Nebenher?

Editorial: Vodafones Preiserhöhung nebenbei

Haupt- oder Nebenleistung: Das ist hier die Frage
Von

Die Zuordnung zahlreicher vermeintlicher Nebenleistungen inklusive der Nebenpflichten in die Kategorie der Hauptleistungen bedeutet nicht, dass diese kostenlos sein müssen. Der Tk-Anbieter kann ja nichts dafür, wenn ein Kunde seine SIM-Karte verschlampt. Und da Vertragsfreiheit gilt, darf der Tk-Anbieter in seiner Preisliste für Service-Leistungen, wie die Neuausstellung einer SIM-Karte, ein Entgelt vorsehen, das nicht nur die Kosten deckt, sondern auch einen Gewinnanteil enthält. Ebenso darf der Anbieter diesen Gewinnanteil später erhöhen, soweit er nicht allgemeine gesetzliche oder regulatorische Grenzen überschreitet. Aber nur bei Nebenleistungen kann der Anbieter diese Preiserhöhung auch gegenüber bestehenden Kunden in laufenden Verträgen für sofort wirksam erklären. Preissteigerungen bei Hauptleistungen gelten nur für Neukunden oder bei ausdrücklicher Vereinbarung mit dem Kunden (z.B. bei Vertragsverlängerungen).

Zum Jahreswechsel hat Vodafone für Festnetzkunden das Entgelt für die Portierung der Nummer zu einem anderen Anbieter von 8,15 Euro auf 30 Euro mehr als verdreifacht. Da Vodafone die Portierung als Nebenleistung ansieht, sollen Bestandskunden künftig also fast 22 Euro extra zahlen, wenn sie nach Vertragsende ihre bestehende Nummer woanders hin mitnehmen. Das ist für viele Kunden mehr als eine halbe monatliche Grundgebühr zusätzlich, die sie zahlen sollen, und das nur, weil sie ihr gesetzlich ihnen zustehendes Recht auf Behalt der Rufnummer wahrnehmen!

Aber darf Vodafone die Preisliste einfach so ändern? Nach Definition von "Nebenleistung" laut vorhergehender Seite gilt ganz klar: Nein! Nur gibt es dazu bis jetzt leider keine höchstrichterlichen Urteile. Und selbst, wenn in den nächsten Wochen eine Verbraucherzentrale oder der Bundesverband gegen Vodafone klagt: Bis ein höchstrichterliches Urteil vorliegt, ist der Ernstfall sicher schon eingetreten, hat der wechselwillige aktuelle Bestandskunde also bereits gekündigt und gewechselt und das neue, höhere Portierungsentgelt in Rechnung gestellt bekommen. Erfahrungsgemäß werden nur wenige Kunden ausreichend streitbereit sein, wegen 22 Euro auf der Abschlussrechnung eine Klage zu riskieren.

Dennoch empfehle ich möglichst vielen Kunden, der Preisänderung von Service-Entgelten für solche Service-Leistungen, die nur Vodafone erbringen kann, zu widersprechen, und in dem Widerspruch-Schreiben darum zu bitten, dass Vodafone den Widerspruch bestätigt. Je mehr Kunden dieses tun, desto eher erkennt der Anbieter, dass er mit den Kunden eben nicht irgendwie umspringen und Preise nach Gutsherrenart auch in laufenden Verträgen anpassen können. Zudem produziert die Bearbeitung der Widersprüche und den Versand der Bestätigungen beim Anbieter Aufwand, so dass er künftige Preiserhöhungen in bestehenden Verträge nicht nur nach moralischen, sondern auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten noch einmal prüfen wird. Sollte Vodafone hingegen den Eingang eines Widerspruchs nicht mal per SMS oder E-Mail bestätigen, wäre es durchaus angemessen, wenn Kunden weitererzählten, wie unkommunikativ sich der (Tele-)Kommunikationsanbieter verhält.

Klarer ist die rechtliche Situation zum Glück bei den Mahngebühren, die Vodafone zum Jahreswechsel für Festnetz-Kunden ebenfalls deutlich von 6 auf 9 Euro erhöht hat. Denn § 309 Abs. (6) BGB verbietet ausdrücklich die Vereinbarung von Vertragsstrafen für den Fall von Zahlungsverzug. Klar dürfen echte Mahnkosten umgelegt werden, aber ob Vodafone der Nachweis gelingen wird, dass schon die erste, automatisch erstellte Mahnung 9 Euro kostet, darf bezweifelt werden. klarmobil musste bezüglich noch etwas höherer Mahngebühren jedenfalls vor gut einem Jahr eine Niederlage vor Gericht hinnehmen.

Auch bezüglich überhöhter Mahngebühren ist neben einer Unterlassungsklage der Verbraucherzentralen darauf zu hoffen, dass renitente Nutzer Vodafone das Leben schwer machen. Denn derselbe Perfektionismus, den Vodafone angesichts der hohen Mahngebühren offensichtlich von seinen Kunden bei der Zahlung der Rechnungen verlangt, ist auch von Vodafone bei der Erbringung seiner Leistung zu verlangen. Wenn die Bereitstellung von DSL länger dauert als versprochen, die Freigabe einer Nummer zur Portierung verschlampt wird oder regelmäßig nicht die versprochene Bitrate erreicht wird, warum soll dann nicht auch der Kunde eine kostenpflichtige Mahnung schicken dürfen? Dasselbe gilt, wenn der Anbieter falsch abrechnet oder nach einer längeren Störung die anteilige Kürzung der Grundgebühr für die Zeit der Störung vergisst.

Jeder macht mal Fehler. Daher sollte man in einem gegenseitigen Vertrag die Kosten für kleine Lässlichkeiten nicht ins Absurde steigern. Weder für die eine noch für die andere Seite.

vorherige Seite:

Weitere Editorials