vernichtet

Editorial: Erst Verbraucherschutz fordern - dann selbst torpedieren

Bundesrat will Laufzeitvirus bei DSL-Verträgen bekämpfen
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In der Drucksache 863/1/07 [Link entfernt] des Bundesrats haben die Ausschüsse für Fragen der Europäischen Union (EU), für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) diverse Empfehlungen für die Gestaltung künftiger EU-Richtlinien zur Telekommunikations-Regulierung abgegeben, die vergangenen Freitag dem Bundesrat in seiner Sitzung vorgelegt [Link entfernt] worden sind.

In dem Dokument wird insbesondere der Forderung nach einer europäischen Regulierungsbehörde eine klare Absage erteilt: "Der Bundesrat lehnt die Einrichtung einer Europäischen Behörde für die Märkte der elektronischen Kommunikation und die damit verbundene Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen auf europäischer Ebene ab." Der Ausschuss für Kulturfragen lehnt eine zentrale europäische Regulierungsbehörde zwar ebenfalls ab, formuliert diese Ablehnung als Entscheidungsalternative aber etwas zurückhaltender: "Der Bundesrat hält die Einrichtung einer Europäischen Behörde für die Märkte der elektronischen Kommunikation und die damit verbundene Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen auf europäischer Ebene für nicht sachgerecht."

Bei der Zuteilung von Frequenzressourcen soll laut Empfehlung "die Bedeutung des Rundfunks für die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung, Meinungsvielfalt und kulturelle Vielfalt [...] angemessen berücksichtigt" werden. Anscheinend wird befürchtet, dass zu große Teile der digitalen Dividende den Mobilfunkern zugeschlagen wird. Dass diese über die neuen Frequenzbänder vor allem breitbandige mobile Internetzugänge und damit letztendlich auch Rundfunk realisiert werden soll, ist dem Gremium anscheinend nicht so bewusst. Ebenso tragen aber auch individuelle Handytelefonate zu Meinungsbildung, Meinungsvielfalt und kultureller Vielfalt bei - wahrscheinlich sogar mehr, als das Programm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender oder die Casting-Shows der privaten Kanäle.

Keine Mindestlaufzeiten mehr - aber nur für einen!?

An der Drucksache 862/1/07 [Link entfernt] , die Empfehlungen bezüglich der Regelungen zum Verbraucherschutz in einer künftigen EU-Richtlinie zur Telekommunikation enthält, hat neben den oben zitierten Ausschüssen auch der für Verbraucherfragen zuständige Agrarausschuss mitgearbeitet.

Laut Empfehlung begrüßt der Bundesrat insbesondere "die Absicht der Kommission [...], einen umfassenden Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten [...] zu gewährleisten." Dem kann man sich nur anschließen. Man sollte aber nicht verkennen, dass die EU mit einer Richtlinie auch den Anstoß zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung gegeben hat.

Vor allem aber werden Verbesserungen beim Verbraucherschutz gefordert. Insbesondere die inzwischen auch bei DSL übliche lange Laufzeit von 24 Monaten wird kritisiert. So kann es sein, dass Kunden weiterhin zahlen müssen, obwohl sie den Anschluss gar nicht mehr benötigen. Und bei schlechter Performance des Anbieters, die den Kunden nervt, aber keine fristlose Kündigung rechtfertigt, bleibt der Kunde quasi gefangen. Alles sehr richtige Argumente des Agrarausschusses, die auch schon von teltarif.de gegen das Laufzeitvirus angeführt wurden.

Doch bei dem vom selben Ausschluss vorgeschlagenen Umsetzungsweg fragt man sich dann doch, ob der Ausschuss überhaupt in der Materie steckt: "Die Mitgliedstaaten sollen daher dafür sorgen, dass im Rahmen der Grundversorgung [...] zumindest ein Unternehmen einen Zugang mit angemessenen Mindestvertragslaufzeiten und Kündigungsfristen anbietet". Wenn lediglich ein Unternehmen einen Zugang ohne Laufzeit anbietet, dann hilft das überhaupt nicht gegen das Problem, denn die meisten Kunden werden angesichts der Tarifvielfalt in einem anderen Tarif hängen, der dann doch wieder eine lange Laufzeit hat!

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