Katastrophenlage: Impuls für regionales Roaming?
Gerade bei Katastrophenlagen sind funktionierende Netze wichtig. Würde Roaming helfen?
Foto: Picture-Alliance / dpa
Wer aktuell in den Katastrophengebieten unterwegs ist, hat immer wieder einmal keine Handyverbindung. Das liegt daran, dass einige Funkstationen noch inaktiv sind. Mit Antennen anderer Anbieter verbindet sich das Handy normalerweise nicht - das dürfte vorerst auch so bleiben, außer im Falle eines Notrufes mit der Kurzwahl 112.
Vodafone schlägt Netzöffnung vor
Gerade bei Katastrophenlagen sind funktionierende Netze wichtig. Würde Roaming helfen?
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Mit Blick auf Funklöcher in den Unwettergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat der Mobilfunkanbieter Vodafone vorgeschlagen, dass die Telekommunikationsbranche sich gegenseitig ihre Netze öffnen. "Wir wären bereit dazu", sagte ein Vodafone-Sprecher in Düsseldorf. Das hieße, dass Kunden der Konkurrenz mit dem Vodafone-Netz verbunden würden, wenn ihr Anbieter keine funktionierenden Antennen in Reichweite hat. Für diese Netzöffnung ist klar: "Es braucht die Zusammenarbeit aller drei Netzbetreiber, um wirksames regionales Roaming für die Menschen im Krisengebiet zu ermöglichen."
Mitbewerber skeptisch
Sprecher der anderen beiden Netzbetreiber, der Deutschen Telekom und von Telefónica (o2), äußerten sich auf Nachfrage der Deutschen Presseagentur (dpa) zurückhaltend. Man stehe im Austausch mit den anderen Netzbetreibern und erörtere, "was technisch möglich und sinnvoll ist, um den Menschen vor Ort möglichst schnell zu helfen", sagte ein Telekom-Sprecher. Telefónica äußerte sich ähnlich.
Für alle Beteiligten hat der Wiederaufbau der eigenen Anlagen allererste Priorität - die Techniker der drei Netzbetreiber sind seit Tagen in den Katastrophengebieten unterwegs und arbeiten mit großem Einsatz an der Verbesserung ihrer Netze.
Gespräche über Roaming laufen
Teilnehmerkreisen zufolge ist es aber völlig offen, ob solche Gespräche zum Erfolg führen. Von Telefónica hieß es, "die sehr komplexe und zeitlich aufwendige Implementierung" von Roaming wäre in den Katastrophengebieten "nur gemeinschaftlich durch alle Netzbetreiber zu realisieren".
Konsens: Wie Du mir, so ich Dir
Das ist Konsens in der Branche: Wenn einer der drei Netzbetreiber sein Netz öffnet, müssten die beiden anderen das auch tun. Denn täte die Konkurrenz es nicht, würde ihm eine Überlastung seines Netzes drohen. Die Antennen seien auf die Bedarfe der jeweiligen Netzbetreiber ausgerichtet, sagt der Telekom-Sprecher. "Wenn nun auf eine Antenne auf einmal das Dreifache an Kunden zugreifen würden, dann würde diese Antenne keine ausreichende Kapazität mehr bieten." Dafür seien die Netze nicht ausgelegt.
Der Sprecher des Bonner Konzerns lässt Zweifel erkennen, ob so ein kurzfristiges Katastrophengebiet-Roaming überhaupt eine große Verbesserung brächte. Denn wenn ein Ort verwüstet ist und die Stromversorgung dort noch immer nicht funktioniert oder wenn Kabeltrassen über Brücken zerstört sind, dann betreffe das alle Anbieter gleichermaßen, sagte er. Oft nutzen Telekom, Vodafone oder Telefónica den gleichen Standort. Ist der "weg", hilft das nationale Roaming nichts.
Technisch anspruchsvoll
Klar ist, dass ein Katastrophengebiet-Roaming technisch anspruchsvoll wäre und Vorbereitungs-Zeit brauchen würde - einfach den Hebel umlegen geht nicht. Durch die Unwetter gingen insgesamt mehrere Hundert Mobilfunkstationen vom Netz, inzwischen sind die meisten aber wieder in Betrieb. Der Wiederaufbau der Stationen macht nach Bekunden der Netzbetreiber große Fortschritte. Auch vor diesem Hintergrund dürfte sich der Vorschlag für ein Katastrophengebiet-Roaming vermutlich bald erledigt haben.
Sogar der Vodafone-Sprecher, der sich bei dem Thema am meisten vorgewagt hat und die Öffnung des Vodafone-Netzes explizit in Aussicht gestellt hat, sagt: "Die Reparaturen schreiten bei allen Anbietern schnell voran, sodass es fraglich ist, ob ein dann aktiviertes Roaming noch Mehrwert liefern wird."
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Man könnte im Netz die Prüfung, ob ein Kunde berechtigt ist, vielleicht kurzfristig einfach ausschalten. Dann könnten "fremde" Kunden abgehend telefonieren, wären aber nicht erreichbar. Die Gespräche und Datenmengen dieser "Fremden" bliebe unberechnet. Das Gebiet, wo "fremde" Kunden reindürften, wäre vermutlich größer als das Katastrophengebiet. Die Gefahr einer Überlast im "stärksten besuchten" Netz ist durchaus hoch.
Man könnte gezielt bestimmte Rufnummern (SIM-Karten) definieren, die sich bei der Konkurrenz einbuchen dürfen. Diese Nummern müssten aber erst einmal dem gastgebenden Netz bekannt gegeben werden. Das wäre eine Lösung, die sich für Rettungs- und Hilfskräfte anbieten würde.
Man könnte den Helfern und Leuten in den Katastrophengebieten auch ausländische Karten geben. Das Handy würde dann das stärkste verfügbare Netz erwischen und dort aber verharren, bis die Verbindung komplett "weg" ist. Ein Handover während eines wichtigen Telefonates gäbe es hier nicht.
Oder man sollte mal - in aller Ruhe - über eine nationale Roaming-Option nachdenken. Wenn der Kunde eines Netzbetreibers X im Netz von Y oder Z roamen möchte, muss er bei X das beantragen und dort dafür einen einmaligen oder regelmäßigen Aufpreis (pro Minute, pro SMS oder pro MB) entrichten. X liefert die Daten dann an die Netze Y oder Z und teilt denen so mit, wer "berechtigt" ist und wer nicht. Die Netze Y oder Z "wissen Bescheid" und können sich darauf einstellen. Der Kunde von X ist nun auch in den Netzen Y oder Z erreichbar. Wie so etwas funktionieren kann, haben Telekom und VIAG-Interkom (o2) jahrelang erfolgreich praktiziert.
Das nationale Roaming gegen Aufpreis hätte später in "ruhigen" Zeiten" folgenden Effekt: Netze, die besser versorgen und dichter ausbauen, bleiben weiter attraktiv und könnten durch den Aufpreis auch von Leuten genutzt werden, die sich das nur zu bestimmten Zeiten oder Anlässen leisten wollen oder müssen.
Das wäre eine spannende Aufgabe, die in aller Ruhe in Angriff genommen werden sollte. Die nächste Schadenslage kommt bestimmt.
In Angriff genommen wurde Gigabit für Deutschlands Schulen. Und selbst das dauert "gefühlt ewig".