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Editorial: Wie viel wovon?

Der Patent-Bewertungsstreit zwischen Apple und Motorola
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In letzter Konsequenz macht die Patent-Lizenzierung via Umsatzbeteiligung sogar Produkte unmöglich: Denn wenn sich die Umsatzbeteiligungen für alle Features, die man in einem Produkt vereinigen möchte, auf über 100 Prozent addieren, dann ist es wirtschaftlich unmöglich, das Produkt herzustellen und zu vertreiben. Man muss ja mehr Geld für Patente abführen, als man damit einnimmt! Und zwar egal, wie teuer man das fertige Produkt macht.

Statt als Umsatzbeteiligung werden Patentlizenzen oft auch als fester Preis pro Gerät oder Funktionseinheit abgerechnet. Das hat aber ebenso seine Probleme: Der über ein Jahrzehnt führende Standard für digitale Telefonnetze, ISDN, ist beispielsweise durch die Patent-Abrechnung pro Telefonkanal faktisch hingerichtet worden. Zwar wurde der ISDN-Standard entsprechend den Fortschritten in der Mikroelektronik zu höheren Bitraten (z.B. 32 Kanäle mit zusammen ca. 2 MBit/s (E1) oder 512 Kanäle mit zusammen ca. 33 MBit/s (E3)) hin erweitert. Doch kosten die zugehörigen E1- und E3-Karten aufgrund der Lizenzierung pro Port so absurd viel, dass Voice over IP im Backbone trotz des höheren technischen Aufwands aufgrund der Wandlung synchron/asynchron inzwischen in praktisch allen Fällen wesentlich günstiger ist.

Das Lizenzierungs-Modell via Umsatzbeteiligung treibt hingegen den Produktivitätsfortschritt: Gelingt es einem Hersteller, das patentierte Produkt günstiger zu produzieren, kann er auch die nötigen Lizenzen günstiger erwerben und so insgesamt die Preise zu senken. Das 100-Euro-Smartphone wäre mit Patent-Tantiemen "pro Stück" ebenso unmöglich wie das 20-Euro-Handy. Diese günstigen Geräte haben wiederum dafür gesorgt, dass in den letzten Jahren Abermilliarden von Menschen überhaupt in den Genuss von Telekommunikation gekommen sind. Und ist es nicht fair, dass Bürger in den entwickelten Ländern, die im Schnitt teurere Handys kaufen, im Verhältnis auch höhere Lizenzkosten pro Handy bezahlen als die Bürger armer Länder?

Lizenzkosten-Deckel gesucht

Am Ende erscheint eine Kombination beider vorgestellten Lizenzmodelle am sinnvollsten: Es wird zugleich eine Umsatzbeteiligung und ein Stückpreis festgesetzt. Abgerechnet wird dann der niedrigere von beiden Werten. Letztendlich entspricht das einer Umsatzbeteiligung mit einem Deckel beim Stückpreis. So wird verhindert, dass der Lizenzgeber unangemessen mitverdient, wenn sein patentiertes Produkt in ein größeres Ganzes eingebaut wird. Und zugleich wird ermöglicht, dass Produktivitätsfortschritte zumindest den Preis des Einzelprodukts weiter senken.

Neben Samsung und Motorola, die gefragt sind, von der Umsatzbeteiligung auf den gesamten Verkaufspreis abzulassen, ist aber auch Apple in der Pflicht. Diese sollten endlich Lizenzen für ihre Multitouch-Patente zu vergleichbaren Bedingungen erteilen, die sie selber für die Mobilfunk-Patente fordern, statt auf Basis dieser Patente in mehreren Ländern gegen Samsung & Co. zu klagen.

Die Leidtragenden des Patentkriegs sind am Ende die Verbraucher. Zum einen können sie nicht jedes Produkt in jedem Land jederzeit kaufen. Zum anderen treiben die Rückstellungen der Unternehmen für eventuell doch noch zu zahlenden Patentkosten die Preise - und die Umsatzbeteiligungen für diejenigen Patente, die man bereits akzeptiert hat.

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