freie Wahl

Editorial: Call by Call für alle!

Eine generelle Pflicht zu freien Betreiberwahl könnte viele Probleme lösen
Von Marie-Anne Winter

Die Deutsche Telekom muss auch weiterhin Call by Call und Pre-Selection im Festnetz anbieten. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig erteilte einem erneuten Versuch des einstigen Monopolisten, die lästige Verpflichtung zur freien Betreiberauswahl in seinen Telefonleitungen loszuwerden, eine klare Absage (Az. BVerwG 6 C 38.07 - Urteil vom 29. Oktober 2008). Trotz eines wachsenden Anteils von Telefonanschlüssen bei alternativen Anbietern bestätigte das Gericht die Einschätzung der Bundesnetzagentur, dass die Telekom im Festnetz noch immer über eine beträchtliche Marktmacht verfügt und daher weiterhin die freie Betreiberwahl ermöglichen muss. Erst durch die Einführung von Call by Call und Pre-Selection konnte sich ein Wettbewerb im Festnetz überhaupt entwickeln.

Angesichts der heute üblichen Preise ist schon fast in Vergessenheit geraten, dass vor dem 1. Januar 1998 - dem Tag, an dem das Call-by-Call-Verfahren eingeführt wurde, Ferngespräche im deutschen Festnetz je nach Tageszeit bis zu 60 Pfennig, also etwa 30 Cent, pro Minute gekostet haben. Alternativen gab es bis dahin nicht. Mit der Vorwahl von fünf Ziffern konnte der Gesprächspreis rasant gesenkt werden: Der Call-by-Call-Anbieter Mobilcom berechnete über seine Netzvorwahl 01019 nur noch 19 Pfennig pro Minute. Mit dem Auftreten weiterer Anbieter sanken die Preise zusätzlich. Und die günstige Alternative erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit: Noch immer wählen Telefonkunden bei fast 40 Prozent der Gesprächsminuten im Festnetz einen Call-by-Call- oder Pre-Selection-Anbieter. Ein Wegfall dieser Optionen würde den Markt also erheblich gefährden - auch wenn der Minutenanteil von Call by Call am Gesamtgeschäft im Festnetz seit Jahren rückläufig ist: Im Jahr 2005 lag er noch bei 52 Prozent. Und schließlich sind durch den Preisdruck auch die Gesprächspreise bei der Telekom selbst deutlich günstiger geworden, auch wenn Call-by-Call-Anbieter diese weiterhin locker unterbieten.

Die Telekom sitzt noch immer auf der letzten Meile

Tatsache ist aber auch, dass die Deutsche Telekom auch gut zehn Jahre nach dem Wettbewerbsstart noch immer eine eindeutige Vormachtstellung bei den Telefon-Anschlüssen hat: Satte 83,4 Prozent der 37,8 Millionen Telefon-Anschlüsse in Deutschland waren Ende vergangenen Jahres beim Marktführer geschaltet. Stärkster Wettbewerber ist Arcor mit einem Anteil von 7,4 Prozent, gefolgt von HanseNet, der mit seinen Alice-Anschlüssen auf 3,4 Prozent kommt. Versatel liegt bei 1,9 Prozent.

Viele Kunden bleiben bei der Telekom, um weiterhin günstige Call-by-Call-Gespräche nutzen zu können. Denn die Konkurrenten müssen diese Option nicht anbieten: Wer sich für einen anderen Anbieter entschieden hat, hat dann nicht mehr die freie Wahl - auch wenn diese im Zeitalter der Festnetz-Flatrates weniger wichtig wird und teurere Auslandsgespräche beispielsweise auch per VoIP über den Breitband-Anschluss erledigt werden können.

Weitere Editorials