undurchsichtig

Editorial: Apples Saphirglas-Krimi

Anfangs sah alles nach einem ganz normalen Fehler in der Gerüchteküche aus: Apple verbaut Saphirglas bei der Apple Watch, nicht beim iPhone 6. Doch je mehr Details über den Deal zwischen Apple und dessen bankrottem Zulieferer GT ans Tageslicht dringen, desto spannender wird die Geschichte.
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Apples Absprung hat GT wirtschaftlich das Genick gebrochen. Anfang Oktober meldete GT Insolenz an, am 23. Oktober einigten sich Apple und GT auf einen Aufhebungsvertrag, der die bisherige exklusive Zusammenarbeit beendet. GT wird sein eben erst aufgebautes Werk stilllegen und künftig keine Saphire mehr herstellen, sondern nur die dafür nötige Ausrüstung. Gelingt es GT, die Schmelzöfen aus dem Werk in Arizona oder neu hergestellte Schmelzöfen an Dritte zu verkaufen, erhält Apple hierauf für die nächsten vier Jahre eine Umsatzbeteiligung, mit der noch ausstehende 439 Millionen US-$ aus Apples Vorauszahlung abgegolten werden. Zinsen zahlt GT keine. Ebenso darf GT ihre Patente behalten, sowohl für Saphir als auch (Poly)Silizium.

Die vorgenannte Einigung mit Apple erscheint in vieler Hinsicht erstaunlich milde: Apple als vermutlicher Hauptgläubiger hätte GT auch filetieren können, oder die Löschung der alten Aktien und Ausgabe neuer Aktien an die Gläubiger erzwingen können. Mit letzteren wäre Apple in der Lage gewesen, an allen künftigen Gewinnen von GT auf Dauer zu partizipieren, nicht nur an denen aus dem Saphirgeschäft für einen begrenzten Zeitraum. Stattdessen verlangt Apple noch nicht einmal Zinsen. Der bestmögliche Fall für Apple ist also, dass sie die ursprünglich geleistete Vorauszahlung zurückerhalten. Der schlechteste Fall ist, dass sie nur einen Bruchteil zurückerhalten.

Hinter Apples Milde dürften drei Treiber stecken: Zum einen mochte es der Konzern noch nie, wenn über seine Zulieferer viel in den Medien geschrieben wird. Und gerade der ursprüngliche Deal mit GT enthält sicherlich viel Sprengstoff, die Apple als eiskalt und knallhart berechnend dastehen lassen, sollten sie ans Licht kommen. Folglich verzichtet man lieber auf Geld, als das Thema weiterhin in den Medien zu haben. Zum zweiten ist Apples Nichtabnahme der Saphirgläser möglicherweise rechtlich doch nicht so glasklar, wie man das gegenüber GT vertreten hat. Am Ende dürfte ein langer Gutachter- und Rechtsstreit darüber drohen, ob vereinbarte Stückzahlen und Liefertermine gehalten werden konnten oder nicht. Und drittens hat Apple überhaupt kein Interesse daran, eine ihnen als Gläubiger zugefallene Firma wie GT zu übernehmen und zu sanieren. Sie wollen flexibel bleiben, und Saphirglas dann und nur dann einsetzen, wenn es das beste ist, und sofort auf das nächste Material wechseln, wenn es etwas noch besseres gibt.

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