Naka-Roaming-SIM-Karten: Deutsche Rufnummern gestört
Einige Roaming-SIMs haben Funktionseinschränkungen - Kunden wurden nicht informiert.
Foto: Telefónica
In Zeiten vor Corona waren Roaming-SIM-Karten ein probates Mittel, um die teilweise nach wie vor hohen Roaming-Tarife der heimischen Standard-SIM-Karten zu umgehen, insbesondere bei Reisen außerhalb der EU.
Pioniere aus Liechtenstein
Einige Roaming-SIMs haben Funktionseinschränkungen - Kunden wurden nicht informiert.
Foto: Telefónica
Ein Pionier war seinerzeit das Liechtensteinische Unternehmen "United Mobile", das sein Geschäftsmodell darauf begründete, dass man Liechtensteiner Premium-Rufnummern verwendete und aus den Einnahmen für ankommende Anrufe ganz gut leben konnte. Da in dieser Nummerngasse logischerweise auch "Rotlicht-Anbieter" unterwegs waren, gab es Beschwerden und eine zeitweise Nichterreichbarkeit dieser Nummern, die mit +423 663 begannen. Bald änderte die Liechtensteiner Fernmeldeverwaltung die Regeln, United Mobile wich mit seinem Nummernpool auf die Insel Jersey aus, bevor sie finanziell untergingen.
Von United-Mobile zu Nakamobile
E-Plus? Das Telefon kennt 262-03 als E-Plus
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Ehemalige Mitarbeiter von United-Mobile gründeten Nakamobile mit Sitz in der Schweiz und HongKong. Nakamobile belieferte zahlreiche Marken wie Lufthansa SIM, Swiss SIM, drimsim (Zielgruppe Russischer Markt), Cerafon (zur Zeit nicht lieferbar), Pilote-SIM oder FreetimeTelecom und einige andere Marken oder Vertriebsunternehmen mit ihren Roaming-SIM-Karten, die speziell für Fernreisende interessant waren und es auch noch sind.
Eine Karte - mehrere Rufnummern
Zu einer Jersey-Island-Rufnummer mit den Vorwahlen +44 7509 oder +44 7937 konnte man nun auch z.B. eine Deutsche Rufnummer im Netz von E-Plus (heute o2) dazu geschaltet bekommen, damit war die Karte eigentlich ideal. In Deutschland galten die deutschen Basis-Tarife mit meist 11 Cent pro Minute. Ankommende Anrufe kosteten im Inland und im EU-Ausland nichts.
Der ursprüngliche Kern der Karte beruhte auf Call-Back, bald war auch Direktwahl möglich. Wer sich mit Call-Back nicht mehr so auskennt: Dabei wird per USSD-Code oder per SMS ein Rückruf aus dem Herkunftsland der Karte ausgelöst, der meist günstiger ist, als selbst abgehend zu Tarifen des besuchten Netzes zu telefonieren.
Nakamobile mit deutscher Vorwahl
Die Roaming-SIM (hier Freetimetelecom) informiert beim Einbuchen über den gültigen Tarif.
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Die Naka AG hatte sich sogar bei der deutschen Bundesnetzagentur eine eigene Vorwahl (015050) reservieren lassen, die aber - nach unseren Informationen - nie in den Wirkbetrieb ging - vermutlich, weil die Interconnect-Verhandlungen mit den deutschen und internationalen Carriern sehr kompliziert und teuer geworden wären.
Sehr altes Rufnummernabkommen
Ein ursprünglich von United-Mobile abgeschlossenes Rahmenabkommen über eine Rufnummernnutzung bei E-Plus überlebte den Übergang von United-Mobile zu Nakamobile und die Fusion von E-Plus mit o2. Die vergebenen Nummern "lagern" heute bei dem Unternehmen "Voiceworks", das einst unter dem Namen OnePhone gegründet wurde. VoiceWorks kümmert sich um Geschäftskunden, die in ihre Firmentelefonanlage gerne auch Handys einbuchen möchten, d.h. es gibt keinen Unterschied mehr zwischen dem Tischapparat im Büro und dem Handy unterwegs, alle Geräte können eine Festnetzrufnummer haben, ankommend und abgehend.
Verkauf über Fluglinien, Reisebüros und Spezial-Anbieter
SIM-Services - das SIM-Toolkit-Menü, ein Relikt aus der 2G-Welt, aber sehr leistungsfähig
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Nakambile trat mit Endkunden nie in direkten Kontakt, sondern verkauft(e) seine SIM-Karte über die Lufthansa (und deren Tochter Swiss), die sie Reisenden auf ihren Flügen anbot, andere Marken warben bei bestimmten ethnischen Zielgruppen.
Irgendwie lief die Geschichte, große Stückzahlen dürfte es nicht gegeben haben. Dabei waren diese SIM-Karten einst hoch interessant. Man kann beispielsweise eine polnische oder niederländische oder spanische Rufnummer für 1 Euro pro Monat dazu schalten, sogar eine US-Rufnummer gab es z.B. bei Freetimetelecom anfangs noch kostenlos dazu. Im Laufe der Zeit verschwand die US-Nummer ohne Vorwarnung, auf Nachfrage hieß es, dass es hier ein "Issue mit dem US-Provider" gegeben habe.
Deutsche Nummern schon einmal gestört
Dann war es beispielsweise bei dem Nakamobile Ableger "FreeTimeTelecom" zu Problemen gekommen, weil die auf der SIM-Karte befindliche IMSI von o2 nicht mehr funktionierte. Das ließ sich durch Änderungen im SIM-Toolkit-Menü durch den Kunden beheben. Die Hotlines von Lufthansa SIM gab anfragenden Nutzern den richtigen Hinweis.
Deutsche Nummern seit Monaten nicht nutzbar
Man schickt Zahlen als SMS und hangelt sich so durch zig Untermenüs. Das erfordert etwas Geduld
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Doch seit einigen Monaten meldet sich bei Anruf der deutschen o2-Rufnummer (meist unter 01577-7xxxxxx) niemand mehr. Der Anruf geht ins Leere, sofern der aus dem o2-Netz kommt, erhält man relativ spät die Ansage "Ihr Anruf kann zur Zeit nicht durchgestellt werden, bitte versuchen Sie es später noch einmal", und dann auf englisch. Anrufe aus dem Telekom- oder Vodafone-Netz zu einer solchen Rufnummer enden irgendwann mit einem kommentarlosen Abbruch.
Damit sind die SIM-Karten auch abgehend oft nicht nutzbar, sofern man nicht das Profil im SIM-Toolkit-Menü (STK) ändert und mit der EU-SIM oder der ORIS-Kennung arbeitet. ORIS steht für Orange Israel, dem früheren Namen des Netzbetreibers Partner Israel .
Abgehende Rufnummer einstellen
Hat man diese Klippe umschifft, wird abgehend weiter die deutsche Rufnummer signalisiert, was natürlich wenig bringt, da sie nicht (mehr) erreichbar ist. Auch das lässt sich ändern. Die Einstellungen finden im SIM-Tool-Kit-Menü statt, wobei die Verwendung eines "älteren" Handys von Vorteil ist, da manche modernen Smartphones mit den früheren SIM-Toolkit nicht mehr so richtig klarkommen. Interessant ist das SIM-Tool-Kit-Menü "Zusätzliche Einstellungen". Es werden Auswahl-Ziffern als SMS ans einen Steuer-Rechner geschickt, der mit weiteren Menüs antwortet, die wiederum mit Zahlen beantwortet werden müssen.
Freetimetelecom: NL-Rufnummer in Echtzeit geschaltet
Man schickt Zahlen als SMS und hangelt sich so durch zig Untermenüs. Das erfordert etwas Geduld
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Wir haben bei einer Freetimetelecom-Karte testweise eine niederländische Rufnummer über das Web-Kundenportal aktiviert. Das geschah in Echtzeit, direkt nach dem Mausklick konnte die Rufnummer aus dem deutschen Festnetz der Telekom erreicht werden. Umgekehrt ließ sich im SIM-Toolkit-Menu sofort die niederländische Rufnummer als abgehend einstellen.
Was ist mit der deutschen Nummer? - Nachfragen landen im Leeren
Warum funktioniert die deutsche o2-Rufnummer bei den Nakamobile-Varianten nicht mehr? Unsere Nachfrage bei Nakamobile wurde bislang nicht beantwortet. o2 teilte uns mit, dass für diese o2-Rufnummern der Dienstleister "Voiceworks" zuständig sei, doch von dort erhielten wir auch keine Antwort.
Der Vertreter von Freetimetelecom bestätigte uns, dass man diese Nummern "aus Kostengründen" habe abschalten müssen. Eine proaktive Information der betroffenen Kunden durch einen Kartenanbieter oder durch Nakamobile ist aber nicht erfolgt. Für viele Kunden, die auf die deutsche Rufnummer Wert legen, sind diese Karten somit aktuell nicht verwendbar. Auch das Umschalten von interner SIM-Kennung (IMSI) und der abgehenden Rufnummer erfordert etwas Kenntnis, was nicht jeder Kunden leisten kann.
Wer ist Ansprechpartner?
Ansprechpartner für betroffene Kunden ist immer der Kartenherausgeber oder Verkäufer, sofern dieser noch existiert oder noch Support leisten kann und will. In Foren wird nun berichtet, dass einige Nakamobile-Kartenanbieter seit kurzem statt der bisher üblichen 11 Cent pro Minute auf einmal 58 Cent pro Minute berechnen würden. Das konnten wir nicht nachvollziehen. Ein Test mit der der Freetimetelecom SIM im UK-Modus ergab für ein Telefonat von Deutschland nach Deutschland (Festnetz) unverändert 11 Cent pro Minute.
Was kann man raten?
In der SIM-Karte sind mehrere SIM-Kennungen enthalten.
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Wer eine solche Karte noch besitzt, mag sie ungern wegwerfen, besonders wenn noch Guthaben drauf ist. Es kann also sinnvoll sein, die Karte gut aufzubewahren, den Guthabenstand (meist mit dem Code *130#) von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob kostenpflichtige Dienste oder Optionen gebucht sind.
Von einer Neuaufladung sollte man derzeit eher absehen, es sei denn, die Karte wird regelmäßig aktiv genutzt. Wer sie auf eine Fernreise außerhalb der EU mitnehmen möchte, sollte sich auf diese Karte nicht alleine verlassen, da man nie sicher sein kann, ob weitere Funktionen oder die gesamte SIM-Karte zeitweise oder längerfristig ausfallen könnten. Wenn die Corona-Krise überwunden sein sollte, ist nicht auszuschließen, dass die brachliegenden Funktionen wie die deutsche Rufnummer wiederbelebt werden könnten, sofern die beteiligten Unternehmen bis dahin noch durchhalten.
Eine Rückforderung bereits aufgeladenen Guthabens dürfte in der Praxis ziemlich aussichtslos sein. Es ist daher sinnvoller, das Restguthaben abzutelefonieren, um es nicht als Lehrgeld abschreiben zu müssen und alle Kontakte über etwaige neue Rufnummern zu informieren.
In unserem Ratgeber erfahren Sie wissenswertes zu Roaming-SIM-Karten.