Marginalisiert

Editorial: Die Gründe für Amazons (Miss-)Erfolg

Erfolg oder Misserfolg? Managementfehler oder Branchenproblem? Amazon baut seinen Marktanteil aus, macht aber hohe Verluste. Warum?
Von

Amazon: Vom Online-Händler für Bücher zum Online-Warenhaus Amazon: Vom Online-Händler für Bücher zum Online-Warenhaus
Screenshot: teltarif.de
Auf der einen Seite ist Amazon eine große Erfolgsgeschichte: Als Online-Buchhändler gestartet, wurde das Geschäft konsequent auf weitere Warengruppen (Elektronik, Videostreaming, Spielzeug etc.) ausgedehnt. Dank zahlloser Partnerhändler bekommt man auf Amazon inzwischen so gut wie alles zu einem fairen Preis. Mit kurzen Versandzeiten, kostenlosem Versand (ab 29 Euro, bzw. per "Amazon Prime" auch bei kleineren Bestellungen) und gutem Service hat der Händler weltweit Abermillionen Kunden von sich überzeugt.

Amazon ist so erfolgreich, dass andere, etablierte Versandhäuser schließen mussten. Prominentestes Opfer ist Quelle, die nicht rechtzeitig den Wechsel vom Katalog- zum Online-Versender vollzogen hatten. Zugleich leidet der stationäre Handel, mal mehr (z.B. Karstadt), mal weniger (z.B. der Metro-Konzern mitsamt Media Markt und Saturn).

Doch allen Erfolgen und steigenden Marktanteilen zum Trotz ist auch Amazon in die Verlustzone gerutscht. Über 400 Millionen Dollar hat Amazon letztes Quartal mehr ausgegeben als eingenommen. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Wenn das Weihnachtsgeschäft schwach läuft, könnte im vierten Quartal unterm Strich sogar ein noch größeres Minus stehen. Auf der anderen Seite ist Amazon also auch eine Misserfolgsgeschichte.

Untreue Kunden

Amazon: Vom Online-Händler für Bücher zum Online-Warenhaus Amazon: Vom Online-Händler für Bücher zum Online-Warenhaus
Screenshot: teltarif.de
Ich persönlich wäre nicht überrascht, wenn es Amazon nie gelingt, mit ihren Gewinnen an die IT-Schwergewichte Apple, Google, Microsoft oder Intel anzuschließen. Der Grund: Anders als die vorgenannten hat Amazon keine starken eigenen Produkte. Seinen Onlinehändler wechselt man einfacher als das PC- oder Smartphone-Betriebssystem oder die Suchmaschine.

Derzeit wächst Amazons Marktanteil, weil sie das beste Verhältnis aus Endpreisen und Servicequalität (Lieferzeiten, Rücknahmeabwicklung, Qualität der Verpackung etc.) bieten. Um Gewinn zu machen, müsste Amazon die Preise hoch- oder den Service runterschrauben. Jede dieser beiden Maßnahmen würde aber sofort eine Marktlücke eröffnen, in die neue Onlinehändler vorstoßen, die dann Amazon die Kunden abspenstig machen.

Es gibt andere Branchen, die in der Dauerkrise stecken, weil die Kunden kaum Markentreue zeigen: Ein Beispiel hierfür sind Airlines. Selbst die ehrwürdige Swiss Airlines musste vor einigen Jahren zur Rettung unter die Fittiche der Lufthansa schlüpfen. Air Berlin ist ebenfalls als endloser Sanierungsfall in den Medien.

Auch die im Rahmen der Deregulierung in den letzten Monaten zuhauf gestarteten Fernbuslinien werden es schaffen, sich gegenseitig kaputt zu dumpen, bis einige wenige übrig bleiben, die dann kurze Zeit etwas Geld verdienen, bevor die nächste Gründungswelle die Preise für Bustickets erneut in den Keller treibt. Für die Kunden ist das gut, bedeutet es doch, dass sie online günstig einkaufen oder mit dem Flugzeug bzw. Fernbus verreisen können.

Weitere Editorials