Krise

Editorial: Motorolas sinkender Stern

Gerätehersteller sucht verzweifelt neues Zugpferd
Von Janko Weßlowsky

Motorola steckt in der Krise. Dem Unternehmen, das sich nach dem enormen Erfolg des ursprünglichen RAZR V3 nach eigener Erwartung anschickte, schließlich sogar Nokia die Markführerschaft streitig zu machen, fehlt schlicht ein aktuelles Zugpferd in der Produktpalette. Zwar steht der Name Motorola für technische Innovationen. Von hier kamen die ersten GPRS- und UMTS-Handys. Auch eines der ersten HSPDA-Handys wurde letztes Jahr durch Motorola präsentiert. Doch seit einiger Zeit präsentiert der Gerätehersteller kaum noch neue Handys mit wahrem Trend-Potenzial.

Denn Motorola hat ein schwerwiegendes Problem: Man hat sich vor allem auf die Technik beschränkt. Es fehlt schlicht das Gefühl für die Kombination dieser Technik mit den richtigen Trend-Anwendungen. Und das sind für die Käufer vor allem die einfache Handhabbarkeit des Gerätes und Features wie Kameras oder Music-Player. Neue Marken, die dem Kunden das Gefühl von High-Tech in Verbindung mit neuen Trend-Anwendungen geben, wie die "Walkman"-Serie bei Sony Ericsson, sind Mangelware. Wo andere Anbieter längst auf 3,2-Megapixel-Kameras und Blitzlicht, GPS und andere Funktionen setzen, herrscht bei Motorola immer öfter Fehlanzeige. Es fehlt die richtige Kombination aus Technik und Anwendungsinnovationen.

Stattdessen werden immer neue Varianten bereits vorhandener Modelle auf den Markt geworfen und als wesentliche Neuheit beworben - obwohl sie sich nur in minimalen Details unterscheiden. So zum Beispiel die ausufernde RAZR-Produktreihe, insbesondere bei Modellen wie dem V3xx und dem Maxx V6. Ähnliches Design, fast identische Ausstattung - aber als Weltneuheiten bezeichnet. So gewinnt man kein scharfes Profil, kann man keine Neukunden für sich begeistern. Ebenso wenig helfen dürften Motorola die Mehrfachvorstellungen, die mittlerweile an der Tagesordnung sind: Da wird ein Gerät wie das bereits zur CES in Las Vegas im Januar vorgestellte RIZR Z6 kurzerhand umbenannt in ROKR Z6. Auch das nun groß als "Media Monster" beworbene MOTO Z8 ist keinesfalls neu: Noch zur 3GSM wurde es bereits als RIZR Z8 beworben.

Bilanzen quittieren Motorolas Ideenlosigkeit

Die Ideenlosigkeit schlägt sich in den Bilanzen nieder: Anstatt dieses Jahr wie erhofft den Thron der Handyhersteller zu besteigen, kämpft das Unternehmen mit sinkenden Absatzzahlen und fallenden Umsätzen. Für das erste Quartal dieses Jahres verkündete Motorola einen Verlust von acht US-Cent je Aktie und einen Nettoverlust von 181 Millionen Dollar (133 Millionen Euro). Interessanter Nebenfakt: Alle Geschäftsbereiche operieren profitabel, lediglich die Handysparte ist um 15 Prozent tief eingebrochen. Erstmals seit dem zweiten Quartal 2004 wurde damit wieder in einem Quartalsergebnis ein Verlust eingefahren. Auch die Prognose für das Gesamtjahr musste deutlich nach unten korrigiert werden.

Sollte Motorola also auch weiterhin vollmundig neue Geräte ankündigen und letzten Endes doch nur ein umbenanntes bereits bekanntes Modell präsentieren, anstatt die vom Kunden erwarteten Anwendungsmöglichkeiten mit der richtigen Technik zu kombinieren, wird der Trend bei Motorola sich kaum umdrehen.

Immerhin: Wie ein zukünftiger Weg aussehen kann, deutet Motorolas neue Kooperation mit Napster an. Der Handy-Hersteller möchte künftig mit dem Online-Musikdienst zusammen Angebotsbündel anbieten. Wer ein bestimmtes Gerät kauft, erhält drei Monate lang unbegrenzten und kostenlosen Zugriff auf den Musikdienst. Normalerweise zahlen Kunden von Napsters Musik-Flatrate Napster to Go dafür 14,95 Euro je Monat. Und das ist sicher ein Mehrwert, den auch die Kunden zu schätzen wissen sollten.

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