Großprojekt Bautzen: Überall Glasfaser? Leider nicht!
Die Freude ist groß über den Glasfaserausbau im Landkreis Bautzen, sowohl bei der Politik und der Verwaltung, als auch bei den Kunden, die einen Anschluss bekommen können. Schaut man aber näher hin, gibt es einige Falltüren, die sich nicht nur in Bautzen, sondern generell in allen Glasfaser-Ausbaugebieten auftun können.
Leserfrust in Lauta bei Bautzen
Ein teltarif.de-Leser meldete sich aus Lauta bei Bautzen. Dort "bekommen das Neubaugebiet und die Musikersiedlung kein schnelles Internet". Dort lägen schon immer nur maximal 6 MBit/s an. Der Leser hat beim Landkreis nachgefragt: Die Antwort ist für ihn frustrierend. Wir übersetzen das Amtsdeutsch: Es kann nicht einfach losgebaut werden, sondern es müssen Regelungen und Vorgaben "aus der Richtlinie für die Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus" eingehalten werden.
Am Anfang steht das Markterkundungsverfahren
Digital-Minister Andreas Scheuer wollte die Internet-Förderung anschieben, hat sich aber in lieb gemeinten Regeln verheddert.
Grafik: Picture Alliance / dpa
Wenn ein Gebiet ausgebaut werden soll, steht da als erstes ein sogenanntes Markterkundungsverfahren. Dabei werden alle in Frage kommenden TK-Anbieter (Telekom, Vodafone, o2, Sachsen Energie, XYZ Tel (frei erfundener Name) etc.) gefragt, ob sie Lust haben, schnelles Internet auszubauen. Die Antwort lautet dann meistens "Nein", weil ein Ausbau Geld kostet.
Dann müssen alle Gebiete, um die es geht, "erkundet" werden, wie schnell denn da das Internet aktuell schon ist. Es gibt eine "Aufgreifschwelle". Ist das Internet in dem Gebiet schneller als diese Aufgreifschwelle, passiert dort nichts. Diese Aufgreifschwelle war bisher 30 MBit/s, soll aber auf 100 MBit/s erhöht werden. Wenn nun in einem Gebiet irgend ein Anbieter nach alter Regelung 32 MBit/s (Beispiel) bietet, haben die Kunden dort nur eine Wahl - diesen Anbieter.
Musiker-Siedlung "zu gut" versorgt?
Die Antwort des Landkreises sagte dem Leser: "Das Gebiet in der Musikersiedlung in Bautzen wird von der Telekom mit deutlich über 30 MBit/s versorgt und die Neubausiedlung im Bereich der Einsteinstraße wird von der PYUR (ehemals Primacom) mit ca. 200 MBit/s versorgt."
Wie schnell ist schnell?
Im Klartext: Ist da also jemand, der vorgibt schneller zu sein (oder wirklich schneller ist), darf das Gebiet nicht mehr gefördert ausgebaut werden. Diese Regel wurde erfunden, um Bestandsanbietern einen Schutz ihrer Investitionen zu gewähren. Nun könnten die Bestandsanbieter ja von sich aus die Initiative ergreifen und hochrüsten. Doch das würde sie Geld kosten, von dem sie möglicherweise glauben, es nicht mehr zurück verdienen zu können. Außerdem würden die bisher aufgebauten Systeme über Nacht "wertlos" (die haben auch einmal Geld gekostet), weil die Mehrheit der Kunden vielleicht sofort auf das neue System umsteigen würden.
Anbieter wechseln?
Auch der Rat zu wechseln ist schwierig: Wo es zwei verschiedene Anbieter (z.B. Kabel TV oder DSL) gibt, kann der Kunde jetzt wechseln, kommt dabei aber möglicherweise vom Regen in die Traufe. Gerade Kabel-TV-Systeme sind zwar theoretisch schnell, in der Praxis aber oft doch nicht oder nur zeitweise.
Warum fanden wir in Bautzen keine Ausbaugebiete?
Wir haben in Bautzen willkürlich Adressen herausgegriffen, die dann nicht glasfaserfähig waren. Des Rätsels Lösung ist die folgende: In der Muskauer Straße sind zwei Adressen ausgebaut, eine ist buchbar und die andere Adresse aufgrund fehlender Eigentümergenehmigung nicht buchbar. Dresdener Straße: 29 Adressen ausgebaut, 22 buchbar, sieben Adressen aufgrund fehlender Eigentümergenehmigung nicht buchbar. Clara-Zetkin Straße: keine Adresse im Ausbaugebiet, Richard Wagner Straße: kein Adresse im Ausbaugebiet. Auf seiner Internet Seite [Link entfernt] informiert der Landkreis über den Ausbau im Detail (hier Cluster 7).
Wenn der Eigentümer nicht zustimmt
Wenn sich ein Grundstücks- oder Hauseigentümer weigert, die Bautrupps der Telekom oder eines anderen Anbieters auf sein Grundstück zu lassen, kann dort keine Glasfaser gebaut werden. Die vor vielen Jahren erteilte Baugenehmigung für Telefon-Kupferkabel gilt nämlich nicht mehr für Glasfaserleitungen. Da braucht es eine neue Genehmigung. Probleme kann es bei großen Mieterkomplexen oft mit komplizierter Eigentümerstruktur geben. Wenn deren Eigentümergemeinschaft nur selten tagt oder sich bei allem was möglicherweise extra Geld kosten könnte, uneinig ist, sieht es für die Bewohner schlecht aus.
Nicht der ganze Landkreis ist mit Glasfaser versorgt
Wie uns der Landkreis Bautzen auf Nachfrage mitteilte, durften "in die Förderanträge Cluster 1 bis 9 alle diejenigen Gebiete aufgenommen werden, die nach der Markterkundung über Bandbreiten mit weniger als 30 MBit/s verfügen und nicht eigenwirtschaftlich erschlossen werden."
Für das Projekt Cluster 10 A/B wurden alle bekannten Adressen außerhalb der Ausbaugebiete Cluster 1 bis 9 im Landkreis Bautzen geprüft. Alle als förderfähig definierten Adressen konnten in den Förderantrag Cluster 10 A/B aufgenommen werden.
So konnte für den Ort Cunewalde im Rahmen der Markterkundung keine Förderfähigkeit festgestellt werden. Daher ist dort "ein geförderter Ausbau im Rahmen der Projekte Cluster 1-9 nicht möglich." Wie es aussieht, gibt es in Cunewalde bereits (Super-)Vectoring-DSL der Telekom mit "bis zu" 175-250 MBit/s.
Sicher bleiben noch viele Fragen, die wir hier nicht alle klären konnten. Der Landkreis steht parat: "Die Bürger können sich mit Ihren Fragen gern an das Breitbandteam wenden. Auf der Internetseite www.breitband-bautzen.de ist ein Kontaktformular hinterlegt. Jede Anfrage wird beantwortet." Das ist doch mal eine Aussage.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Das hochkomplizierte Förderverfahren sollte allen Gerechtigkeit bringen: Den Bürgern schnelles Internet, aber die Investitionen der Firmen, die vorher schon etwas aufgebaut hatten, vor einem radikalen Wertverfall schützen. Was sicher gut gemeint war, erweist sich längst als "Förderdschungel", der viele teuer bezahlte Spezialisten braucht und nur viel Zeit kostet. Besser wäre der Startschuss zu einem ein flächendeckenden Vollausbau mit Glasfaser - ohne Rücksicht auf vorhandene Technik gewesen. Dabei hätte man das Land in Parzellen einteilen und die nach attraktiven und unattraktiven Gebieten hätte ausschreiben müssen. Doch dieser Zug ist wohl abgefahren.
Was jetzt notwendig ist, dass in den schwachen oder "grauen" Gebieten die bereits vorhandenen Anbieter "ermuntert" werden, freiwillig ihre Gebiete hochzurüsten. Wo das zu finanziellen Problemen führen könnte, muss es wohl der Staat richten, sei es durch Förderkredite oder Zuschüsse, weil der Markt alleine das leider nicht zu leisten im Stande ist.
Für die Telekom ist Bautzen ein Leuchtturm-Projekt. Dann sollten die Kostenrechner dort tief durchatmen und "eigenwirtschaftlich" die fehlenden Lücken schließen, ohne lange drüber nachzudenken, was jetzt genau förderfähig ist und was nicht. Langfristig müsste sich das gerade für die Telekom am ehesten rechnen, da sie über die notwendige Größe und Erfahrung verfügt.
5G für die Milchkanne? Ja bitte.