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Editorial: Kampf um die Netzneutralität

StreamOn bekommt wegen Verletzung der Netzneutralität Auflagen der Bundesnetzagentur, die die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen. Dabei ginge es auch anders.
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StreamOn bekommt wegen Verletzung der Netzneutralität Auflagen der BNetzA. StreamOn bekommt wegen Verletzung der Netzneutralität Auflagen der BNetzA.
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Die Netzneutralität wird zum Politikum. Trump lässt sie abschaffen, während sie in Deutschland dazu dient, dass die Bundesnetzagentur der Deutschen Telekom harte Auflagen für ihren Zero-Rating-Dienst StreamOn erteilt. Gut, die Diskussion um StreamOn ist nicht neu, schon unmittelbar nach der Einführung von StreamOn vor über einem halben Jahr stellte sich die Frage, ob StreamOn mit der Netzneutralität vereinbar ist. Die Zeit seitdem hat die Bundesnetzagentur benötigt, um ihre Entscheidung zu StreamOn zu treffen.

StreamOn bekommt wegen Verletzung der Netzneutralität Auflagen der BNetzA. StreamOn bekommt wegen Verletzung der Netzneutralität Auflagen der BNetzA.
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Die Telekom schreibt, dass die Auflagen die Wirtschaftlichkeit von StreamOn gefährden. Wahrscheinlich wollte die Bundesnetzagentur genau das erreichen: Sie wollte StreamOn nicht explizit verbieten, weil das vor Gericht einen komplizierten Präzedenzfall schaffen würde, in dem über die Netzneutralität gestritten wird. Indem sie den Dienst mit Auflagen zulässt, verringert sie ihr eigenes Prozessrisiko und bewirkt am Ende möglicherweise dasselbe, was sie mit einer Unterlassungs­verfügung auch erreicht hätte, nämlich die Einstellung von StreamOn.

EU-Roaming und unlimitierte Bitrate

Eine der beiden Auflagen ist, StreamOn auch im EU-Roaming zur Verfügung zu stellen. Telekom-Kunden mit aktiviertem StreamOn könnten dann auch in den Nachbarländern kostenlos Video schauen, während die Telekom das dadurch verbrauchte Datenvolumen zu Großhandelspreisen beim jeweiligen Partnernetz bezahlen muss. Das könnte hohe und vor allem unkalkulierbare Kosten verursachen.

Auch die zweite Auflage - diese bezieht sich stärker auf die Netzneutralität - hat es in sich: Die Telekom muss bei StreamOn auch in der Datenrate unlimitierte Streams ermöglichen. Bisher war nämlich der Deal, dass der Nutzer bei StreamOn kostenlos Video schauen darf, aber nur in der niedrigen SD-Qualität (480p). Wer HD (720p), Full HD (1080p) oder gar noch mehr will, muss dennoch zahlen. Werden jetzt auch schnellere Streams in StreamOn zugelassen, steigen die Kosten für die Telekom aufgrund höherer Netzlast und sinken zugleich die Erträge, weil die Kunden jetzt kein Datenvolumen mehr kaufen müssen, wenn sie explizit in HD streamen wollen.

Interessanterweise hat die Bundesnetzagentur einen weiteren Einwand von Verfechtern der Netzneutralität nicht berücksichtigt: StreamOn steht faktisch nicht allen Inhalteanbietern diskriminierungsfrei offen, sondern nur denen, die eine gewisse Mindestgröße mitbringen und so in der Lage sind, die für StreamOn nötigen technischen Voraussetzungen (u.a. adaptive Bitrate) in ihrem Dienst zu implementieren. Gerade kleine, unabhängige Inhalteanbieter sind damit außen vor.

Restplätze für lau?

Wenn in der Folge der Auflagen der Bundesnetzagentur StreamOn eingestellt wird, ist damit die Gefahr gebannt, dass die Telekom direkt oder indirekt Einfluss auf die Video-Anbieter nimmt. Das ist aus Sicht der Netzneutralität sicher zu begrüßen. Andererseits gibt es auch ein starkes - und verständliches - Kundeninteresse an Zero Rating. Denn die Gigabyte-Preise sind im mobilen Internet immer noch hoch. Entsprechend stark wünschen sich die Kunden, auch mal kostenlos mobile Daten nutzen zu können, "wenn das Netz gerade frei ist".

Wenn die Telekom StreamOn dauerhaft betreibt, wird sie nämlich ihr Netz virtuell in (mindestens) zwei Teile aufteilen: Eines für die normalen Internetdienste, und ein - weniger hoch priorisiertes - für StreamOn. Sind dann gerade die Transfers der zahlenden Kunden hoch, belegen diese (fast) alle Bandbreite einer Zelle und es bleibt nur wenig Bandbreite für kostenloses Streaming. Ist hingegen viel Bandbreite unbenutzt, können entsprechend viele Streams laufen.

Die Frage, die sich aus Sicht der Netzneutralität aber wieder stellt, ist, ob dieses Verschenken von "Restkapazität" überhaupt auf bestimmte Dienste, hier Audio- und Video-Streaming, beschränkt werden darf. Daher hier mein Vorschlag für ein StreamOn, das die Netzneutralität wahrt, und zugleich die Kunden kostenlos freie Kapazitäten nutzen lässt: Dazu bekommen die Kunden auf pass.telekom.de einen neuen Schalter "zero rating". Wenn sie den aktivieren, bekommen sie für eine gewählte Zeit (z.B. 30 Minuten oder 2 Stunden) kostenlose Transfers, aber bei limitierter Bitrate. Bei MagentaMobil M beträgt die kostenlose Bitrate 300 kBit/s, was für gute Audio-Streams reicht, bei MagentaMobil L und besser hingegen 2 MBit/s, was für SD-Video-Streams reicht. Was der Kunde dann im Rahmen der Kostenlos-Zeit nutzt, bleibt ihm überlassen: Der eine streamt dann von den großen Portalen, der nächste von den kleinen, und der dritte updated sein Handy.

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