TKG-Novelle

Kostenlose Warteschleife kann zur Kostenfalle werden

Gesetz zum Schutz der Verbraucher kann Servicewüste zur Folge haben
Aus Hamburg berichtet Thorsten Neuhetzki

Eine Alternative wäre die Umstellung auf lokale oder 0800-Nummern. Hier ergeben sich die Probleme nicht, da lokale Festnetznummern so wie auch Mobilfunknummern oder Nummern, die pro Anruf abgerechnet werden (01802, 01804 nur aus dem Festnetz) von den Regelungen ausgenommen sind. Für die betreffenden Firmen ist das jedoch auch eine - aus Sicht des DVTM - hohe Hürde. Denn alle Kunden müssten über die neuen Nummern informiert werden, jegliche Unterlagen und Werbeformen - und sei es nur das Auto mit der Firmenwerbung - müssten geändert werden. Die Kosten für diese Umstellungen und die ausbleibenden Einnahmen auf den Sondernummern würden die Firmen dann an anderer Stelle durch höhere Produktkosten kompensieren. Die Servicenummern-Branche ist durchaus interessiert, die Probleme auch im Sinne der Verbraucher zu lösen. "Die Zeit, die wir dafür haben, ist jedoch sehr sehr knapp", so Kühl. Nach aktuellem Stand wird zum 1. April 2013 die zweite Phase der Novelle eingeläutet, bei der auch kostenlose Wartefelder in einer Verbindung kostenlos sein müssen. Eine bis dahin mögliche Umstellung von 0180-Nummern auf Offlinebilling aus dem Festnetz wäre ein Kraftakt. Sämtliche Teil­nehmer­netz­betreiber, Verbindungs­netzbe­treiber und Service­nummern­anbieter müssten ihre Abrechnungssysteme zu einem Stichtag umstellen. Viele dieser Systeme sind für Offline-Billing in diesem Ausmaß jedoch nicht ausgelegt. Zudem müsste geklärt werden, wie der Nummern-Betreiber davon erfährt, dass der Agent im Callcenter gerade einen Anruf in die Warteschleife gelegt hat, um diesen Gesprächsteil dann aus der Berechnung zu nehmen. In modernen, IP-basierten Callcenter wäre das möglich, bei kleineren Mittelständlern allerdings nicht.

Mobilfunkverbindungen bleiben ein Problem bei Service-Nummern

Callcenter können die TKG-Novelle technisch noch gar nicht umsetzen Callcenter können die TKG-Novelle technisch noch gar nicht umsetzen
Foto: dpa
Mit einem Offline-Billing im Festnetz wäre aber noch nicht das Mobilfunk-Problem gelöst. Mit einem Online-Billing wäre es nicht machbar, nachgelagerte Warteschleifen kostenlos anzubieten. Das wiederum hieße, dass Mobilfunkanbieter entweder gar nicht mehr zu Sonderrufnummern vermitteln oder die Nummerninhaber sagen, dass sie keine Anrufe aus Mobilfunknetzen entgegennehmen. Das ist heute bei 0800-Nummern schon üblich, weil die Inhaber die höheren Kosten aus den Mobilfunknetzen scheuen. Alternativ müsste der Mitarbeiter im Callcenter unterscheiden, ob ein Anruf aus dem Festnetz kommt und eine Weitervermittlung (bei Offline-Billing) möglich wäre oder ob der Anruf aus dem Mobilfunk kommt und wegen des Online-Billings keine Weitervermittlung möglich ist. Wer gegen die Regeln verstößt, kann mit 100 000 Euro Strafe zur Rechenschaft gezogen werden - für einen kleinen Mittelständler eine enorme Belastung, die unter Umständen das Aus bedeuten kann.

Erste Probleme sind allerdings dennoch schon im April zu erwarten. Der sogenannte verzögerte Connect, also die 120 Sekunden kostenlose Warteschleife, die über einen technischen Trick realisiert wird, muss erst einmal auf allen Telefonanlagen und bei allen Netzbetreibern implementiert werden. Problematisch wird dies aber unter Umständen bei Firmen, die auch Callcenter im Ausland betreiben. Dann sind nicht nur alle deutschen Netzbetreiber von dem Problem betroffen, sondern beispielsweise auch die türkischen, die das Callcenter einer Airline in Istanbul bedienen - unter einer deutschen Service-Nummer. Noch eine Spur komplizierter wird es dann, kommt der Anruf zur deutschen Service-Nummer aus dem Ausland. Was in diesem Fällen passiert - hier musste selbst der Experte, der sich seit vielen Monaten mit dem Thema beschäftigt, die Hände heben.

Kommentar von Redakteur Thorsten Neuhetzki
Redakteur Thorsten Neuhetzki Nie mehr für eine Warteschleife zahlen - ja, das klingt wahrlich gut für Kunden, die schon viele Euro für Wartemusik bezahlt haben. Zigmal auf die Wahlwiederholung drücken, Nummern nicht anrufen können, keine in der Sache kompetenten Mitarbeiter mehr ans Telefon zu bekommen - das klingt weniger gut. Doch es könnte schon bald Realität werden. Hier hat die Politik eindeutig nicht zu Ende gedacht, und das nachträgliche Streichen der Bagatell-Grenze macht mehr Probleme als es Nutzen bringt.

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