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Editorial: Arcor sägt am eigenen Ast

Abmahnungen von Vielnutzern statt Brückenschlag zum Kunden
Von Björn Brodersen

Man muss dem Unternehmen zugute halten, dass es die betroffenen Telefon-Kunden vorwarnt und diese Gelegenheit erhalten, sich entweder zu verteidigen oder die Flatrate künftig nur für private Gespräche zu nutzen, um nicht in einen anderen Tarif umgestellt zu werden. Auch die Nutzer der Internet-Flatrate sehen (erst) zu Beginn der Surfsession im sich öffnenden Browser-Fenster, welche Kosten auf sie zukommen. Wer im Monat zuvor zu ausgiebig im Netz war, muss im kommenden Monat dem höheren Preis von knapp 30 Euro oder - bei Kanalbündelung - von knapp 60 Euro bis zum Monatsende zustimmen oder auf einen anderen Zugang ausweichen.

Allerdings können die Telefon- und Internet-Kunden nicht wissen, wann genau die Grenze zum Vielnutzer hin überschritten wird. Der Eschborner Anbieter verrät weder, wie lange seiner Meinung nach Privattelefonate ins Ausland pro Tag dauern, noch ab welcher Dauer der Internetnutzer sich im Folgemonat auf höhere Surfkosten einstellen muss. Stattdessen sprechen Kundenbetreuer von Telefonaten in einem "außergewöhnlich hohem Maße" oder einer "regelmäßig exzessiven Nutzung". Stünden solche Formulierungen in den AGB eines Telefon- oder Internetangebots, müssten sie wie berichtet die Kunden gar nicht hinnehmen.

Arcor: "Mit preisaggressiven Flatrates Zeichen gesetzt"

Solches Verhalten sowie die Anhebung der Preise für Kunden-Hotline-Anrufe vor einiger Zeit erinnert ein wenig an die derzeitige Entwicklung bei o2, die Thema unseres vorangegangenen Editorials war. Man könnte meinen, Arcor versuche auf diese Weise, sich den idealen Kunden zu zimmern, der in jeglicher Hinsicht still ist und verlässlich zahlt. Eine Marke, die im wettbewerbsintensiven Telekommunikationsgeschäft herausragen will, muss nicht nur im Preisvergleich bestehen, sondern auch Kontinuität und ein starkes Image bieten. Wenn allerdings ein selbsternannter Flatrate-Vorreiter seinen Pauschaltarifen solch schwammig formulierte Grenzen setzt oder Vielnutzer pauschal des Missbrauchs verdächtigt, sieht das teilweise nach Willkür aus und führt unweigerlich zu einem Vertrauensverlust der Kunden.

"Mit attraktiven Komplettlösungen für Telefonie und Internet sowie der Einführung von preisaggressiven Flatrates hat Arcor den Telekommunikationsmarkt bestimmt und Zeichen gesetzt. Mit der Strategie aus den genau aufeinander abgestimmten Faktoren Produkt, Preis und Marktauftritt werden wir auch zukünftig eine der führenden Positionen im Markt [...] einnehmen", heißt es im angesprochenen Arcor-Infoblatt weiter. Vielleicht ist es an der Zeit, dass Arcor sich überlegt, wofür die eigene Marke eigentlich künftig stehen soll, mit der das Unternehmen sich von der Konkurrenz der Telefon- und Internetanbieter abheben will. Sonst könnten die Kunden ein Zeichen setzen.

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