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Editorial: Wucher im Internet by Call

Preise ohne Limit!?
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Schließlich ist langsam auch der Staatsanwalt gefragt. Auf schweren Wucher steht immerhin eine Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe! Eine Verurteilung scheitert aber oft daran, dass Wucher nach deutschem Recht nur dann vorliegt, wenn eine besondere Situation des Opfers (laut Gesetz eine Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche) ausgenutzt wird. Eine solche Situation liegt aber hier bei strenger Auslegung der Begriffe nicht vor. Vielmehr werden die Opfer durch die Übernahme der Tarife verbunden mit der Preiserhöhung in eine Situation gebracht, wo sie praktisch nicht wissen können, was später auf der Rechnung stehen wird. Es ist also nicht die Willensschwäche oder die Unerfahrenheit bezüglich eines angemessenen Preisniveaus, die die Opfer dieses akzeptieren lässt, sondern das Unwissen über die Übernahme und Tarifänderung. Aus ähnlichen Gründen dürfte auch kein Betrug vorliegen, denn dazu müssten die Opfer arglistig getäuscht werden, bei diesen also absichtlich ein Falschwissen provoziert werden. Dazu wäre zumindest die aktive "Unterdrückung wahrer Tatsachen" nötig, was angesichts der oben zitierten Veröffentlichung der Preise aber ebenfalls nicht zutreffen sollte. Auf der Webseite von 666net.de angegebene Tarife (Auszug)

Die Täter befinden sich somit anscheinend im Niemandsland zwischen zwei Strafrechtsnormen. Aber auch hier sollte gelten: Je verwerflicher die Gesinnung, je höher die Preisüberhöhung, desto breiter müssen die Rechtsnormen ausgelegt werden, so dass es am Schluss doch zu einer Verurteilung reicht. Wer von 0,7 auf 0,8 Cent pro Minute erhöht, hat seine Informationspflichten sicherlich dadurch abgedeckt, dass er die Allgemeinheit geeignet informiert. Wird der Preis von einem früher sicherlich wettbewerbsfähigen Niveau zunächst um den geschätzten Faktor 10 auf 24,99 Cent und dann im nächsten Schritt gar auf 49,99 Cent gesteigert, ist hingegen eine Information des einzelnen Kunden zwangsläufig zu fordern, und deren Unterlassung eben doch als "Unterdrückung wahrer Tatsachen" gegenüber dem jeweiligen Opfer zu werten! Und auch wer solche Mondpreise nicht nur von wirtschaftlich schwachen Menschen, sondern "übergreifend" von einer großen Zahl an Opfern kassiert, sollte deswegen sogar erst recht wegen Wucher verurteilt werden können. Sollte die aktuelle Gesetzeslage nicht ausreichen, muss sie dringend nachgebessert werden. Sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Tarife mit 50 Euro pro Minute auftauchen.

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