undurchsichtig

Editorial: Apples Saphirglas-Krimi

Anfangs sah alles nach einem ganz normalen Fehler in der Gerüchteküche aus: Apple verbaut Saphirglas bei der Apple Watch, nicht beim iPhone 6. Doch je mehr Details über den Deal zwischen Apple und dessen bankrottem Zulieferer GT ans Tageslicht dringen, desto spannender wird die Geschichte.
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Saphirglas ist eine der spannendsten neuen Technologien für Smartphones in den kommenden Jahren. Verspricht das Material doch, wesentlich kratzfester als herkömmliches Handyglas zu sein. Doch es hat auch zwei Probleme: Es ist vergleichsweise zerbrechlich. Und da der Brechungsindex über dem von Glas liegt, spiegeln Scheiben aus Korund (so wird das Mineral eigentlich genannt, wenn es nicht durch Zusätze blau gefärbt ist; im Falle tiefroter Farbe heißt es Rubin) noch stärker als Scheiben aus Glas.

Diese Probleme sind allgemein bekannt, sicher wusste auch Apple davon. Dennoch investierten sie Ende 2013 nicht weniger als 578 Millionen US-$ in Form von Vorauszahlungen in eine US-Firma namens GT Advanced Technologies, die unter anderem Schmelzöfen für die Herstellung künstlicher Saphire produzieren. Ein weiteres Standbein ist unter anderem die Produktion von Silizium für Solarzellen.

Zum Zeitpunkt des Apple-Deals steckt GT - wie aufgrund drastisch reduzierter Fördersätze für Solarmodule viele andere Solarunternehmen auch - in einer wirtschaftlichen Krise: Der Umsatz hat sich binnen Jahresfrist mehr als halbiert, statt sprudelnder Gewinne steht plötzlich ein Verlust in den Büchern. Das mag für GT der Grund gewesen sein, einem Vertrag mit Apple zuzustimmen, der Apple Exklusivität zusichert, der GT verpflichtet, hohe Kapazitäten bereitzuhalten, zugleich aber Apple nicht verpflichtet, bestimmte Produktmengen abzunehmen. So steht es zumindest in der Börsenmitteilung [Link entfernt] von GT.

Viel mehr als diese wenigen Fakten werden wir wahrscheinlich nie über den Knebelvertrag zwischen Apple und GT erfahren. Laut einem Anwalt von GT sind diese in einem Geflecht von Verschwiegenheitsabkommen gefangen. Auffällig ist aber, dass Apple sich zu diesem Zeitpunkt nicht - wie so gut wie jeder andere Investor es getan hätte - im Gegenzug für die Finanzspritze einen Firmenanteil von GT überschreiben lässt. Apple gibt also einen ungedeckten Kredit über eine halbe Milliarde heraus, um die exklusive Option zu erhalten, künftig ein interessantes Material verwenden zu können. Mehr nicht!

Sensation Saphirglas!?

Apple Watch mit Saphirglas, iPhone nicht Apple Watch mit Saphirglas, iPhone nicht
Foto: dpa
In der Folge der Veröffentlichung des vorgenannten Deals war es kein Wunder, dass die Gerüchteküche über Saphirglas-Displays bei den neuen iPhones heiß lief. Ein Smartphone mit einem großen, echten Kristall als Display-Abdeckung - das wäre schon eine Sensation. Deutlich härter und kratzfester als Glas. Aber eben auch schwerer zu verarbeiten. Und schwerer (oder noch gar nicht) zu härten als Gorillaglas.

Nun, wir werden nie offiziell erfahren, ob die über 2 000 Schmelzöfen, die GT in Folge des Vertrags mit Apple in einem neuen Werk in Arizona aufbaute, tatsächlich Saphirglas für iPhones oder doch nur für Apple Watches und Kameralinsen produzieren sollten. In den Medien finden sich Hinweise auf Qualitätsprobleme - die Massenware soll zu brüchig gewesen sein - und ungeplante Kostensteigerungen. Am Ende konnte GT wohl nicht die benötigte Menge an Saphirglas in der benötigten Qualität liefern. Apple verweigerte daraufhin die Abnahme und die Zahlung vereinbarter Millionenbeträge. Das iPhone 6 erschien mit klassischem Gorilla-Glas, die Apple Watch lässt noch bis zu einem unbestimmten Termin auf sich warten. Nur in einzelnen der Kameralinsen steckt jetzt schon Saphirglas.

Lesen Sie auf der folgenden Seite, wie GT pleite gegangen ist - und warum Apple bei der Aufhebung des Knebelvertrags plötzlich Milde walten lässt.

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