Tonkunst

Klassische Musik bei Streaming-Diensten

Gestreamt wird nicht nur Pop oder andere moderne Richtungen, sondern auch klassische Musik. Aber Audiophile haben anspruchsvolle Hörgewohnheiten. Wir haben daher drei große Dienste getestet und erlebten Überraschungen.
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Freunde der populären Musik werden von einer Vielzahl von Streaming-Diensten umworben. Doch wie ist es um anspruchs­vollere Audiophile bestellt, die gerne klassische Musik hören? Lohnt sich ein Streaming-Abonnement auch für sie? Wir haben anhand einer großen Zahl von Referenz­aufnahmen getestet, wie gut die Auswahl an Tonkunst der vergangenen Jahr­hunderte bei den Streaming-Diensten ist. Dabei liegt der Schwer­punkt nicht nur auf den Werken der großen, bekannten Komponisten. Wir haben bewusst auch Kompositionen von Künstlern ausgewählt, die nicht jedem sofort geläufig sind. Wichtig war zudem, dass es sich dabei um Einspielungen hoher Qualität handelt. Die gesamte Auflistung der über­prüften Werke sehen Sie auf der letzten Seite in einer Tabelle.

Die Mischung macht's

Jeder der getesteten Streaming-Dienste listet als Rückgrat seines Angebots eine Vielzahl von (billigen) Kompilationen und bewirbt diese in auffälligen Rubriken (z.B. "Top-Alben", Neuheiten, Alben...). Geht man jedoch in die Tiefe, zeigt sich ein differenziertes Bild. So finden wir keinen Komponisten, von dem kein Werk verzeichnet ist. Erfreulich ist auch, dass die deutliche Mehrzahl der Referenz­aufnahmen tatsächlich auffindbar sind. Die Unterschiede zwischen den Streaming-Diensten liegen im Detail.

Suchfunktionen und Metadaten

Wenig gefiel uns die Suchfunktion der Dienste, diese sind derzeit in jedem Fall verbesserungs­bedürftig. Schon wegen der meist dürftigen Metadaten ist es nicht einfach, genau die richtige Einspielung zu finden. Insbesondere bei Kompilationen ist häufig nicht verzeichnet, wer Interpret, Dirigent, Orchester, Bearbeiter oder Komponist des Werks ist. Bei allen Diensten besteht daher Nachbesserungsbedarf bei den Metadaten. So wäre es daher wünschenswert, eigene Spalten für Werksnummer, Satz­bezeichnung, Komponist, Interpret und Solist einzuführen, um die Suche zu erleichtern.

Die Suchfunktionen aller Dienste verfügen über keine Sortierungs­möglichkeit. Ein Nachteil stellt dies insbesondere bei Festival-Mitschnitten (z.B. der Bayreuther Festspiele) dar. Möchte man einen eher aktuellen Mitschnitt anhören, muss man sich durch eine sehr große Zahl von Alben scrollen. Hier gereicht der große Umfang des Musik-Katalogs zum Nachteil des Nutzers.

Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Schreib­weise von Personen­namen. Dies fängt beim Renaissance-Komponisten Orland di Lasso (auch: Orlando de Lassus) an und hört bei Strawinski (auch: Stravinski) nicht auf. Selbst diese kleinen Diskrepanzen stellen für manche Dienste bereits eine Schwierigkeit dar. Zum einen versagt dadurch oft die Such­funktion, zum anderen existiert häufig für jede Schreibweise eines Namens eine eigene Künstlerseite mit "Diskographie". Wird man des Weiteren mit einem Suchwort nicht fündig, empfiehlt sich die Verwendung des englischen Begriffes, da viele Alben nicht auf deutsch gelistet sind. Die meisten Albentitel sind in englischer Sprache aufgenommen, nur manche wurden ins Deutsche übersetzt bzw. original­sprachlich mit englischem Zusatz­titel gehalten.

Solche und andere Mankos könnten durch das Coverbild kompensiert werden. Diese fallen bei den Diensten jedoch meist zu klein aus und sind nicht immer lesbar. Es fehlen zudem immer die bei den CDs beliebten Booklets mit grundlegenden Informationen zur Einspielungs­geschichte.

Genreeinteilung und Rubriken

Spotify im Browser Oberflächlich keine schöne Auswahl: Billige Sampler bestimmen das Bild. Die akustischen Schätze liegen tiefer.
Screenshot: teltarif.de
Liebhaber klassischer Musik werden von keinem der getesteten Dienste umworben. In der Regel sind in der Rubrik der Neu­erscheinungen Alben eingemischt, die eher dem Genre der Populär­musik zuzurechnen sind, so derzeit häufig Lindsey Stirlings "Shatter Me" oder die zahlreichen Alben des beliebten Violinisten und Frauenschwarms David Garrett. Hierdurch wird also eine eher junge Zuhörer­schaft angesprochen. Für Klassik­freunde mit klaren Vorstellungen sind auch die Playlisten wenig ansprechend. Enthalten ist meist die übliche wilde Mischung quer durch alle Epochen, Gattungen und Interpreten. Einzig Apple gibt sich mit der lernfähigen Funktion "Für Dich" Mühe, den Musikgeschmack des Hörers zu treffen. Ansonsten unterscheiden sich die Genre­einteilungen und Rubriken bei allen Diensten nur marginal. Dies hat auf der anderen Seite den Vorteil, dass man sich beim Wechsel eines Anbieters schnell zurecht findet.

Auf der folgenden Seite lesen Sie, was uns an Spotify besonders gefallen hat, wo der Dienst aber auch deutliche Lücken zeigte.

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