Breitband-Irrsinn: Glasfaser im Kreis Herford verwehrt
Glasfaserausbau bei der Deutschen Glasfaser
Bild: Deutsche Glasfaser / Martin Wissen
Eigentlich kann man froh sein, dass aktuell an mehr und mehr Stellen bundesweit gebuddelt und Glasfaser ausgebaut wird - Staat und Netzbetreiber sind offenbar aufgewacht. Der Staat macht dafür viele Milliarden locker und fördert den Ausbau.
Doch die von den Politikern meist gut gemeinten Förderrichtlinien führen zum Teil zu zahlreichen Verzögerungen und einer ausufernden Bürokratie - und für manche Anwohner zu wirklich irrsinnigen Situationen, wie unser heutiges Beispiel zeigt.
Wunsch und Wirklichkeit bei Förderrichtlinien
Ja, es gab und gibt Regionen, die noch nie schnelles Internet hatten - und bei manchen Förderprogrammen werden diese Regionen bevorzugt. Die dort ausbauenden Netzbetreiber erhalten die staatlichen Fördermittel nur dann, wenn sie sich an ein starres Korsett an Vorgaben halten. Das war ursprünglich sicher gut gemeint, in der Praxis ist es aber oft unpraktisch und verteuert den Ausbau vielleicht sogar.
Eine "magische Grenze" bei der Breitbandförderung sind oft 30 MBit/s: Alle Haushalte in einem Ort oder auch einer Straße, die mit bisherigen Internetanschlüssen nur 30 MBit/s oder weniger hatten, können mit der Förderung ausgebaut werden. Hat ein Anschluss auf einem möglicherweise benachbarten Grundstück in derselben Straße oder Siedlung vielleicht bisher 35 oder 37 MBit/s gebracht, so ist der geförderte Glasfaserausbau dort bei Strafe verboten - die Netzbetreiber dürfen diese Grundstücke nicht anschließen, auch wenn sie es gerne wollten.
Die Folge davon ist, dass die ausgenommenen Grundstücke mit bisher mehr als 30 MBit/s erst nach Abschluss des geförderten Bauvorhabens im Rahmen eines anderen Förderprogramms oder eines eigenwirtschaftlichen Ausbaus ganz ohne Fördermittel angeschlossen werden dürfen.
Glasfaserausbau bei der Deutschen Glasfaser
Bild: Deutsche Glasfaser / Martin Wissen
Konkretes Beispiel im Kreis Herford
Ein konkretes Beispiel ereignet sich aktuell beispielsweise im ostwestfälischen Kreis Herford. Ein dort ansässiges Ehepaar meldete sich vor rund einer Woche bei teltarif.de und berichtete: In der betreffenden Stadt wird derzeit Glasfaser durch die Deutsche Glasfaser verlegt. Werbeplakate und sogar ein eigenes Baubüro wurden im Ortsteil errichtet, in dem das Ehepaar wohnt. Möglich gemacht wurde dies durch eine Förderung des Kreises Herford.
Das Ehepaar entdeckte dann allerdings in der Verfügbarkeitsabfrage bei der Deutschen Glasfaser, dass alle umliegenden Häuser Glasfaser erhalten können, das eigene Grundstück und zwei Nachbarn aber nicht. Die Glasfaser wird aber sozusagen direkt an der Haustür des Ehepaares vorbei verlegt. Das Ehepaar konnte auch herausfinden, dass es in einer benachbarten Straße Anschlüsse gibt, die jetzt schon mehr als 30 MBit/s haben und trotzdem im Fördergebiet liegen. Bei einer ersten Nachfrage bei der Deutschen Glasfaser wurden die Anwohner mit Hinweis auf die bestehenden Förderrichtlinien abgewiesen. An unsere Redaktion schrieb das Ehepaar:
Unseres Erachtens sollte es aber doch auch für ein Unternehmen wirtschaftlich und somit möglich sein, Häuser „auf dem Weg“ direkt an das Netz anzuschließen, auch wenn wir knapp nicht im Fördergebiet liegen. Es erscheint vielmehr irrsinnig und klingt nach Posse aus der Provinz, dass die ersten Meter der Straße nicht angeschlossen werden, obwohl das Kabel direkt am Grundstück vorbeigeführt wird.
teltarif.de fragt nach
teltarif.de leitete den Fall zunächst ebenfalls an die Deutsche Glasfaser weiter. Allerdings erhielten wir von dort dieselbe Rückmeldung wie die Anwohner: Es ist definitiv untersagt, Grundstücke, die nicht im Fördergebiet liegen, im Rahmen des geförderten Ausbaus anzuschließen, auch wenn diese sozusagen "auf dem Weg" liegen.
Die teltarif.de-Redaktion und die Anwohner wurden von der Deutschen Glasfaser an den Breitbandbeauftragten des Kreises Herford verwiesen. Von dort antwortete man uns und auch dem Ehepaar stets schnell und ausführlich, zum Teil sogar abends nach Feierabend. An uns schrieb man:
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Die betroffenen Anwohner haben auch bereits zeitgleich bei uns nachgefragt. Wir haben die Grundlage für die Definition des Fördergebietes noch einmal für die Adresse überprüft. Uns ist im Markterkundungsverfahren mitgeteilt worden, dass an der Adresse mindestens 30.000 MBit/s ankommen [gemeint sind natürlich 30.000 kBit/s bzw. 30 MBit/s, Anm. d. Red.].Das Markterkundungsverfahren ist die entscheidende Grundlage für die Ausschreibung. Tatsächlich spricht aber auch die Möglichkeit, dass für die Adresse ein 50-tausender Vertrag bei der Deutschen Telekom gebucht werden kann dafür, dass die 30.000 auch wirklich erreicht werden. Die Förderung der sog. „weißen Flecken“ hat allerdings genau die Aufgreif-Schwelle von 30.000. Eben diesen Ausbau betreiben wir gerade.
Ich sehe also keine Möglichkeit, die Adresse in die Förderung aufzunehmen. Dass [es] unser aller Ziel ist, insgesamt eine Glasfaserversorgung zu realisieren, ist sicher klar. Die Fördergeber Bund und Land haben dafür neue Programme geschaffen, lassen Upgrades zu und eigenwirtschaftlich werden sich sicher auch noch Verbesserungen ergeben. Ich bin also recht sicher, dass auch an dieser Adresse mittelfristig eine Glasfaseranbindung bestehen kann.
Ein Ausblick: Nachfragebündelung und Konkurrenz
Die Anwohner können die Förderrichtlinien zwar nachvollziehen, gaben sich mit der Antwort aber nicht so ganz zufrieden. Sie bemängelten in ihrer Antwort an den Breitbandbeauftragten beispielsweise: Die Deutsche Glasfaser würde sich derzeit rein auf den geförderten Ausbau zurückziehen, wenn man dort nach Möglichkeiten zum Anschluss des Hauses frage. Das Ehepaar wollte wissen, inwieweit der Breitbandbeauftragte hier die Möglichkeit habe, als Koordinatoren Einfluss auf den Vertragspartner Deutsche Glasfaser zu nehmen. Hierzu schrieb der Kreis Herford:
Ich kann ihre Enttäuschung über die Förder-Bedingungen gut nachvollziehen. Tatsächlich ist das auch rational schlecht zu begründen. Insbesondere, da das Oberziel aller eben lautet, in möglichst kurzer Zeit Glasfaser für alle realisiert zu haben... Insbesondere in Förder-Verfahren sind wir aber sehr eng an die Bedingungen gebunden, um nicht eine Rückzahlung der Gelder zu riskieren. Das wäre hier fatal.Den Anwohnern bleibt also aktuell nichts anderes übrig, als darauf zu warten.Es gibt aber nun noch vielfältige Möglichkeiten, zukünftig gefördert und nicht gefördert an ein Glasfasernetz angeschlossen werden zu können. Zum einen sind die Kommunen und auch die Stadt [...] bemüht, mit dem ausbauenden Unternehmen, der Deutschen Glasfaser, eigenwirtschaftliche Ausbauten hinzubekommen. Dafür werden so genannte Nachfragebündelungen durchgeführt. Ich kann nicht absehen, ob Ihr Wohngebiet dabei ist, aber sollte es dabei sein, geht es dann hierbei darum, genügend Haushalte zu finden, die auch einen Anschluss buchen.
Kommt das nicht zur Anwendung, kann die D. Glasfaser auch ohne Nachfragebündelung entscheiden, die [Anwohner] an der Trasse auszubauen. Da Sie direkt an der schon gebauten Trasse später liegen, wäre das wirtschaftlich. Auch stellen wir fest, dass immer mehr andere Unternehmen den Kreis Herford attraktiv finden. So tritt zum Beispiel die Glasfaser Nordwest aktuell sehr aktiv hier auf. Aber auch die Telekom, die schon Strukturen hier hat, möchte diese aufwerten und ist aktiv.
Für all die Haushalte, für die sich auf diesem Weg keine Lösungen finden lassen, steuern wir mit den Kommunen zusammen aller Wahrscheinlichkeit nach ab dem kommenden Jahr das so genannte "Graue-Flecken-Programm" an. Dieses berücksichtigt ab 2023 alle Haushalte, die noch keinen Glasfaseranschluss haben. Es ist zwar nun schade, dass sich dadurch keine kurzfristige Lösung ergibt, aber ich meine, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass es eine mittelfristige gibt.
Ein ähnliches Beispiel im Video