Tk-Politik

Editorial: Kontrolle durch wen?

Die NSA lauscht bei Google mit. Dagegen begehrt nun Deutschland auf - zumindest ein kleines bisschen. Aber noch hängt das Aufbegehren im Instanzenweg der Gerichte fest.
Von

Wer kontrolliert wen? Wer kontrolliert wen?
Foto: dpa
Das Urteil klingt zunächst nach einer Formalie, aber es enthält in Wirklichkeit eine Menge an politischem Sprengstoff: Google wurde vom VG Köln dazu verurteilt, den Dienst "GMail" bei der Bundesnetzagentur als Telekommunikationsdienst anzumelden. Das Problem: Mit der Anmeldung würde Google bestätigen, dass sie bezüglich des GMail-Dienstes auch deutschem Telekommunikationsrecht unterliegen. Dieses schreibt insbesondere strenge Datenschutz-Standards vor, die Google gar nicht einhalten könnte, ohne nicht zugleich US-Recht zu brechen: Die NSA wird nicht auf den Vollzugriff auf die Daten von nicht-US-Bürgern verzichten, nur, weil die deutschen Behörden plötzlich Datenschutz fordern.

Ebenso müsste GMail nach deutschem Tk-Recht den deutschen Ermittlungsbehörden im Falle von richterlich angeordneten Abhörmaßnahmen das Recht geben, Kopien aller gespeicherten und zusätzlich aller ein- und ausgehenden E-Mails anzufordern. Bisher ist die Ermittlung von via GMail versendeten E-Mails für die Polizei nur möglich, wenn ausländische Stellen kooperieren. So kann sie die Daten bei Google anfragen, wobei Google anschließend selber entscheidet, ob und was es liefert. Weigert sich Google, kann die Polizei evtl. über den BND die NSA um Amtshilfe bitten - die letztere aber auch nur gegen Gegenleistung gewähren wird, zum Beispiel mit der Überwachung der von der NSA genannten Zielpersonen in der BRD.

Formal braucht es natürlich nicht die Anmeldung von Google, damit der GMail-Dienst dem TKG unterliegt und deutsches Datenschutzrecht anwendbar ist. Denn wenn die von Google in Deutschland angebotenen Dienste nicht dem TKG unterliegen würden, wäre das Urteil des VG Köln anders ausgefallen. Dennoch wird die Bundesnetzagentur derzeit kein Interesse haben, weitere Verfahren wegen weiterer Pflichten des TKG gegen Google anzustrengen, solange die Anmeldefrage nicht abschließend geklärt ist.

Auch, wenn die Gerichtsentscheidung zu GMail nun als erste bekannt geworden ist: Zahllose weitere, über das Internet angebotene OTT-Dienste unterliegen letztendlich demselben Problem: Auch bei Skype oder WhatsApp steht die Telekommunikation im Zentrum des Dienstes, so dass auch diese sich nach TKG bei der Bundesnetzagentur akkreditieren müssten. Und selbst für soziale Netzwerke (Facebook, Twitter, Google Plus), Partnerbörsen (Parship, neu.de etc.) oder Chatportale gilt, dass die Kommunikation zwischen den Nutzern im Vordergrund steht. Auch auf die Betreiber von Spieleservern könnte sich der Überwachungsdruck demnächst erhöhen: Terroristen sollen die Chatfunktion der Playstation 4 zur Absprache ihrer Pläne genutzt haben.

Das Internet ist Telekommunikation

Wer kontrolliert wen? Wer kontrolliert wen?
Foto: dpa
Je genauer man hinsieht, desto mehr Telekommunikation entdeckt man in so gut wie allen etablierten Internetdiensten. Selbst dort, wo öffentliche Kommunikation im Vordergrund steht, wie zum Beispiel bei online-Foren, ist oft eine private Kommunikationsmöglichkeit versteckt. Sollten aber künftig Foren-Betreiber wegen der Möglichkeit, innerhalb des Forums auch private Mitteilungen von einem Account zum nächsten zu schicken, künftig zur Implementation einer Abhörschnittstelle gezwungen werden, wird dem sicher nur ein Teil der Forenbetreiber nachkommen. Die anderen Betreiber würden mit dem Forum kurzerhand auf eine ausländische Domain und einen ausländischen Server umziehen. Und stellt die Bundesnetzagentur den Forenbetreibern auch dort noch nach, dann wandern die Foren halt in anonyme Netze wie Tor. Zu bestimmten Themen - zum Beispiel Drogenkonsum - befinden sie sich sowieso schon dort.

Selbst mit richterlicher Anordnung ist es also unmöglich, die komplette Telekommunikation eines Nutzers zu überwachen. Somit stellt sich die Frage, warum man überhaupt mit der Überwachung anfängt. Gerade die gefährlichsten Täter werden immer eine Methode finden, der staatlichen Überwachung zu entkommen und ihre Absprachen im Geheimen zu treffen. Über die übliche Tk-Überwachung findet man somit vor allem Gelegenheitstäter und Kleinganoven, die sich meist auch auf anderem Weg dingfest machen lassen. Diese und ähnliche Argumente sind es auch, die am Nutzen der Vorratsdatenspeicherung zweifeln lassen.

Anders hingegen die politische Ebene: Dass Auslands-Geheimdienste die deutschen Bürger auf vielen von ihnen intensiv genutzten internetbasierten Kommunikationsdiensten umfangreich überwachen, die deutsche Polizei hingegen selbst in wichtigen Fällen darauf angewiesen ist, was ihr Google, Facebook & Co. im jeweiligen Fall freiwillig an Daten überlassen, kann eigentlich kein Sicherheitspolitiker gutheißen. Auch, wenn es sicher nicht gelingen wird, das Wirken von NSA oder GCHQ einzuschränken: Dass sich Deutschland ebenfalls seinen Zugang zu den gesammelten Daten sichert, ist nur konsequent.

Google wird die Entscheidung des VG Köln sicher anfechten, und auch sicher keinen Bedarf haben, möglichst schnell eine letztinstanzliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen. So lange kein endgültiges Urteil gefallen ist, wird sich Google mit der Behauptung, keinen Tk-Dienst im Sinne des deutschen TKG anzubieten, der Pflicht zur Tk-Überwachung entziehen. Und die User? Die werden zumindest zum Teil dorthin ausweichen, wo sie möglichst wenig überwacht werden können. Weder von den Geheimdiensten aus dem Ausland noch durch richterliche Anordnungen aus dem Inland.

Weitere Editorials