Facebook-Urteil

Facebook-Prozess: Richter bekommt endgültig keine Beweis-Daten

Facebook-Lobbyistin musste nicht vor Reutlinger Gericht erscheinen
Von mit Material von dpa

Facebook-Prozess: Richter bekommt endgültig keine Daten Facebook-Prozess: Richter bekommt endgültig keine Daten
Foto: Rafa Irusta - fotolia.com. Logo: Facebook. Montage: teltarif.de
Der Reutlinger Amtsrichter Sierk Hamann hat den Versuch aufgegeben, den Facebook-Account eines Angeklagten zu beschlagnahmen. Facebook gebe die Daten unter Verweis auf US-Datenschutzbestimmungen nicht an die europäische Justiz heraus, sagte Hamann heute. "Facebook nimmt billigend in Kauf, durch dieses Verhalten einen Straftäter zu schützen", kritisierte er.

Dem Angeklagten im konkreten Fall hat das aber nichts geholfen. Der 20-Jährige wurde wegen anderer Indizien wegen Beihilfe zu einem Wohnungseinbruch zu vier Tagen Jugendarrest und einer Geldstrafe verurteilt. Der Richter vermutet, dass er auch über Facebook seinem Komplizen entscheidende Hinweise für den Einbruch gegeben hat.

Experten hatten das Verfahren bundesweit mit Spannung verfolgt. Wäre Hamann an die Facebook-Daten des Angeklagten gekommen, wäre das nach Einschätzung von Fachleuten bundesweit einmalig gewesen. Dann hätte der Reutlinger Prozess Vorbildcharakter für zahlreiche Strafverfahren haben könnten. Facebook hatte stets betont, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Man lege die Kontounterlagen aber ausschließlich auf Basis der Nutzungsbedingungen und nach geltendem Recht offen.

Facebook-Mitarbeiterin musste doch nicht vor Amtsgericht erscheinen

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Der Amtsrichter hat die Beschlagnahme des Facebook-Accounts angeordnet, nachdem sich dieser mit einem Mittäter auf Facebook ausgetauscht haben soll. Vor dem Einbruch war er anscheinend zu Gast im Haus der Opfer und wurde von den Ermittlern verdächtigt, dem Mittäter für den Einbruch ein Fenster geöffnet zu haben. Vor dem Einbruch sollen beide über Chat und SMS kommuniziert haben. Im Februar entschloss sich der 20-jährige Angeklagte allerdings dazu, die Daten aus seinem Facebook-Profil freiwillig herauszugeben. Richter Hamann hatte zuvor gedroht, einer Facebook-Zeugin vorzuladen und dem Angeklagten gegebenenfalls die Kosten dafür aufzubrummen. Doch auch der Angeklagte, der sich nach eigenen Angaben selbst darum bemüht hatte, seine Daten ausgehändigt zu bekommen, habe keine Antwort auf seine Anfrage erhalten, kritisierte der Jugendrichter.

Die europäische Chef-Lobbyistin der Firma Facebook in Brüssel musste übrigens nun doch nicht wie geplant als Zeugin vor dem Reutlinger Amtsgericht erscheinen. Richter Sierk Hamann hatte sie vorgeladen, weil er wissen wollte, wie er an die bei Facebook gespeicherten Daten eines Angeklagten herankommt. Facebook habe mittlerweile aber schriftlich Antworten nach Reutlingen übermittelt, sagte ein Sprecher des Amtsgerichts gestern. Deshalb sei die Zeugin wieder ausgeladen worden.

Bei den meisten anderen Providern sei es für die Justiz kein Problem, an Daten von Angeklagten zu kommen. Weshalb das bei Facebook nicht klappe, wundere ihn, sagte der Richter. Zugleich appellierte er an die Politik, dieses Thema weiterzuverfolgen.

Über komplexe Themen wie die Vorratsdatenspeicherung werde intensiv diskutiert, aber zu wenig über solche Alltagsprobleme in der Rechtsprechung. Wenn klar sei, dass die Justiz keinen Zugriff auf Facebook habe, wirke das wie eine Einladung an Kriminelle. "Man wäre ja blöd, wenn man noch eine SMS verschickt", sagte Hamann.

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