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Editorial: Fair abkassieren!?

Datendienste für Wenignutzer
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Sie sind seit bald einem Jahrzehnt aller Kritik zum Trotz der Hoffnungsträger der Mobilfunkbranche: Mobile Datendienste, insbesondere der mobile Internetzugang und die mobile E-Mail, sollen in gesättigten Märkten für Sprachtelefonie neue Umsätze bringen. Und so legten alle Netzbetreiber unisono zum Start hohe Preise auf, in der Erwartung, damit auch hohe Erträge erzielen zu können.

Einzig und allein die Kunden haben den Netzbetreibern bis heute einen Strich durch die schöne Datenrechnung gemacht. Angesichts der hohen Beträge, die über die Handyrechnung oder das Prepaidkonto für ein paar Seiten mobiles Internet kassiert werden, empfinden die Nutzer die Onlinezugangstasten an ihren Handys nicht als Mehrwert, sondern als "Spendentaste für den Netzbetreiber", die man möglichst bald anderweitig belegt, damit man nicht jedes Mal Geld zahlen muss, wenn man aus Versehen drauf drückt.

Das Problem, dass GPRS by Call mit 6 bis 19 Euro pro Megabyte einfach zu teuer ist, wurde von den Netzbetreibern inzwischen erkannt. Folglich stehen GPRS-Optionen bereit, die mit 5 bis 10 Euro pro Gigabyte nur noch ein tausendstel der by-Call-Preise kosten! Unterdessen werden jedoch die teuren Originaloptionen weiterhin angeboten. So gemäß dem Prinzip: "Bei WAP sind die Datenmengen kleiner, und wir haben nichts dagegen, wenn uns der eine oder andere Kunde mit ein paar WAP-Seiten ein paar Euro extra in die Kasse spült."

Das Problem: Ein Kunde, der einen by-Call-Zugang ahnungslos mit Laptop und Modemkarte verwendet, hat nach nur einer Sitzung nicht nur ein paar Euro, sondern schnell ein paar hundert Euro auf dem Zähler stehen. Selbst dann, wenn ihm die Hotline "aus Kulanz" den größten Teil davon erlässt, ist dieser Kunde für mobiles Internet erstmal verbrannt. Und so suchten die Netzbetreiber nach einer Lösung, wie sie weiterhin "ein paar Euro für ein paar WAP-Seiten" kassieren können, ohne, dass User des mobilen Internet schon nach der ersten Sitzung den Schreck ihres Lebens bekommen.

Lösung: Zeitabhängige Abrechnung?

Es scheint, dass die Mobilfunkanbieter auf ihrer Suche fündig geworden sind - durch die zeitabhängige statt der volumenabhängigen Abrechnung. o2, T-Mobile und Vodafone aktivieren neue Vertragskarten inzwischen mit einem zeitbasierten Tarif. In absehbarer Zeit stellt auch Callmobile auf 9 Cent pro Minute statt 1,2 Cent pro Kilobyte um und verkauft dieses als deutliche Preissenkung - was jedoch nicht unbedingt richtig ist.

Denn auch die zeitbasierte Variante hat ihre Tücken: Moderne Handy-Betriebssysteme wie Symbian oder Windows Mobile tendieren dazu, Applikationen samt zugehöriger Datenverbindungen im Hintergrund geöffnet zu halten. Statt einer fünfminütigen WAP-Sitzung zu 45 Cent sieht das Abrechnungssystem dann eine fünfundzwanzigstündige zu 135 Euro. Der Trick dagegen: Die GPRS-Knoten registrieren auch, ob überhaupt Daten fließen, und berechnen daraus eine Art "netto-Onlinezeit". Nur letztere wird abgerechnet. Der Kunde muss allerdings hier auf die Qualität dieser Systeme und den Wohlwollen des Netzbetreibers hoffen, oder von Hand sicherstellen, dass der Browser wieder sicher geschlossen ist.

Für Dienste mit langer Onlinezeit und geringem, aber regelmäßigen Datentransfer, etwa Instant Messaging, können die zeitbasierten Default-Abrechnungen sogar noch mehr kosten als die bisherige Abrechnung nach überteuerten Kilobyte. Schließlich bringt effizientes textbasiertes Instant Messaging viele Nachrichten in einem einzigen Kilobyte unter.

Nur wenige Anbieter - allen voran die E-Plus-Discounter AldiTalk, blau.de, Simyo - bieten mit 24 Cent pro Megabyte einen auch bei regelmäßiger Nutzung für diverse Zwecke (WAPpen, mobile E-Mail, gelegentliches Surfen auf Webseiten) geeigneten Datentarif an. Zeitbasierte Zugänge - zumal mit 9 Cent pro Minute - eignen sich hingegen praktisch nur zum Ausprobieren oder für sehr seltene Nutzung. Wer häufiger mobil online ist, sollte also ein geeignetes Datenpaket zubuchen bzw. auf einen geeigneten Tarif umsteigen.

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