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Statt Wegwerfen: EU-Parlament will Recht auf Reparatur

Das Handy­akku ist kaputt oder die Kaffee­maschine macht Ärger? Eine Repa­ratur soll nach dem Willen des Euro­papar­laments bald einfa­cher und güns­tiger sein. Verbrau­cher­schützer sind erfreut. Die Wirt­schaft ist skep­tisch.
Von dpa /

Recht auf Handy-Reparatur könnte kommen Recht auf Handy-Reparatur könnte kommen
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Fehlende Ersatz­teile, hohe Repa­ratur­kosten und zu schnell verschlei­ßende Produkte - all dem will das Euro­papar­lament ein Ende setzen. Die Abge­ord­neten stimmten heute für ein Recht auf Repa­ratur - sie wollen den euro­päi­schen Binnen­markt damit grüner und nach­hal­tiger gestalten.

Der Bedarf für Verbes­serungen ist da: Nach Infor­mationen der euro­päi­schen Verbrau­cher­schutz­orga­nisa­tion BEUC haben Nutzer in Belgien mehr als 11 000 Produkte regis­triert, die zu früh den Geist aufgaben. Zwei von drei waren nicht einmal drei Jahre alt, und in mehr als 80 Prozent der Fälle war eine Repa­ratur nicht erfolg­reich. Zwar wollen etwa 70 Prozent der EU-Bürger ein defektes Produkt lieber ausbes­sern lassen als ein Neues zu kaufen, wie es in einer Studie der EU-Kommis­sion von 2018 heißt. Doch das ist nicht immer so einfach.

Verlötet, verklebt: Repa­ratur oft unmög­lich

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Evelyne Gebhardt, Euro­paab­geord­nete der SPD, spricht aus eigener Erfah­rung. Vor einigen Jahren hatte sie Probleme mit ihrem Drucker. Das Gerät zog das Papier nicht mehr richtig ein, ein kleines Rädchen war defekt. Doch es war fest verschweißt, ein Ersatz­teil für das kaputte Teil nicht verfügbar, wie Gebhardt erzählt. Eine Repa­ratur war somit nicht möglich.

Mit dem Recht auf Repa­ratur sollen Verbrau­cher deshalb schon beim Kauf umfas­sende Infor­mationen über die Kosten von Ersatz­teilen erhalten - und auch darüber, ob ein Gerät repa­riert werden kann. Damit das häufiger der Fall ist, müssen viel­fach die Waren ange­passt werden, sagt Karo­lina Wojtal vom Euro­päi­schen Verbrau­cher­zen­trum der Deut­schen Presse-Agentur. "Viel zu oft sind sie verlötet, verklebt oder verschleißt, sodass sie kaputt gehen, wenn man sie repa­rieren will." Oder aber es sei Spezi­alwerk­zeug notwendig.

Umset­zung wirk­lich umwelt­scho­nend möglich?

Der BEUC-Direktor für den Bereich Recht und Wirt­schaft, Agustin Reyna, begrüßt das Vorhaben des EU-Parla­ments. "Das ist genau die Art Initia­tive, die Verbrau­cher brau­chen, um unsere Konsum­gewohn­heiten grüner zu machen." In der Wirt­schaft trifft das Vorhaben auf weniger Gegen­liebe. "Ein Recht auf Repa­ratur mag sich populär anhören, tatsäch­lich ist in der Praxis weder eine verbrau­cher­freund­liche noch eine umwelt­scho­nende Umset­zung möglich", sagt Achim Berg, Präsi­dent des Tele­kom­muni­kati­ons­ver­bandes Bitkom der dpa. Es sei viel­mehr kontra­pro­duktiv.

Ein Recht auf Repa­ratur würde die Hersteller von Elek­tronik­geräten zwingen, eine enorme Menge an Ersatz­teilen für lange Jahre auf Vorrat zu produ­zieren und einzu­lagern, sagt Berg. "Das erzeugt deut­lich mehr Müll als es vermeidet." Der stell­ver­tre­tende Haupt­geschäfts­führer des Bundes­ver­bands der Deut­schen Indus­trie, Holger Lösch, sagte der dpa: "Das verur­sacht mitunter hohe Kosten, die sich auf die Repa­ratur­kosten, aber auch auf die Preise für Neuge­räte auswirken dürften." Wojtal fordert auch deshalb, dass Bauteile stan­dar­disiert werden.

Berg will statt einem Recht auf Repa­ratur Steu­erver­güns­tigungen für Repa­raturen, damit das Ausbes­sern für Verbrau­cher güns­tiger werde. Auch die EU-Abge­ord­neten vereinen sich hinter dem Ziel preis­werter Repa­raturen. Denn derzeit lohnt sich das Ausbes­sern finan­ziell nicht unbe­dingt, wie eine Unter­suchung von Stif­tung Waren­test zeigt. Aufs große Ganze gerechnet gelte etwa bei Wasch­maschinen: "Wer immer gleich beim ersten ernsten Defekt eine neue kauft, zahlt am Ende nur wenig mehr als derje­nige, der sie immer repa­rieren lässt."

Neuere Geräte arbeiten oft ener­gie­effi­zienter

Auch aus ökolo­gischer Sicht ist Lösch zufolge nicht immer eine Repa­ratur sinn­voll. Der Neukauf von ener­gie­effi­zienten Haus­halts­groß­geräten wie Wasch­maschinen oder Kühl­schränke könne im Vergleich zur Repa­ratur älterer Geräte mehr Sinn machen, wenn in der Nutzungs­phase erheb­lich Energie einge­spart werden könne. Laut der Erhe­bung von Stif­tung Waren­test hängt es stark vom Produkt ab, ob ein Neukauf oder eine Repa­ratur nach­hal­tiger sei. Bei Wasch­maschinen oder Kaffee­maschinen sei die Herstel­lung oft sehr viel belas­tender für die Umwelt als eine Repa­ratur. Anders sei dies bei Staub­saugern.

Die Euro­papar­lamen­tarier wollen Produ­zenten künftig auch in puncto Lebens­dauer stärker verpflichten. "Viele der Produkte werden extra so gebaut, dass sie nach kurzer Zeit kaputt gehen", kriti­siert die Grünen-Parla­men­tarierin Anna Cavazzini. Ein vorzei­tiger Verschleiß soll nach dem Parla­ments­beschluss deshalb als unlau­tere Wett­bewerbs­praktik gelten. Andreas Schwab von der CDU merkt jedoch an, dass die Halt­bar­keit letzt­lich auch stark vom Gebrauch abhänge.

Wenn es nach den Abge­ord­neten geht, soll von der erwar­teten Lebens­dauer auch die Garan­tie­zeit abhängen. Ein Vorschlag, den Verbrau­cher­schüt­zerin Wojtal befür­wortet. In Finn­land und den Nieder­landen sei dies bereits umge­setzt. "Wenn ein Paar Sandalen zwei Jahre hält, ist das even­tuell in Ordnung. Bei einem Fahrrad erwarte ich da aber schon deut­lich mehr."

Ihr Handy ist kaputt? Das Display hat einen Sprung? Auf unserer Ratgeber­seite zeigen wir Ihnen, was Sie selbst repa­rieren können und was ein Fall für eine Repa­ratur durch den Hersteller ist.

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