Klimaschutz

Editorial: Willkommen im grünen Bereich

Von Öko-Tarifen und Gütesiegeln für umweltfreundliche Rechenzentren
Von Björn Brodersen

In den Medien wurde das Thema "Klimaschutz in der IT" inwzischen schon zur Genüge durchgekaut, bei den Verbrauchern ist es dagegen noch gar nicht richtig angekommen. Oder haben Sie sich ihren Internetzugangsprovider oder Webhoster danach ausgesucht, auf welche Weise er seinen immensen Stromverbrauch deckt? Dabei schadet der Internetnutzer der Umwelt genauso wie etwa ein Autofahrer oder ein Flugpassagier. Einer Studie zufolge erzeugt die IT- und TK-Branche soviel CO2 wie Flugzeuggase und ist für zwei Prozent des gesamten weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die Internetfirmen erkennen langsam, dass sie beispielsweise durch eine Verbesserung ihrer Energiebilanz nicht nur ihr Image bei den Kunden aufwerten, sondern auch richtig Geld sparen können.

Beispiel Strato: Der zweitgrößte europäische Webhoster mit über einer Million Kunden und 3,5 Millionen Domains setzt in seinen Rechenzentren in Berlin und Karlsruhe künftig auf stromsparende CPUs und will ab dem kommenden Jahr den anfallenden Strombedarf vollständig aus Laufwasserkraft abdecken. Durch die bereits vor längerem begonnene Umstellung hat der Provider nach eigenen Angaben in den vergangenen 18 Monaten den Stromverbrauch pro Kunde um 30 Prozent senken können und vermeidet so jährlich den Ausstoß von 15 000 Tonnen CO2. Mehrkosten sollen zudem auf die Kunden nicht zukommen.

Finanzieller Zwang zum Umdenken

Hinter dem Umdenken stecken nicht nur altruistische Motive sondern auch handfeste finanzielle Gründe: Der Strombedarf der Rechenzentren nimmt stetig zu, da die Datenmenge im Internet ansteigt. Diese hat sich beispielsweise in den Jahren 2000 bis 2005 verdoppelt, in der Web-2.0-Ära werden die User verstärkt angeregt, ihre Daten auf Servern abzulegen. Zudem steigt nicht nur der Stromverbrauch, sondern auch die Strompreise klettern nach oben. Dass sich das nicht so schnell ändert, dafür kämpfen die vier großen Stromkonzerne in Deutschland. Insofern besteht auch ein Zwang zum Umdenken. Den Stromverbrauch zu senken, versuchen erste Internetfirmen jetzt durch den Einsatz sparsamerer Server, eine bessere Auslastung der Boxen, Code-Optimierungen im Betriebssystem, die Konzentration der Rechenzentren auf wenige große Standorte und eine wirksamere Wärmedämmung der Gebäude.

Um bei dem Beispiel zu bleiben: Strato arbeitet dadurch nach eigener Rechnung nicht nur effizienter und energiesparender, sondern kann so auch die weiteren laufenden Betriebskosten - etwa beim Personal - reduzieren. Der Webhoster will dadurch schon im zweiten Jahr Preisvorteile gegenüber der Konkurrenz haben, die auf Strom aus fossilen Brennmaterialen wie Kohle oder Öl setzen und Neukunden vor allem mit günstigen Einstiegsofferten locken. Zudem verspricht sich Strato durch das Aufwerten des Images bei den Nutzern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Damit die Botschaft bei den Kunden ankommt, wirbt die Berliner freenet-Tochter kräftig mit dem entdeckten Öko-Sinn.

Energy Star für Rechenzentren und spezielle Öko-Tarife

Das Beispiel Strato mag zurzeit nur der Tropfen auf dem heißen Stein sein, denn der absolute Stromverbrauch wird durch neue Endgeräte, immer schnellere Internetzugänge und die zunehmende Digitalisierung des Alltags insgesamt zunächst weiter ansteigen - es geht zunächst also erst einmal um eine Dämpfung der Auswirkungen dieser Entwicklung. Doch der stete Tropfen höhlt auch den Stein: Die eigene Darstellung von Strato als "Saubermann" wird mit Sicherheit andere Internetfirmen animieren, dem Beispiel zu folgen. So eröffnete etwa auch Host Europe im vergangenen Mai in Köln ein neues effizienteres Rechenzentrum mit neuester Chip-Technologie und Klimagebäudetechnik. Gelobt werden muss Strato dafür, dass das Unternehmen nicht nur auf eine erneuerbare Energiequelle setzt sondern auch gleichzeitig versucht, die Stromverbrauch zu reduzieren - dem Problem also von mehreren Seiten gleichzeitig begegnet.

Ihr eigenes Gewissen können die Internetnutzer beispielsweise durch den Kauf stromsparender Computer und Bildschirme, das Nutzen der Stromsparfunktionen in den PC-Betriebssystemen und den Verzicht auf den Standby-Modus der Geräte oder andere Maßnahmen, die Thema eines früheren Editorials waren, beruhigen. Gleichzeitig können sie mit ihrer Wahl für oder gegen einen bestimmten Provider das grüne Bewusstsein der Internetfirmen fördern. Noch stellt Strato einen Ausnahmefall dar, dem aber hoffentlich andere Branchenunternehmen schon bald nacheifern werden. Dann könnten in der schönen neuen grünen ITK-Welt neben dem monatlichen Grundpreis ein dem Energy Star vergleichbares Gütesiegel für Rechenzentren oder spezielle Öko-Tarife die Anbieterwahl bestimmen.

Die Voraussetzungen, dass die Branche jetzt in einem zweiten Anlauf sich des Problems des wachsenden Strombedarfs annimmt, sind gut: Das Thema Klimaschutz liegt im Trend, zudem profitieren die Unternehmen selbst davon.

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