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Editorial: Angriff auf das Telekommunikationsgeheimnis

Facebook will Chats automatisiert "belauschen"
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Bezüglich Facebooks Umgang mit persönlichen Daten ist die deutsche Medienlandschaft in den letzten Jahren zunehmend abgestumpft. War früher nach jeder Änderung an den Nutzungsbedingungen ob des abermals weiter ausgehöhlten Datenschutzes der Aufschrei im deutschen Blätterwald groß, sind heute selbst einschneidende Änderungen bei Facebook kaum mehr als eine Randnotiz wert. Selbst dann, wenn Facebook direkt und offensichtlich ein Grundrecht wie das auf das Post- und Telekommunikationsgeheimnis angreift, wie es in Artikel 10 Grundgesetz niedergelegt ist.

Feind hört mit! Feind hört mit!
Bild: Telekom
Facebook hat nämlich angekündigt, künftig gezielt private Chats zwischen Mitgliedern auf Verdachtsmomente für geplante Straftaten zu scannen, und Verdachtsmomente an die zuständigen Behörden weiterzugeben. Als Beispiel wird ein Chat eines Mannes "Anfang 30" mit einer 13-jährigen mit sexuellem Inhalt genannt, wo der Mann zudem ein Treffen mit dem Mädchen für den nächsten Tag nach der Schule vereinbart hätte. Das Problem daran ist, dass Facebook hier nicht nur öffentliche Daten und Nachrichten der jeweiligen Mitglieder scannt, sondern auch private Nachrichten, die dem Telekommunikationsgeheimnis unterliegen!

Nun ist das Telekommunikationsgeheimnis eh schon stark ausgehöhlt. Zwar dürfen Handy und Telefon nur nach richterlicher Anordnung abgehört werden. Kritiker bemängeln jedoch regelmäßig, dass die entsprechenden Anordnungen zu lax geprüft werden und ergo zu viel abgehört wird. Zudem werden die Begleitumstände der Telekommunikation (wer hat wen wann von wo und welchem Handy aus angerufen oder angeSMSt?) immer umfangreicher gespeichert, selbst, wenn die exzessive gezielte Vorratsdatenspeicherung derzeit auf Eis liegt. Bei SMS haben diese lange gespeicherten Metadaten oft mehr Umfang und mehr Nutzwert für die Ermittler als der grundgesetzlich geschützte Inhalt der SMS selber.

Facebook überwacht ohne Verdacht

Dennoch geht Facebooks Chat-Überwachung noch einen großen Schritt weiter. Denn bei der herkömmlichen Tk-Überwachung muss zunächst ein konkreter Verdacht gegen eine oder mehrere bestimmte Person(en) bestehen, bevor ein Richter die Überwachung genehmigt. Erst dann darf mitgeschnitten werden, und nur dann bekommen Polizeibeamte z.B. zahlreiche weitere Details aus dem Leben der Verdächtigen zu Gehör, die i.d.R. gar nicht Bestandteil der ursprünglichen Ermittlungen sind. Bei Facebook scannt hingegen ein Algorithmus alle Chat-Protokolle und entscheidet, welche davon Mitarbeitern bei Facebook zur näheren Kontrolle vorgelegt werden. Schlagen diese ebenfalls Alarm, geht es weiter zur nächsten Polizeidienststelle. Aus einer Überwachung im Einzelfall - kann man den Zahlen zur Tk-Überwachung in Deutschland glauben, sind nicht einmal 0,1 Prozent aller Handys "angezapft" - wird so eine Total-Überwachung.

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