verkalkuliert

Editorial: Kein Extra-Geld fürs Edel-Fernsehen

Deutsche Telekom verspekuliert sich mit "Entertain"
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Premium-Kunden sind wählerisch: Während sie in großer Zahl Apples iPhone kaufen und Apple damit binnen kurzer Zeit - gemessen am Umsatz, nicht an den Stückzahlen - zum drittgrößten Handy-Hersteller weltweit aufsteigen ließen, liegen die Receiver für T-Home Entertain, das Edel-Fernsehen der Deutschen Telekom, wie Blei in den Regalen. Wiederholt mussten die Erwartungen nach unten korrigiert werden.

Woran liegt's? Zwar ist der Fernsehkonsum in Deutschland leicht rückläufig, aber auf hohem Niveau. Und teure LCD- und Flachbildschirme beweisen zudem, dass die Kunden durchaus bereit sind, für dieses Medium auch Geld auszugeben. Zudem bietet Entertain etliche Features, wie eine senderübergreifende Programmübersicht, Aufzeichnung von Programmen in HD-Qualität inklusive Time-Shift oder den Abruf zahlreicher Spielfilme, die eine Kundenschicht mit gutbezahltem Job aber wenig Freizeit durchaus darin unterstützt, ihre Fernsehzeit optimal zu gestalten.

Nun profitieren viele Luxusprodukte von viralem Marketing: Man sieht sie bei einem Kollegen oder Geschäftspartner, findet sie gut und möchte sie auch haben. Ein iPhone (oder früher ein Blackberry oder noch früher ein Palm-PDA) wird mehrfach am Tag gezückt, um schnell mal was nachzuschauen. Auf einer Konferenz, am Flughafen oder im Zug bildet sich dann schnell ein kleines Grüppchen bewundernder oder neidischer Zuschauer. Im Vergleich dazu deutlich seltener lädt man Kollegen oder Geschäftspartner zu sich nach Hause ein. Und oft ist der Fernseher genau dann aus, schließlich gibt es wichtigeres zu besprechen. Entsprechend selten sind die Gelegenheiten für Entertain-Empfehlungen.

Auch steht die "Deutsche Telekom" nicht gerade für Innovation und Benutzerfreundlichkeit. Zwar dürfte die Mehrzahl der Deutschen die Telekom weiterhin für den hierzulande kompetentesten und in vieler Hinsicht auch leistungsfähigsten Telekommunikationsanbieter halten, aber auch für etwas altbacken und unflexibel.

Partnerschaft?

Folglich könnte der Konzern profitieren, wenn er einen im Medienbereich erfolgreichen Partner findet, der dem Produkt einerseits den letzten Schliff gibt, und es zum anderen unter seinem Namen anbietet. Damit würde die Telekom zwar von den Umsätzen pro Kunde weniger abbekommen, durch die deutlich höheren Kundenzahlen und den geringeren eigenen Marketing-Aufwand könnte es sich unterm Strich aber dennoch rechnen.

Ebenso sollte die Telekom abermals darüber nachdenken, den schnellen VDSL-Internetzugang nicht im Zwangspaket mit Entertain, sondern auch einzeln anzubieten. Der Kunde kann dann selber entscheiden, welche Inhalte er über die schnellen Leitungen streamt. Zwar würde ein VDSL-Angebot sofort den Regulierer auf den Plan rufen und die Telekom zu entsprechenden Vorleistungsangeboten an die Wettbewerber zwingen. Doch bliebe die Wertschöpfung der Telekom auf jeden Fall hoch, denn die Wettbewerber müssten für eigene VDSL-Zugänge nicht nur die Telekom-Kabel mieten, sondern komplette Anschlüsse. Beim aktuellen Status Quo stehen hingegen zahlreiche VDSL-Anschlusskästen mehr oder weniger ungenutzt in der Landschaft herum, was weder Anleger noch Kunden der Deutschen Telekom glücklich macht.

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