Festnetz: Telekom gewinnt Marktanteile zurück
Im Auftrag des VATM hat das Beratungsunternehmen Dialog Consult die "Analyse der Wettbewerbssituation im deutschen Festnetzmarkt" erstellt, deren Ergebnisse Peter Winzer, Gesellschafter von Dialog Consult und Professor für Telekommunikations-/Medienwirtschaft und Controlling an der Hochschule RheinMain, vorstellte. Der Analyse zufolge gewinnt die Telekom seit 2020 Anteile im DSL-Markt zurück. Betrug ihr Marktanteil damals noch 54,3 Prozent, lag er im vergangenen Jahr bei 55,8 Prozent. Dieser Trend werde sich laut Winzer fortsetzen.
Besonders dramatisch zeigt sich das an den Zahlen des vergangenen Jahres. Technologieübergreifend hat Vodafone 2022 laut Analyse knapp 250.000 und 1&1 140.000 Breitbandkunden verloren, wohingegen die Telekom 237.000 Kunden hinzugewann - und das, obwohl die FTTB/H-Wettbewerber der Telekom Kunden abnehmen. Doch selbst wenn man zusätzlich noch die Breitbandanschlüsse der Kabelnetzbetreiber hinzunimmt, konnte die Telekom ihre Marktposition bei ca. 40 Prozent stabilisieren, obwohl die Wettbewerber in den Bereichen Kabelinternet und FTTB/H bislang wuchsen.
"Telekom ist preisaggressivster Anbieter"
TK-Experte Peter Winzer skizzierte anhand seiner Marktanalyse das Wiedererstarken der Telekom. Er sieht darin ein "beginnendes Wettbewerbsproblem"
Screenshot: Marc Hankmann
Das Zementieren einer marktbeherrschenden Stellung sei laut Winzer im EU-Vergleich ein "Sonderfall";. In funktionierenden Märkten würden die Ex-Monopolisten Marktanteile verlieren. "Wir sehen hier ein beginnendes Wettbewerbsproblem", resümiert der TK-Professor das Ergebnis seiner Marktanalyse. Da die Telekom auch im FTTB/H-Bereich aufholt, geht Winzer darüber hinaus davon aus, dass der Ex-Monopolist auch diesen Markt in Zukunft dominieren wird.
Den Grund für das Wiedererstarken der Telekom sieht der Experte in der Preispolitik der Bonner. "Die Telekom ist der preisaggressivste Anbieter im DSL-Markt", sagte Winzer bei der Vorstellung der Marktanalyse. Dazu verglich Dialog Consult die Tarifangebote von Verivox und Check24 zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Das Ergebnis: Die DSL-Angebote der Telekom lagen im Schnitt zwischen 20 und 30 Prozent unter denen der Konkurrenz. Allein Vodafone kann hier mit Angeboten für Kabelinternet einigermaßen mithalten. Im DSL-Markt ist die Telekom jedoch Preisführerin.
VATM: DSL-Gewinne finanzieren Glasfaserüberbau
Für den VATM bedeutet diese Entwicklung, dass die Telekom das lukrative DSL-Geschäft nur sehr langsam aufgeben wird. VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer kritisierte daher die Regulierung der BNetzA, die die "strategische Preissetzung" des Ex-Monopolisten nicht erfasse. "Regulierung light hat für den Kupferbereich nicht funktioniert", sagte Ufer und forderte die BNetzA zur Nachbesserung auf, zumal die Marktmacht der Telekom im DSL-Bereich Auswirkungen auf den Glasfaserausbau habe.
VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer, hier zusammen mit Verbandspressesprecherin Caroline Winter, kritisierte die Regulierung der BNetzA und forderte die Behörde auf nachzubessern
Screenshot: Marc Hankmann
Die von Ufer als Überrendite bezeichneten Gewinne aus dem DSL-Geschäft investiere die Telekom in den Glasfaserausbau, allerdings nicht allein dafür, um dort FTTB/H-Netze zu bauen, wo es noch keine gibt. "Die Konsequenz ist ein punktueller Überbau von Glasfasernetzen aus einer Position der Stärke heraus", erklärte Ufer.
Dass die Telekom nach eigenen Aussagen auch noch in Zukunft ihr Infrastrukturmonopol erhalten wolle, ist für Ufer ebenfalls ein Grund dafür, dass die Regulierung nachgebessert werden müsse. "Die BNetzA hat das sehenden Auges in Kauf genommen", sagte der VATM-Geschäftsführer bei der Präsentation der Marktanalyse.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Der ehemalige Incumbent Deutsche Bundespost Telekom hat sich stark gewandelt. Offenbar hat die Telekom einiges richtiger gemacht, als die Konkurrenz. Beispiel Mobilfunk: Der massive Netzausbau, der sich z.B. in unseren wöchentlichen Übersichten niederschlägt. Längst ist die Telekom dabei, auch einsame Regionen, die vielen Mitbewerbern zu "klein" oder zu "teuer" sind, mit Netz zu versorgen. Das spricht sich herum.
Manche Kundschaft mag konservativ sein (ich wechsel meinen Anbieter niemals), andere legen Wert auf Qualität und Service. Offenbar ist es nicht immer der günstigere Preis der privaten Anbieter: Wenn im "Ernstfall" Hotlines nicht erreichbar sind oder gar nicht helfen können oder wollen, hinterlässt das bleibende Spuren.
Die private Konkurrenz der Telekom kann nur überleben, wenn sie deutlich "besser" ist, auf die Wünsche ihrer Kunden eingeht und ihnen das liefert, was sie wollen, zu attraktiven Preisen.
Dass günstige DSL-Preise den Glasfaserausbau "bremsen" können, ist bei Privatkunden plausibel. Gäbe es aber bald fast nur noch Glasfaser, wird die Telekom ihr Kupfernetz abschalten (wollen) und die Fasern sind preislich völlig unreguliert. Das kann noch richtig lustig werden.
Im Wettbewerb ist doch klar, dass der "Spieler" Telekom sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Nach 28 Jahren Liberalisierung sollten die Mitbewerber langsam verstanden haben, dass bis heute ohne die Telekom in vielen Bereichen nichts läuft.
Es gibt noch genügend Marktnischen, die der Telekom "zu klein" sind, wo neue Wettbewerber punkten können. Kreativität bei Produkten und Diensten und vor allen Dingen zuverlässige Abläufe und ein aufmerksamer Kundenservice sind hier die Schlüsselworte.
Gemeinsam mit dem Breitbandverband BREKO übt der VATM Kritik an der künftigen Glasfaserförderung.