowie Gebühr für manuelle
Zahlung der Rechnung) teils mehr kosten, als einen Monat zu
telefonieren. Zwar bekommt der Kunde diese nach Ansicht vieler
Gerichte überhöhten Gebühren ganz oder
teilweise erstattet, wenn er sich beschwert, aber nur ein Teil der
Kunden treibt diesen Aufwand.
Auch Roaming, Auslandstelefonate und Sondernummern sind für die
Anbieter weiterhin sehr einträglich. Freilich vermeiden die meisten
Kunden diese Kostenfallen so gut, wie es geht, so dass die zusätzlichen
Umsätze hieraus ebenfalls limitiert sind.
Das Gros der Umsätze müssen also schon die Flatrates selber bringen. Dazu sind sie aber auch geeignet, denn so mancher mobile Wenigtelefonierer lässt sich von 20 bis 30 Euro monatlich für "All you can phone" schon locken, und zahlt dann künftig entsprechend mehr. In dieser Veredelung der Kunden, auch hin zu größeren Datenpaketen oder anderen Zusatzoptionen wie Zweit- oder Dritt-SIM, sehen alle Netzbetreiber ihr Ziel.
Einfacherer Preisvergleich
Der Siegeszug der Flatrates vereinfacht den Preisvergleich für die Verbraucher. Klassische Handytarife mit Grundgebühr X, Festnetz-Minutenpreis Y und Fremdnetzpreis Z sind schon unübersichtlich genug, und Flatrates in einzelne Netze machen die Rechnung nochmals komplizierter. Bei All-Net-Flatrates braucht man hingegen kein Mathestudium mehr, um zu sehen, wer die höheren monatlichen Kosten hat. Klar muss man künftig genau schauen, was im Paket drin ist und was fehlt (z.B. SMS-Flatrate, Größe des Datenpakets), aber zum Glück stellen die Anbieter in ihrer Werbung derzeit die Inklusivleistung überwiegend klar dar. Der Verbraucher muss also nur darauf achten, dass alle benötigten Bausteine in der Flatrate enthalten sind, und kann dann direkt die Preise vergleichen.