installiert

Editorial: Meine Basisstation zu Hause

Wem nutzen Picozellen?
Von

Picozellen sind nun der nächste Versuch, auch auf Hardware-Ebene feste und mobile Netze zusammenzuführen. Das mobile Endgerät bleibt dabei unverändert, im DSL-Router des Kunden wird aber neben der WLAN-Basisstation auch eine kleine UMTS-Zelle eingebaut.

Auf den ersten Blick erscheint manches an dem neuen Ansatz verlockend. Der Kunde bekommt dadurch perfekte Netzversorgung in seiner Wohnung. Er braucht sich um das Endgerät und dessen zwei Betriebsarten (z.B. GSM und DECT) keine Gedanken zu machen, sondern kann einfach alle Telefonate und Internetzugriffe über das 3G-Netz abwickeln. Und vielleicht ist sogar der Netzbetreiber so nett, die über die heimische Zelle abgewickelten Datenverbindungen nicht zu berechnen, da sie sein Netz auch nicht belasten, und Sprachverbindungen zumindest zu rabattieren.

Auf den zweiten Blick wird es aber schon schwieriger, die genaue Zielgruppe für Femtozellen zu erkennen: Wer alle Kommunikation mit Handy und Datenkarte abwickelt, wird kaum Lust haben, den für die Femtozelle nötigen Festnetzanschluss samt damit verbundener monatlicher Grundgebühren zu behalten. Wer hingegen zu Hause grundsätzlich aufs Festnetz wechselt, hat keine Vorteile von der Femtozelle. UMTS-Femtozelle DVG834GH
Netgear

So bleibt als Zielgruppe der anspruchsvolle Kunde, der für 30 bis 50 Euro kombinierter monatlicher Grundgebühr das Beste aus beiden Netzen will. Ob dieser Kunde aber so glücklich darüber sein wird, bei Sprachverbindungen über die Femtozelle faktisch mit Voice over IP zu telefonieren? Die alternativen Festnetzbetreiber haben schon genug Qualitätsprobleme mit ihren NGN-Anschlüssen. Das wird bei Sprache über UMTS-Frames über IP-Pakete kaum besser sein.

Auch der Umstand, sich mit einer Femtozelle eine quasi vollwertige Mobilfunk-Basisstation ins Haus zu holen, dürfte angesichts der damit verbundenen vermeintlichen oder tatsächlichen Strahlenbelastung viele Kunden abschrecken.

Schließlich bleibt abzuwarten, wie die Mobilfunknetze darauf reagieren, dass kaum kontrollierbare Sender in größerer Stückzahl auftauchen. Die Netzbetreiber sind ja nicht gerade mit massenhaft freien Frequenzen gesegnet, die sie exklusiv den Femtozellen zuweisen können. Beim Mischbetrieb von Femtozellen und normalen Basisstationen auf derselben Frequenz drohen aber an den Rändern von Femtozellen merkwürdige Effekte. Insofern ist noch nicht einmal der Vorteil für die Netzbetreiber sicher.

Kommerzielles Umfeld interessanter - aber nicht für Femto geeignet

Anders sieht es im gewerblichen Umfeld aus: Viele Betreiber von Gaststätten, Hotels oder Bürohäusern haben ein Interesse daran, dass Gäste und Mitarbeiter problemlos telefonieren können. Als Beispiel sei die Deutsche Bahn genannt, die einzelne Wagen ihrer ICE-Schnellzüge gezielt mit Repeatern für optimalen Empfang ausrüstet. Jedoch sind die meisten Femto-Lösungen von den maßgeblichen Parametern her - etwa Maximalzahl der gleichzeitig eingebuchten oder aktiven Endgeräte - für den gewerblichen Einsatz zu klein.

Von daher könnte den Femtozellen aka WLAN-UMTS-DSL-Routern dasselbe Schicksal ereilen wie den GSM-DECT-Handys: Von einer kleinen Zielgruppe hochgeschätzt, werden sie von der Masse ignoriert.

Weitere Editorials