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Editorial: Kassieren ohne Rechtsgrundlage

Merkwürdige Rückerstattungspraxis bei einigen Anbietern
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Abrechnungsfehler passieren leider. Mögliche Ursachen gibt es viele: Programmierfehler in der Software, vergessene Einstellungen im System oder Missverständnisse zwischen den beteiligten Personen. Da es immer Kunden gibt, die ihre Verbindungen genau protokollieren und die Telefonrechnung genauestens überprüfen, erfahren die Anbieter und bei gravierenden Fehlern auch die Medien relativ bald von dem Problem.

Nun sollte man meinen, dass die Anbieter daraufhin ihre Abrechnungssoftware bzw. die von dieser Software verwendeten Preise korrigieren und dann die alten Abrechnungssätze nochmal durchrechnen. Wurden dem Kunden fälschlicherweise zu hohe Beträge berechnet, werden diese mit der nächsten Rechnung erstattet - die Fairness gegenüber den Kunden verlangt dieses Vorgehen.

In der Praxis hat sich hingegen bei vielen Marktteilnehmern längst ein anderes Verfahren durchgesetzt: Erstattet wird nur, wenn der Kunde protestiert. Von den Kunden, die sich nicht melden, behält der Anbieter gnadenlos das zuviel gezahlte Entgelt ein, obwohl es ihm nicht zusteht. Zwar sind von diesem "Irrtumsgewinn" wieder die Kosten des manuellen Erstattungsverfahrens abzuziehen. Doch offensichtlich scheint sich die Sache zu lohnen, sonst würden nicht viele Anbieter so vorgehen.

Besonders fragwürdig ist es, wenn, wie jüngst bei contact.consulting geschehen, auch bei der Korrektur eines Abrechnungsproblems abermals Fehler zugunsten des Anbieters passieren. Wenn schon der erste Versuch der korrekten Bepreisung der Verbindungsdaten schief ging, dann sollte der zweite wenigstens sitzen. In Zusammenhang mit der Praxis, nur auf Kundenprotest hin zu erstatten, kann man bei solchen doppelten Problemen dann schon fast gar nicht mehr anders, als dem Anbieter Absicht zu unterstellen.

Anzeige fast zwecklos

Betroffene Kunden können außer der Anforderung der Korrektur ihrer Abrechnung dennoch fast nichts unternehmen. Anzeigen wegen Betrugs bringen regelmäßig nichts, weil der nötige Vorsatz den betroffenen Anbietern bzw. deren Mitarbeitern nicht nachgewiesen werden kann. Außerdem tendiert die Arbeit der Ermittlungsbehörden dazu, so langsam zu sein, dass selbst dann, wenn es tatsächlich zu einer Beschlagnahme von Daten kommt, die Verbindungssätze aus dem relevanten Zeitraum schon längst wieder gelöscht sind.

Wie jüngst schon in einem anderen Editorial in anderem Zusammenhang festgestellt, dürfte ein anderes Regelwerk hingegen deutlich schlagkräftiger sein als das Strafgesetzbuch: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (kurz UWG) sieht empfindliche zivilrechtliche Strafen, insbesondere Unterlassungsverfügungen und hohe Geldbußen bis hin zur Gewinnabschöpfung, bei solchem Fehlverhalten vor.

Der Haken: Nach dem UWG klagen können nur Wettbewerber oder bestimmte Organisationen mit Verbandsklagerecht, insbesondere die Verbraucherverbände. Wettbewerber tendieren jedoch nicht unbedingt dazu, einem anderen Unternehmen eine bestimmte Praxis gerichtlich verbieten zu lassen, wenn sie auch selber Vorteile von dieser Praxis haben könnten. Und die Verbraucherzentralen sind schon beschäftigt genug, als dass man von ihnen fordern könnte, bei jeder falschen Abrechnung von Tk-Dienstleistungen, die nicht automatisch allen betroffenen Kunden rückerstattet wird, jeweils Klage einzureichen.

Andererseits: Speziell die Deutsche Telekom ist von falschen Abrechnungen von Call by Call oder Internet by Call direkt mitbetroffen, denn in diesem Fall stehen die falschen Preise auf der Telekom-Rechnung. So mancher Kunde kann da nicht genau trennen und gibt vielleicht am Schluss sogar der Telekom die Schuld, dass er zu viel bezahlen musste. Setzt die Telekom es hingegen durch, dass korrekt abgerechnet wird, wertet sie so ihren Telefonanschluss und die damit verbunden Möglichkeiten von Call by Call und Internet by Call wieder auf - und kann damit vielleicht auch die Abwanderung zur Konkurrenz etwas bremsen. Von daher bleibt nur, der Telekom viel Erfolg beim Abmahnen von Konkurrenten mit fragwürdigen Abrechnungsmethoden zu wünschen.

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