Abhängig

Editorial: Portal abgeschaltet, Gerät unbrauchbar

Wenn das Internetradio plötzlich kein Internetradio mehr spielt: Viele Geräte sind von Medienportalen der Hersteller abhängig. Deren Verfügbarkeit ist leider alles andere als garantiert.
Von

Editorial: Portal abgeschaltet, Gerät unbrauchbar Editorial: Portal abgeschaltet, Gerät unbrauchbar
Bild: dpa
Bei immer mehr elektronischen Produkten sind vom Hersteller bereitgestellte Onlinedienste oder Portale wichtiger integraler Bestandteil des Produkts. Was ist schon ein Smartphone ohne Appstore, ein Smart-TV ohne Medienportal oder ein Navigationsgerät ohne Kartenupdates? Doch trotz der Abhängigkeit der Produkte von den Online-Diensten garantieren die Hersteller in den seltensten Fällen mit der Auslieferung des Produkts die dauerhafte Verfügbarkeit des Portals. Im Gegenteil, wenn in den AGB von den Portaldiensten die Rede ist, dann meist im Kontext mit Formulierungen wie "kann inhaltlich verändert werden", "künftig kostenpflichtig" oder gar "kann eingestellt werden".

So lange es den Herstellern gut geht, ist die Abhängigkeit von den Herstellerportalen meist kein Problem. Schließlich haben die Hersteller ein Interesse daran, die Kunden bei der Stange zu halten und dafür die Portale weiterzubetreiben. Doch wenn der Hersteller in wirtschaftliche Schieflage gerät oder zumindest bestimmte Produktlinien wegen mangelnder Rentabilität einstellt, dann steht der teure Portal-Betrieb ebenfalls meist auf dem Prüfstand. Reicht das Geld dafür nicht mehr, dann stehen die Bestandskunden plötzlich ohne Inhalte da.

Editorial: Portal abgeschaltet, Gerät unbrauchbar Editorial: Portal abgeschaltet, Gerät unbrauchbar
Bild: dpa
So geschah es jüngst bei über 100 verschiedenen Bluray-, Home-Theatre und Media-Playern der Marke Phillips, die bisher das Smart-TV-Portal von Philips, "NetTV", nutzen konnten, dann aber im Februar plötzlich ausgesperrt wurden. Grund ist, dass die Philips-Tochter Woox, die diese Produkte hergestellt hatte, an einen Investor verkauft wurde. Dieser will aber offensichtlich nicht mehr für den Zugang zum Philips-Portal bezahlen. Ein ähnliches Problem hatten im Herbst vergangenen Jahres auch Nutzer von WLAN-Radios von Sony, als sie plötzlich kein Internet-Radio mehr hatten, weil sich Sony mit dem bisherigen Portalbetreiber nicht über die Verlängerung des Vertrages einigen konnte.

Nun stellt sich die Frage, wie wichtig bei einem Bluray-Player der Internetzugang ist. Die Hauptfunktion des Players - das Abspielen von Blurays und DVDs - wird von der Abschaltung des Portals ja nicht beeinträchtigt. Nur die Zusatzfunktion - Medien auch aus dem Internet abspielen zu können - geht verloren. Nur: Wenn die Kunden diese Zusatzfunktion komplett nutzlos und entbehrlich finden würden, würden die Hersteller diese gar nicht erst einbauen und als Verkaufsargument nutzen. Nur sollen diese Zusatzfunktionen nicht viel kosten. Und da die Prozessoren der meisten Medienabspieler nicht leistungsstark genug sind, um direkt auf die Webseiten von Youtube, Netflix und Co. zugreifen zu können, werden die Herstellerportale zur Datenvorverarbeitung zwischengeschaltet. Fällt dann aber das Herstellerportal aus, ist der komplette "Internetzugang" des so verdongelten Gerätes unbrauchbar geworden.

Nicht überall, wo "Internet" draufsteht, ist auch "Internet" drin

Was lernen wir? Nun, nicht überall, wo "Internet" draufsteht, ist auch das drin, was nach wie vor die meisten Nutzer unter "Internet" verstehen, nämlich ein ausreichend leistungsfähiger und regelmäßig mit Updates versorgter generischer Browser. Ungünstigerweise erkennt der Nutzer das im Regelfall erst, wenn es zu spät ist, sprich, wenn die Portalserver aus welchem Grund auch immer abgeschaltet worden sind. Um die Abhängigkeit von diesen Drittservern schon vorher zu erkennen, müsste man in der Regel den IP-Datenstrom des Medienabspielers untersuchen - doch wer tut das überhaupt?

Da selbst Geräte von Markenherstellern wie Sony vom plötzlichen Portal-Aus betroffen waren, gibt es auch kaum Ratschläge, die man diesbezüglich den Verbrauchern mitgeben kann. Sicherlich ist die Gefahr, dass ein Dienst plötzlich eingestellt wird, bei kleineren und weniger erfolgreichen Herstellern größer als bei den jeweiligen Marktführern. Doch wenn die Kunden aus Angst, dass ihre Geräte andernfalls vorzeitig abgeschaltet werden könnten, nur von den Marktführern kaufen, dann fördert das die Monopolisierung weiter und treibt die Preise.

Einen Tipp kann man jedoch definitiv geben: Wer verhindern will, dass seine bezahlten Downloads (z.B. E-Books, Musik, Videos oder Spiele) durch Portalabschaltung verloren gehen, der sollte nur DRM-freie Dateien erwerben. Freilich wird auch das immer schwieriger. Außer vielleicht noch bei Audio-MP3s bekommt man nämlich so gut wie keine DRM-freien Inhalte mehr. Das ist sehr schade.

Weitere Editorials